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Immer noch Klaus' Sicht

Ohne anzuklopfen reiße ich die Türe auf, betrete den Raum und knalle die Türe hinter mir wieder zu. Frau Türk sitzt an ihrem Schreibtisch und scheint etwas an ihrem PC zu arbeiten. Sie zuckt kein bisschen zusammen, sondern blickt mich fast desinteressiert über den Rand ihrer Brille an. "Guten Tag!", zische ich ihr scharf entgegen und schmeiße die beiden Ordner, die die Unterlagen der Betreuer beherbergen, in hohem Bogen auf die Schreibtischplatte. Anschließend lasse ich mich in dem Besucherstuhl nieder und starre die Gute mit grimmigen Gesichtsausdruck an. "Guten Tag. Sie sind?" "Polizeihauptkommissar Klaus Wiebel." "Aha und sie wünschen? Hat sich wieder eines unserer Kinder etwas zu Schulden kommen lassen?" "Nein, ich bin hier, da mir etwas anderes zu Ohren gekommen ist. Da sie hier anscheinend die Leiterin des Heimes sind, würde ich gerne mit ihnen über ihr Personal sprechen!" Frau Türk verdreht die Augen und widmet sich wieder ihrem PC: "Haben sie schonmal etwas von Terminvereinbarungen gehört? Ich habe viel zu tun und nicht die Zeit, um irgendwelche Pläuschchen zu halten!" Meine Hände auf dem Schoß ballen sich zu Fäusten, während mein Hemdkragen langsam etwas eng wird. Am liebsten würde ich diese Frau sofort in Stücke zerreißen, aber ich muss mich beherrschen. "Das wird kein Pläuschchen, verehrte Dame. Sie haben sich die Zeit zu nehmen und mit mir über die Zustände in diesem Heim zu reden. Zu allererst würde mich interessieren, was sie dazu bewegt hat, diese teilweise unfähigen und nicht ausreichend ausgebildeten Menschen auf die Kinder anzusetzen." "Ich verstehe nicht... Meine Leute sind arbeitswillig und kümmern sich um die Kinder. Jeder hat eine Chance verdient und heutzutage sind ja nicht alle bereit, sich mit sozialer Arbeit abzugeben. Das sollten sie doch wissen!" "Dass es gewisse Anforderungen und Gesetze gibt, die man im Umgang mit Kindern einzuhalten hat, sollten SIE eigentlich wissen. Hören Sie, ich bin nicht hier, um mir irgendwelche Ausreden anzuhören oder um den heißen Brei zu reden. Ich stelle ihnen die Fragen, sie beantworten sie mir wahrheitsgemäß. Verstanden?" Ich meine, einen leichten Anflug von Unsicherheit in dem Gesicht der Heimleiterin zu sehen. "Haben Sie denn einen Beschluss, der Ihnen erlaubt..." "Keine Sorge, ich habe die oberste Etage hinter mir stehen. Darum brauchen sie sich nicht zu kümmern. Ich möchte von Ihnen bitte geschildert bekommen, warum sie überwiegend unqualifizierte Personen beschäftigen, die teilweise eine kriminelle Laufbahn vorzuweisen haben!"

Frau Türk versucht sich an einem erschrockenen Gesichtsausdruck und legt sich eine Hand auf die Herzregion: "Bitte was? Kriminelle Laufbahn? Davon hat mir keiner etwas erzählt!" Ich kann nicht anders als kurz ungläubig aufzulachen. Mir kommt es fast so vor, als würde sie mich mit einem kleinen Kind verwechseln, das keine Ahnung von Gesetzen und Vorschriften hat. "Ist ihnen bewusst, dass Personen, die sich um das Wohle anderer zu sorgen haben, immer ein Führungszeugnis vorzulegen haben und dieses so weiß und unbeschriftet sein sollte, wie die Wand hinter ihnen?" Frau Türk starrt mich nur an und bleibt mir eine Antwort schuldig. Die Sache mit einem Resozialisierungsprogramm spricht sie selbst nicht an. Ich frage mich, ob Fuchs gelogen hat oder ob die Heimleiterin es einfach nur verschweigt. Fragen möchte ich sie danach vorerst nicht, denn sie muss nicht wissen, dass ich schon einige Anklagepunkte vorbereitet habe.

