Kapitel 21

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"Nicht immer lässt Firinn uns die Dinge sehen, wie sie sind. Manchmal lässt es uns die Dinge sehen, wie wir sind!"

"Ihr habt nicht mal Alkohol hier?" Kinnon war gerade dabei, durch alle Schränke zu wühlen, als ich die Leiter herunter stieg. Lorrn saß auf dem Schaukelstuhl, den er sich mit Blick in die Küche gedreht hatte und polierte die Klinge seines Schwerts.

Riian hatte am Tresen Platz genommen und schaute zu mir hoch, als mich mein Weg zu beiden und vorbei an Lorrn führte.

Wenn ich vorher bereits dachte, die Hütte wäre zu eng, war das kein Vergleich zu jetzt. Die Luft war aufgeladen von geballter Männlichkeit und obwohl ich durch meinen Vater die Nähe zu Soldaten kannte erdrückte es mich.

"Komm setz dich!" Riian spürte meine Unsicherheit und rückte auf den anderen Hocker, um für mich Platz zu machen. Ich erschrak, als dieser sich wie von Geisterhand nach hinten schob.

"Warst du das eben?", stieß ich etwas schrill hervor.

Riian grinste nur als Antwort.

"Feuer, Nebelsicht, Dinge bewegen, was noch?"

"Das ist schon so ziemlich der größte Teil!" Riian winkte ab, aber ich musterte ihn weiter.

"Das ist wirklich sehr beeindruckend!" Ich schaute abwechselnd zwischen Lorrn und Kinnon, die etwas vor sich hinschmunzelten. "Und was könnt ihr?"

"Unsere Vorzüge nicht gleich zur Schau stellen", sagte Kinnon in einem anzüglichen Singsang, das mich mit den Augen rollen ließ. Lorrn kicherte nur.

Mir fiel es schwer, ruhig sitzenzubleiben, was nicht nur mit Lorrn und Kinnons Anwesenheit zu tun hatte. Riian ging mir nicht mehr aus dem Kopf oder besser gesagt die Art und Weise, wie sich unser Kuss angefühlt hatte. Wie intensiv. Mein Körper reagierte auch ganz ohne Kripschkraut auf ihn. Besonders als ich wieder nah bei ihm saß. Wenn es ihm genauso ging, ließ er es sich nicht anmerken. Vielleicht schaute ich ihn deshalb im nächsten Moment ein bisschen zu lang an.

Mich mit ins Schloss zu nehmen, verschaffte mir Zeit. Wertvolle Zeit, bis es einen geeigneteren Ort für mich gab. Dafür war ich ihm im Grunde wirklich sehr dankbar. Aber es war nicht das, was ich wollte.

Mein Plan war, ein neues Leben zu beginnen. Aber keines, das meinem alten nur im geringsten ähnelte. Fehler passieren, hat mein Vater mal gesagt. Mach Fehler, aber nicht zum zweiten Mal. Die Gesamtsituation formte sich zu einem Knoten in meiner Brust.

Ich bezweifelte, ob ich Informationen hatte, die Riian und König Bacharrach von Nutzen sein würden und es fiel mir nach wie vor schwer, an Enri zu denken. Nicht zuletzt, da die Wintersonnenwende bevorstand und alle geladenen Gäste der vier Königreiche bald in Erlendor eintrafen. Auch wenn ich mich verstecken würde, hielte ich mich in dieser Zeit im gleichen Schloss, wie er, König Andor und ihre Gefolgsleute aus Hallgar auf. Vielleicht waren sogar die gleichen Männer, die mich in den Nebel schleppten, am Hofe untergebracht. Ein Gedanke, der starkes Unbehagen in mir auslöste.

Keiner sagte mehr etwas und die Stille übertrat plötzlich eine Schwelle des peinlichen Schweigens. Jetzt guckte selbst Lorrn mit hochgezogener Augenbraue von seinem Schwert hoch und fragend in die Runde.

"Oh bitte, lasst euch von mir nicht stören, macht einfach weiter!", sagte ich schnell, um die Stille zu durchbrechen und in der Hoffnung, jemand würde endlich wieder ein Gespräch beginnen.

"Wie bist du Menschling eigentlich hierher gekommen?"

Oh gut, direkt zu den komplizierten Fragen.

"Kin!", Riian schaute ihn warnend an.

"Nein, schon gut! Schätze es ist sinnvoll, wenn die beiden über alles bescheid wissen. Immerhin steht die Wintersonnenwende demnächst vor der Tür."

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt