Kapitel 29.2

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Tarra und ich blickten uns um. Außer Wald war in allen Richtungen nichts zu erkennen.

"Mmmh. Meinst du sie kommen?"

"Ich hab keine Ahnung! Aber als die anderen mich hergebracht haben, waren sie ganz sicher da. Wir werden sehen, ob sie in der Nähe geblieben sind." 

Ich schnaufte und drehte mich langsam im Kreis. Wenn Nebel kam, dann konnte er verdammt schnell aufziehen. "Lass uns noch einen Moment Ausschau halten und wenn nicht, gehen wir zurück! Wir sollten nicht in Dunkelheit klettern müssen."

Die Sonne stand tief und ließ den Wald in ein interessantes, goldenes Licht tauchen. Die Dämmerung würde nicht mehr lang auf sich warten lassen. Sicher würde es schnell richtig finster werden. Der Wald war hier sehr viel dichter als kurz hinter der Lichtung, auf der die Hütte stand.

"Sag mal, Tarra?" Ich holte tief Luft, denn die Frage, die ich hatte fiel mir schwer. "Wenn jemand infiziert wird und dann stirbt?"

"Oh Eelin natürlich sollten wir uns gerade jetzt darüber unterhalten!" Die Ironie in ihrer Stimme war deutlich. Sie lachte. Aber es war mir ernst. Das hatte mir schon eine Weile Bauchschmerzen gemacht.

"Ich hab es mich damals einfach nicht getraut, Riian zu fragen."

Ich sah Tarra zögerlich an, die ihren Blick noch weit zwischen den Bäumen schweifen ließ. Als ich aufhörte zu sprechen, drehte sie sich zu mir und nickte leicht. Auch ihr Gesichtsausdruck war nun ernst.

"Was passiert, wenn kein Nebel da ist. Ich meine, dann, wenn die Person sich verwandelt?"

Tarras Blick veränderte sich. Sie sah mich plötzlich betroffen an. Sie wusste, wen ich damit meinte. Warum es mich interessierte und ich nicht Riian fragen wollte. Tarra seufzte, bevor sie weiter sprach.

"In einem letzten Augenblick, etwa so lange, wie auch wir die Luft anhalten können, aber in einer Geschwindigkeit, die unsere Fähigkeiten übersteigt, greifen sie die Lebewesen an, die in unmittelbarer Reichweite sind. Das ist der Grund, warum man sich selbst oder die Person nach ihrem Tod entfernen sollte. Oder man verhindert die Verwandlung in dem–"

"Schon gut das reicht." Ich unterbrach sie, damit ich es nicht hören musste. Das, was Riian machen musste, um ihre Verwandlung zu verhindern. Irgendwie konnte ich es mir ja denken. Tarra schluckte, bevor sie den Blick wieder von mir löste. Ein Schauer überkam mich, als ich kurz dachte, dass sich hinter den Bäumen etwas bewegte. Ich hielt inne, bis ich mir ganz sicher war, dass mir mein Kopf nur einen Streich spielte.

"Aber was passiert mit den Leichen von Nahärra? Riian hatte auf der Lichtung vor der Hütte ein paar von ihnen getötet. Später lag dort nichts mehr?"

"Nebel. Sie lösen sich einfach in Nebeltropfen auf, sickern in den Boden, werden von der Luft weggetragen."

Ich kickte ein bisschen loses Geäst mit den Füßen und nickte, auch wenn Tarra sich längst wieder abgewandt hatte, nickte ich und atmete schwer. Hörte den stillen Klängen des Waldes zu. Wir schwiegen einige Zeit.

"Eelin?"

Ich schreckte von Tarras besorgter Stimme auf, schaute in die Richtung, in die sie blickte.

"Du würdest den Nebel doch fühlen, noch bevor er in Sichtweite wäre, oder?" Sie sah ängstlich aus.

"Ja, mittlerweile schon. Zumindest war es die letzten Male so. Hast du was gesehen?" Ich schaute in die gleiche Richtung, dann auf meine Arme, fühlte noch einmal nach. Nichts, kein Kribbeln. Im Wald konnte ich auch nichts erkennen. Kurz kam mir der Gedanke, ob wir uns vielleicht nicht zu sehr auf meine unerklärliche Gabe verlassen sollten.

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt