"Im Wind hört man den Sturm nicht kommen."
Mir war so übel, dass ich nicht mal einen kleinen Bissen Frühstück herunter bekam. Mirrin hatte es mir auf mein Zimmer gebracht. Ich nippte lediglich am Tee. Dass ich in den Thronsaal geladen wurde, hatte ohne Zweifel die Bedeutung, mich daran zu erinnern, dass meine Anwesenheit die einer kleinen, ungebetenen Fliege glich. Ich hoffte, dass mit der Wahl des Ortes, das Vorsprechen für eine entsprechend kurze Dauer angesetzt war. Doch war es auch die Taktik mancher Könige, einen ganz absichtlich und in unerträglicher Länge vor ihrem Thron stehen zu lassen.
"Eelin Ryccard, Tochter von General Sir Ryccard!" Ertönte es und ich trat vor. Meine Schritte hallten auf dem glatt polierten Marmorboden.
Auch wenn meine Nerven verrückt spielten, entging mir nicht, wie prunkvoll der Thronsaal war. Schwere Marmorsäulen trugen die in Rundbögen angelegten, meterhohen Decken, die mit verspielten Fresken verziert waren. Über mir führten zwei Galerien entlang. Jeweils zu meiner Linken und Rechten. Detailreiche Verzierungen in Gold schmückten jeden Winkel.
Der Thronsaal befand sich, wie die Bibliothek, zwischen dem privaten und öffentlichen Flügels. Doch zu betreten war er ohne Geheimgang. Mit Sicherheit hatten sie für mich einen Teil des öffentlichen Bereiches räumen müssen. Ich stand vor dem Podest, auf dem König Bacharrach auf seinem Thron saß, Riian stand neben ihm. Sein Blick verriet nichts.
Riians Vater war sehr attraktiv. Ich kam nicht drumherum ihn mir sofort mit Mema vorzustellen. Sie waren ein wunderschönes Paar gewesen. Die Gesichtszüge des Königs glichen sich in vieler Hinsicht mit Riians, was mich wenig überraschte. Doch man sah dem König die zusätzlichen Lebensjahre deutlich an. Er jemand, der sehr viel erlebt hatte. Seine etwas längeren Haare waren grau durchsträhnt und das bei Fae normalerweise recht ebene Gesicht wirkte etwas kantiger, grober. Er trug einen grauen kurzen Bart. Doch der Hauptunterschied lag in ihren Augen. Riian hatte Memas Augen. Die seines Vaters waren blau, was seinen Blick sehr viel kühler erscheinen ließ.
"Eure Majestät!" Es folgte ein perfekter Knicks, bei dem ich mich kurz zusammenreißen musste, um nicht plötzlich laut zu lachen. Nicht, weil Riian auch nur irgendwas in seinem tonlosen Gesichtsausdruck freigab. Doch das Thema hatte im Vorfeld zu viel Aufmerksamkeit bekommen und entwickelte sich langsam zu einem fortlaufenden Witz. Nicht hilfreich. Ich atmete langsam ein, als ich mich wieder erhob.
"Eelin Ryccard!" Der König nickte mir kaum erkennbar zu. "Ich bin erfreut dich trotz prekärer Umstände begrüßen zu dürfen. Ich habe General Sir Ryccard in sehr guter Erinnerung. Als Verbündeten, aber auch treuen Freund. Sein Tod hat mich damals schwer erschüttert."
Seine Stimme vibrierte in ähnlicher, imposanter Tiefe wie Riians. Sie verfehlte ihre Wirkung nicht mich einzuschüchtern.
"Ich danke Ihnen sehr Eure Majestät. Ihre Worte ehren sein Andenken." Ich senkte meinen Kopf mit demütiger Geste und fragte mich, wann das oberflächige Geplänkel durch den Teil abgelöst werden würde, den ich seit Riians Ankündigung fürchtete.
"Nun, ich bin Sir Ryccard in der Vergangenheit in mehr als nur einer Sache zu Dank verpflichtet. Einer der Gründe, weshalb deine Anwesenheit hier überhaupt in Erwägung gezogen wurde."
Da war sie die Überleitung ins Verderben.
"Auch auf die Gefahr hin indiskret zu erscheinen, möchte ich, dass du weißt, dass mein Sohn mich über deine Umstände in vollem Maße unterrichtete."
Ah, ja? Also auch den Teil, wie ich bereits als junges Mädchen den Kronprinz von Hallgar vögelte, obwohl er von Anfang an der Prinzessin von Barrstar versprochen war? Wunderbar! Ich schluckte.
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Nebelwaldjäger
FantasyAls Eelin schwer verletzt auf dem Boden des Nebelwaldes zurückgelassen wird, ist ihr bewusst, dass sie dort sterben soll. Niemand überlebt den gefährlichen Nebel, der sich bereits seit vielen Jahren zwischen den vier Königreichen, der Menschen und F...