Die Bereitschaft mit mir zu kooperieren scheint nicht vorhanden zu sein und darum reibe ich ihr meine weitere beabsichtigte Vorgehensweise unter die Nase: "Wir können es so machen, dass sie mit mir reden und wahrheitsgemäß meine Fragen beantworten oder ich kann mit nur einem Telefonat dafür sorgen, dass in weniger als einer Stunde das ganze Heim nur so von Polizei wimmelt und alles auf den Kopf gestellt wird. Jeder Zentimeter." Natürlich werde ich eine solche Durchsuchung so oder so einleiten, aber das muss die Gute ja nicht wissen. Manchmal hilft so ein bisschen Druck enorm weiter.

Frau Türk schiebt ihre Brille den Nasenrücken nach oben und atmet schwer auf: "Durch einen Personalmangel, der mich gezwungen hat schnell zu handeln, habe ich vielleicht bei dem ein oder anderem auf eine Überprüfung verzichtet. Ich habe nur auf gewisse Dinge ein Augenmerk gelegt!" Ich schnaube verärgert auf: "Auf was denn? Das es Menschen sind, die eigenständig atmen und sich bewegen können? War das das Hauptkriterium für die Qualifizierung sich um Schutzbefohlene zu kümmern?" Die Heimleiterin verdreht die Augen: "Können sie sich vorstellen, was diese Gören für einen Arbeitsaufwand bedeuten? Ich bin froh, dass sich überhaupt jemand dazu herablässt sich tagtäglich mit diesen Rotznasen abzugeben. Würden sie sich jeden Tag das geheule anhören wollen? Wollen sie immerzu unnötigen Streit schlichten, Pflaster auf minimale Kratzer kleben, den Kindern sagen, daß alles gut wird, obwohl niemand solche kaputte Seelen haben möchte? Ich glaube nicht, dass sich das jemand mit klarem Verstand antun möchte." In meiner Speiseröhre beginnt es schmerzhaft zu brennen. Das aufsteigende Magengebräu würde sich nur allzu gerne seinen Weg auf den Schreibtisch dieses weiblichen Monster bahnen. "Warum arbeiten sie mit Kindern, wenn sie sie doch so hassen?", frage ich und muss mich sehr beherrschen, keine ausfallenden Worte zu benutzen. "Irgendwer muss den Job ja machen...", murmelt sie fast schon angeekelt vor sich hin. "Gut. Das kann ich mir nicht länger mit anhören. Packen sie ihren persönlichen Kram zusammen. Wenn sie sich weigern, werde ich sie mit dem größten Vergnügen in Handschellen abführen lassen." "Tzz. Was denken Sie denn wer sie sind? Sie können mich nicht entlassen. Sie sind nicht mein Arbeitgeber." "Nein, das nicht. Aber ich kann sehr wohl dafür sorgen, dass sie nie wieder einen Fuß in dieses Heim setzen. Schon alleine, dass sie die Kinder einem verurteilten Straftäter ausgeliefert haben, der hier tun und machen konnte, was er wollte, ist Rechtfertigung genug. Die Träger des Heims wurden über diese Tatsache schon in Kenntnis gesetzt und werden sich über ein tiefergehendes Gespräch sehr freuen. Das findet im Übrigen direkt in einer Stunde bei mir auf dem Revier statt. Bis dahin haben wir sicherlich ein paar weitere Punkte aufgelistet, die ihre Unfähigkeit im Umgang mit Schutzbefohlenen und der Leitung eines Heimes belegen. Glauben Sie nicht, dass die Kinder weiterhin schweigen werden. Meine Männer befragen die Kinder schon seit geraumer Zeit." Der Heimleiterin entgleisen sämtliche Gesichtszüge. Leider hält dieser Zustand nur einige Sekunden an, denn kurz darauf erhebt sie sich und täuscht vor, zu einem der Schränke zu laufen. Doch auf halbem Wege schlägt sie die Richtung zur Türe ein und beginnt zu rennen. Ich blase nur genervt die Luft aus, da ich eigentlich gar keine Lust auf eine Verfolgungsjagd habe. Kaum hat das Biest die Türe aufgerissen und ist mit einem Schritt im Flur angelangt, kommt sie auch schon wieder zurückgeflogen und landet mit ihrem Hintern direkt auf dem Fliesenboden.

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt