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Als wir den Gang auf der Kinderstation entlang laufen, fällt mir auf, dass Lias tatsächlich weniger hustet. Dieses Bronchodings muss wahre Wunder bewirkt haben und ich hoffe, dass das sehr lange anhält.

Als wir kurz vor Lias' Zimmertüre sind, kommt zwei Türen weiter Alex aus einem der Räume gelaufen. "Hey, Alex. Sag mal, bist du immer noch oder schon wieder hier? Man könnte fast meinen, dass du dein Zuhause gegen die Klinik eingetauscht hättest!" Herr Hetkamp dreht sich irritiert in unsere Richtung und legt ein müdes Lächeln auf. Er mustert erst mich und bleibt dann mit seinem Blick an Lias hängen. Dabei wirkt er etwas nachdenklich, als wenn er überlegen müsste, ob er den Jungen kennt. Auch Lias hat einen komischen Blick aufgelegt und mustert den Arzt mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Ähm... Könnte man fast so sagen. Ich habe seit neuestem...." Leider kann Alex seinen Satz gar nicht beenden, denn da wird er auch schon von einer Schwester, die aus dem Aufzug heraustritt, gerufen. "Sorry, ich muss leider los. Ich erzähle dir alles bei unserem Bier", entschuldigt er sich und wendet sich dann von uns ab.

"Wer ist das, Paul?", will Lias wissen und schaut dem Humpelchen eine Zeit lang hinterher. "Das ist Alex. Ein guter Freund von mir!", gebe ich eine kurze Erklärung ab, da ich denke, dass Lias nur etwas wunderfitzig ist und sich damit zufrieden gibt. "Was macht der hier? Ist der Kinderarzt?" "Ursprünglich war er Notarzt, aber aufgrund eines Unfalls hat er jetzt in die Klinik gewechselt. Kinder gehören meines Wissens nach nicht in sein Aufgabengebiet, aber ich weiß nicht, ob er sich jetzt komplett umorientiert hat. Das wird er mir sicherlich noch erzählen. Warum fragst du?" "Irgendwie kommt er mir bekannt vor, aber ich weiß nicht woher..." Mir kommt da eine ganz einfache Erklärung in den Sinn: "Vielleicht hat er dich früher schon mal als Notarzt versorgt oder du hast ihn in der Klinik gesehen. Jonathan hat gesagt, dass du leider eine große Karriere als RTW-Passagier verzeichnen kannst. Da wäre das gar nicht so abwegig." Mein Neffe zuckt mit den Schultern und scheint sich nicht länger damit befassen zu wollen.

In seinem Zimmer angekommen setzt er sich auf sein Bett und lässt die Füße baumeln. Auf seinem Nachttisch steht ein kleines Fläschchen, das mit einer klebrig aussehenden Flüssigkeit gefüllt wurde. "Was ist denn das?" Ich nehme den Gegenstand genauer unter die Lupe, bekomme jedoch von Lias nebenher mit abfälligen Ton des Rätsels Lösung aufgetischt: "Das ist Abführmittel." "Oh. Dann schätze ich, dass du das gleich nehmen solltest, damit du wieder Platz für Essen schaffen kannst." "Ich will aber nicht. Das ist so blöd und da bekomme ich immer so fiese Bauchschmerzen. Außerdem ist es langweilig die ganze Zeit auf dem Klo zu sitzen!" Da ich zum Glück noch nie in den Genuss solcher abführender Mittelchen gekommen bin, kann ich nicht mitreden, aber ich kann mir vorstellen, dass das unangenehm sein muss. "So leid es mir tut, Kurzer, aber du musst das Ding jetzt hops nehmen. Alles, was keine Miete zahlt, muss raus. Du hast gehört was Superman vorhin gesagt hat!" Bei der Nennung der Superheldenfigur muss Lias leicht schmunzeln, denkt aber gar nicht daran, diesen Saft zu trinken. "Kann ich dir das irgendwie erleichtern oder dich mit irgendwas ablenken?" Kopfschüttelnd verkriecht sich mein Neffe unter die Bettdecke und vergräbt sich regelrecht darunter.

Mit aufgeblasenen Backen laufe ich ein paar Mal durch das Zimmer und überlege mein weiteres Vorgehen. Tatsache ist, dass der Junge dieses Zeug schlucken muss. Ihn dazu zu zwingen, widersteht mir gänzlich, denn es wäre mir absolut lieb, wenn er es aus freien Stücken nimmt. "Willst du nicht lieber gehen?", nuschelt es unter der Decke hervor. "Wieso? Möchtest du denn, dass ich gehe?" Lias scheint sich seine Antwort gut zu überlegen, denn ein paar Augenblicke lang bleibt er still. "Das ist doch doof für dich, wenn du mir beim aufs Klo rennen dauernd zuschauen musst. Wer weiß, wie lange ich da sitzen muss..." "Das ist doch egal. Ich habe ein Handy und kann mich während deiner Abwesenheit beschäftigen. Um mich musst du dir keine Sorgen machen. Soll ich dir vom Kiosk irgendetwas zu lesen besorgen? Irgendein Comic oder so in der Art?" Unter der Decke ist ein brummendes "Musst du nicht!" zu hören. Seufzend setze ich mich auf die Matratze und ziehe die Decke von dem schmalen Körper herunter. "Gefallen dir Comics, Lias?" Ich ändere einfach mal meine Strategie, da ich mit der anderen Schiene einfach nicht weiter komme. "Ja", kommt es mir fast schon schüchtern entgegen. "Wie sieht es denn mit diesen Donald Duck Comics aus? Schonmal so eins gelesen?" "Nein." "Hast du überhaupt schon mal ein Comic-Heft bekommen?" Dass mich Lias mit großen Augen anstarrt und ganz viel Luft in seine Lunge einsaugt, deute ich mal als ein Nein.

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt