Zwischen den Bäumen sah ich eine Gestalt am Fuße einer knorrigen, breit gewachsenen Eibe knien. Sie bemerkte mich nicht, als ich näher kam.
"Wieso wacht sie nicht auf?"
"Hab Geduld, Riian!"
Sie war Fae, das erkannte ich deutlich an ihren Ohren. Lose Strähnen ihrer dunkelbraunen Haare wirbelten im Wind. Sie trug ein lockeres, weißes Kleid aus zartem Stoff, das ihren schwangeren Bauch wunderschön umschmeichelte.
"Dein Schlaf dauert nie mehr als fünf Stunden!"
Was waren das für goldene Scherben in ihrer Hand? Das Licht reflektierte sich im glänzenden Material. Was flüsterte sie? Und wieso weinte sie? Ich beugte mich zu ihr herunter, doch sie nahm mich gar nicht wahr.
"Ich habe es auch noch nie an einem Menschen angewandt!"
Risse im Boden. Ein Graben öffnete sich vor dem uralten Baum, aus dem weiße Schlieren zu wachsen begonnen. Der Dunst wirbelte sich drum herum und der Baum wiegte sich unnatürlich stark im Wind. Ich fühlte den Puls der Erde unter meinen Füßen pochen.
"Das spielt auch keine Rolle. Eelin ist nicht einfach nur ein Mensch!"
Der ganze Boden vibrierte unter meinen Füßen und die Frau sprang auf, hielt ängstlich ihren Bauch. "Verzeih mir", flüsterte sie fast tonlos mit ihren Lippen. Sie schwang sich auf ihr weißes Pferd und galoppierte schnell davon.
"Was sagst du da? Meinst du das ernst? Weiß sie es denn?"
Die goldenen Scherben gaben sich der aufgewühlten Erde hin, ließen sich hungrig verschlingen, während der Nebel die Eibe in dichter Umarmung erstickte. In Schlieren wuchs er in allen Richtungen. Es kribbelte auf meiner Haut, in mir drin. Das Donnern der Hufe entfernte sich, Schritte entfernten sich. Eine Tür knallte zu. Mein Herz pochte heftig.
Ich öffnete langsam meine Augen. Weiße Kissen und Laken, dufteten frisch über und unter mir. Als ich meinen Kopf etwas anhob, erinnerte mich ein schneidender Schmerz sofort an meine Verletzung. Aber ich war am Leben. Langsam tastete ich mich ab, fühlte ein Nachthemd mit Knöpfen und darunter einen Verband. Unter der Last meines Fingers, schmerzte die unregelmäßige Kante einer Naht. Ich zuckte zusammen. Wie konnte ich bloß das Nähen meiner Wunde verschlafen haben?
Ich erkannte den salbeigrünen Betthimmel, ein Stuhl war zu meinem Bett gedreht und ich roch das Feuer, das in meinem Kamin brannte. Meine Orientierung kam immer weiter zurück. Ich lag in meinem Zimmer. Sie hatten es geschafft, mich aus Verrengart herauszubringen. Auf meinem Beistelltisch stand eine Tasse. Eine sternenreiche Nacht präsentierte sich durch mein tiefes Fenster. Wie lange ich wohl geschlafen hatte?
Bruchstücke der Mission blitzten vor meinem inneren Auge auf. Ich seufzte laut und rieb mir die vom Schlaf verklebten Augen, als plötzlich Mirrin aus meinem Badezimmer geeilt kam.
"Gute Geister, du bist wach", stellte sie in einem erleichterten Ton fest. "Endlich, das Fieber ist auch abgeklungen."
War ich etwa infiziert? Das erklärte, warum es mir plötzlich so schnell so schlecht ging.
"Ich hatte Fieber?" Ich blinzelte ihr meine Verwirrung entgegen.
"Oh Schätzchen du hast stundenlang gebrannt!" Mirrin sonst so ruppige Art fiel zu sanft aus. Es tat mir leid, dass ich ihr wohl Sorgen gemacht hatte. Mein Blick wanderte zurück zum leeren Stuhl.
"Hast du etwa die ganze Zeit über bei mir gesessen?"
"Nein, nicht ich." Mirrin grinste mich wissend an. "Er kommt sicher gleich wieder. Stundenlang ist er nicht von deiner Seite gewichen. Erst als das Fieber abgeklungen ist." Na toll, dann hatte er mich ja wieder von meiner besten Seite gesehen.
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Nebelwaldjäger
FantasyAls Eelin schwer verletzt auf dem Boden des Nebelwaldes zurückgelassen wird, ist ihr bewusst, dass sie dort sterben soll. Niemand überlebt den gefährlichen Nebel, der sich bereits seit vielen Jahren zwischen den vier Königreichen, der Menschen und F...