Kapitel 12

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"Möge Neat dir die Stärke geben, Danadas deiner Seelen Geleit  und Savail sie auf ewig schützen."

Es war ein klarer Tag, sonnig. Wenn man aus dem Fenster guckte, wäre einem dieser Tag so unschuldig vorgekommen. Fern von der weißen Dunkelheit, irgendwo tief im Wald, die immer auf uns wartete. Die jeden Moment hervorgeschossen kam, um ihre Krallen nach uns auszustrecken.

Doch diese Dunkelheit hatte sich bereits auf eine andere Art und Weise ihren Weg in die Hütte gesucht. Wir konnten nichts dagegen tun.

Der Tag, an dem Mema starb, brannte in mein Gedächtnis ein.

Er war bereits mehrere Tage weg, als Mema plötzlich sehr hohes Fieber bekam und gegen starke Schmerzen kämpfte. Es wurde plötzlich schlimm, ganz ohne Vorwarnung. Ihr linkes Bein war heiß und dick geschwollen. Offenbar kämpfte sie gegen die Infektion schon seit Wochen unterschwellig, ohne dass sie uns etwas davon erzählte.

Es musste passiert sein, noch bevor ich ankam, denn ich hatte keine Situation erlebt, in der ein Nahärra Mema so nah gekommen war. Ich erinnerte mich daran, dass ich öfter dachte, dass sie irgendwie schlecht lief. Dass sie ihr Bein immer öfter nachzog oder ausruhen musste. Doch nie hatte es mich dazu bewogen, weiter zu fragen. Denn auch wenn sie hier und da hinkte, verging kein Tag bis heute, an dem sie nicht vor lauter Energie so viele Dinge tat.

Ich versuchte ihr alle paar Minuten Kripschkrauttee zum Trinken zu geben. Sie konnte ihren Kopf kaum heben. Ich gab alle Kripschkraut Mittel, die wir hatten auf ihr inzwischen dunkel verfärbtes Bein: Kripschkrautwickel, Kripschkrautsalbe, Kripschkrautalkoholtinktur: Doch es wurde nicht besser.

Ich konnte kaum mit ansehen, wie die Schmerzen sie quälten und sie in Wellen im Bett verkrampfen ließen. Meine Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde. Da war diese pure Überforderung und das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen. Gepaart mit einem starken Brennen hinter meinen Augen, das sich permanent den Weg nach vorne bahnen wollte. Aber ich hatte keine Zeit dafür. Ich versuchte es zurück zu drängen, mit so viel Willenskraft, wie ich dafür übrig hatte. Ich musste jetzt irgendwie funktionieren. Doch so sehr ich auch funktionieren wollte, kamen mir diese letzten Stunden doch so vor, als hätte ich sie nur von außen betrachtet. Als hätte ich uns unbeteiligt durch das Fenster beobachtet. Als wäre ich nicht anwesend, und als konnte ich gleichzeitig auch nicht woanders sein.

Je schwächer Mema wurde, desto mehr lähmte es mich. Desto mehr fühlte ich mich allein und hilflos. Ich wünschte er wäre hier. Wieso war er nicht hier?

Es war Mema, die noch vor mir realisierte, wie schlimm es wirklich war und als sie damit anfing über das Sterben zu sprechen, konnte ich nicht mehr klar denken. Mein Gehirn wurde in weiße Dunkelheit umhüllt. Mir brannten die Augen, mir fiel es schwer zu atmen, mir war so kalt. Ich fühlte mich orientierungslos.

Ich verstand nicht, warum sie wollte, dass ich sie gleich nach draußen bringen würde, wenn sie starb. Warum das plötzlich so wichtig für sie war.

Ich ließ sie reden. Sie sagte mir, dass sie gerne mehr Zeit mit mir verbracht hätte. Dass sie nix im Leben bereute und ihren Frieden fand. Sie sagte, dass mit ihm nichts unausgesprochen blieb und sie schon dafür sorgte, dass er wusste, wie stolz sie auf ihn war. Dass sie ihn liebte und er es wusste. Als sie zu schwach war und ihren letzten Atemzug nahm, hielt ich ihre Hand. Ich hielt sie noch eine ganze Weile länger und dann hörte ich nicht mehr auf zu weinen.

Ich saß nur so da, auf dem Boden und starrte auf ihr Bett, in dem sie aussah, als würde sie friedlich schlafen, während mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich hörte ihn nicht mal kommen ich stand noch völlig unter Schock, als er plötzlich vor mir stand. Ich beobachtete, wie sich seine Schritte plötzlich beschleunigten. Er sofort nach ihr schaute, nach ihrem Bein, ihr Gesicht vorsichtig in seine Hände nahm. Wie er seinen eigenen Kopf in den Decken über ihrem Bauch vergrub, als er es realisiere.

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt