"Nebelwaldjäger haben Verrat an all unseren Völkern begangen. Sie fügen den Unschuldigen großes Leid zu und haben selbst die höchste Strafe verdient."
Ich schluckte und rückte ein bisschen zurück. Auf ihn trafen alle Beschreibungen eines Nebelwaldjägers zu. Er war dunkel gekleidet mit schweren, schwarzen Lederstiefeln. Unter seinem schwarzen Walkmantel mit Kapuze trug er eine lockere glatte Wollhose und einen dicken dunkelgrau-melierten Strickpullover. Was ihn aber verriet, waren die Maske aus schwarzem Mulltuch, die fast sein ganzes Gesicht, bis auf seine Augen verdeckte und das Schwert, welches seitlich entlang seines Mantels hing, befestigt durch einen Waffengürtel aus schwarzem Leder in dem auch ein verzierter Dolch auf der anderen Seite steckte. Ich wettete, das waren nicht die einzigen Waffen, die er bei sich trug. Seine dunklen, welligen Haare fielen ihm etwas länger über seine Ohren und Stirn und verdeckten zum Teil den Rand der Maske, die an seinem Hinterkopf zusammengebunden war.
Mit solchen Masken identifizierten sich Nebelwaldjäger. Doch trugen sie diese auch, um sich auf Dauer gegen die krankmachenden Dämpfe im Nebel zu schützen. Natürlich hatte es den Nebeneffekt, dass sie dadurch zusätzlich unerkannt blieben.
Mir wurde so einiges klar.
Mema und er nickten sich zur Begrüßung zu.
"Sie ist wach", sagte er. Es klang dumpf durch die Maske und wenig begeistert. Er blickte dabei nicht einmal in meine Richtung.
"Ja, das ist sie. Lija", antwortete Mema sehr viel freundlicher.
Erst dann drehte er sich um und schaute mich an.
"Lija", wiederholte er leise und seine Augen zogen sich zusammen, als würde er überlegen.
"Lija–", Mema setzte an uns vorzustellen, "das ist –ach herrje, wie nennen wir dich denn jetzt? Bei Firinn, das ist mir zu anstrengend, kommt Kinder denkt euch was aus, na los doch irgendwas!" Mema winkte hektisch mit ihrer rechten Hand in unsere Richtung.
"Ich sehe du hast ihr bereits klar gemacht, dass wir lieber im Hintergrund bleiben", sagte er und drehte sich wieder weg in Richtung Küche, "gut, das macht die Sache leichter". Er setzte sich mir abgewandt an den Tresentisch zu Mema, die ihm sofort eine Schüssel Suppe hinstellte.
"Ich habe zwar keine Ahnung, wie du das jetzt mit der Maske anstellen willst, aber ich schmeiß kein Essen weg, du findest eine Lösung!", sagte sie ihm zugewandt. Mir wurde klar, dass er nur wegen mir die Maske im Haus trug.
Nebelwaldjäger.
Ich spürte sofort meine Verachtung gegen das, was er war, auch wenn ich ihn gar nicht kannte auch wenn er mir geholfen hatte. Welche Absichten hatte er?
"Und –geht es ihr schon besser?" Dass meine Anwesenheit ihn störte, war kaum zu überhören.
"Sie kann dich hören!", murmelte ich ganz leise.
Ja, ich konnte manchmal einfach nicht meine Klappe halten und seine Art nicht mit mir, sondern über mich zu reden, machte mich auf der Stelle richtig wütend. Ich sah, wie sich sein Hinterkopf und dann sein kompletter Oberkörper hebte und atmete aus.
Mema versuchte, einen Anflug von einem Grinsen zu verstecken. Er drehte sich nicht um, stieß aber als Antwort ein leises tiefes Knurren aus. Das gleiche wie letzte Nacht. Ja, er war es, der mich im Nebelwald gefunden hatte, darüber war ich mir mehr als sicher.
Sich mit der schwarzen Maske zu identifizieren war in unserer Welt ein Statement! Mir wurde ein bisschen schlecht. Ich konnte es einfach nicht verstehen, wie jemand so sein Leben bestreiten konnte. Wie viel hatte er sich schon zu Unrecht genommen? Wie viel Leid hatte er bereits anderen angetan? Und nun war ich in seiner Gesellschaft. Nein, schlimmer, ich war ihm hier ausgeliefert. Das fühlte sich nicht an wie Sicherheit an.
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Nebelwaldjäger
FantasyAls Eelin schwer verletzt auf dem Boden des Nebelwaldes zurückgelassen wird, ist ihr bewusst, dass sie dort sterben soll. Niemand überlebt den gefährlichen Nebel, der sich bereits seit vielen Jahren zwischen den vier Königreichen, der Menschen und F...