Kapitel 8

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"Geh nicht zu weit. Wenn dich der Nebel überrascht, führt kein Weg zurück!"

Langsam, da ich mich richtig gesund und fit fühlte, stellte sich mir die Frage, wo es mich bald hin verschlagen würde. Mema hatte das Thema erfolgreich gemieden. Auch wenn ich sie direkt darauf ansprach, sie fragte, wo wir uns eigentlich genau befanden und wohin ich als nächstes gehen könnte, umschiffte sie es derart gekonnt, dass mir schwindelig wurde. Und manchmal fragte ich mich auch, ob es vielleicht daran lag, dass Mema hoffte, ich würde einfach bleiben.

Wir hatten einige nebelfreie Tage, hinter uns, was sich wirklich gut anfühlte. Mema erzählte mir, dass die Nebelbedingungen die letzten Wochen, seit meiner Ankunft sehr viel schlechter waren, als üblich. Sie hatte große Sorge, wenn es in diesem Tempo weiterging, dass es bedeuten könnte, dass die Hütte eventuell bald dauerhaft im Nebel lag.

Es waren bereits mehrere Tage vergangen, seit ich den Nebelwaldjäger das letzte Mal sah doch an diesem Tag schien er nicht so kurz angebunden zu sein, wie die Male davor. Obwohl der Herbst sich langsam Richtung Winter vor tastete, ließ die Sonne diesen Nachmittag mild erscheinen und mich packte eine starke Sehnsucht, der Welt wieder freier begegnen zu können. Ein Gefühl, das immer stärker in mir brodelte, seit es mir besser ging.

Mister ich sag dir nicht wie ich heiße und ich sag dir auch sonst nichts und ich, saßen nebeneinander am Küchentresen, während Mema uns einen frischen, heißen Tee zubereitete. Die Maske war wie immer fest an ihrem Platz und ich fragte mich, ob ich jemals sein Gesicht sehen würde, bevor ich ging und was der Grund sein konnte, dass er mir auch nach all den Wochen noch nicht zu vertrauen schien.

"Die Kripschkraut Vorräte sind nahezu aufgebraucht", sagte Mema, während sie das heiße Wasser in eine Kanne gab. Ein köstlicher Duft lag in der Luft. Kripschkraut war der Mischung unverkennbar beigemischt, aber auch sehr viel Minze und eine Spur von Kamille sowie der süßliche Duft von Honig, zog durch die vom Kaminfeuer erwärmte Holzhütte.

"Verstehe, der Nebel steht ganz gut, ich werde gleich welches sammeln gehen."

Seine dunkle Stimme vibrierte neben mir. Auch wenn ich nicht mehr ängstlich war, seine Anwesenheit machte mich immer noch auf eine seltsame Art und Weise unruhig. Die Maske, es lag bestimmt an der Maske. Es gab viele Momente, da hätte ich sie ihm gerne einfach abgenommen.

"Ich komm mit!", sagte ich plötzlich entschlossen. Ich erschrak mich selbst mit dieser Idee, freute mich aber gleichzeitig auf eine Chance endlich etwas anderes zu sehen und es war immerhin keine von diesen Dingen, die er so als Nebelwaldjäger tat. Was auch immer er da tat. Vielleicht war es auch endlich meine Gelegenheit, mich mit meiner neuen Umgebung vertraut zu machen.

"Nein."

"Was? Biiiiiitte?", ich flehte ihn an.

"Auf keinen Fall." Er blickte nicht einmal auf.

"Ach komm schon, das meinst du doch nicht ernst?" Ich knallte die Kante meiner rechten Hand auf den Tresentisch, was ihn völlig unbeeindruckt ließ. "Bin ich etwa eine Gefangene hier?" Ich konnte die aufsteigende Wut kaum unterdrücken.

"Du bist doch keine Gefangene!" Mema putze gerade über die Küchenzeile, als sie in unser langsam hitziger werdendes Wortgefecht sanft einschritt.

"Ich bin doch schon seit Wochen in dieser Hütte. Ich sollte mich langsam auf da draußen vorbereiten. Nichts für ungut, ich danke euch für alles –" Ich blickte zu Mema. "Aber ich muss hier mal raus!"

"Ich verstehe dich Schätzchen, alles gut." Mema hielt beide Handflächen hoch, schaute aber fragend zu ihrem Sohn.

"Du sagst selbst, der Nebel steht heute gut?"

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt