Kapitel 3

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"Der Nebel ist Sinnbild unseres Schmerzes. Der Nebel hat unsere Welten weiter auseinandergetrieben."

Das knackende Geräusch und der Geruch von Holzfeuer, war das Erste, was ich wahrnahm, als ich wach wurde. Ich fühlte, dass ich in einem Bett lag. Mein Körper, immer noch schmerzend, wund, lag auf warmen, weichen Stoffen und Fellen. Decken über und unter mir. Mein Gesicht fühlte sich stark geschwollen an. Ein herzhafter, dampfender Geruch von Essen lag in der Luft. Stimmen.

"Das Alles, ich weiß es war ein verdammt großer Fehler", sagte eine dunkle, erdige Stimme, "ich hätte diese Frau niemals hierher bringen sollen."

Es war so, als würde die Luft vibrieren, bei jedem einzelnen seiner Worte.

"Und dennoch, du hättest sie auch nicht da draußen liegen lassen können! Deine Entscheidung war richtig", antwortete eine ältere Frau mit schrill-kräftiger, leicht kratziger Stimme. Ihr Klang erinnerte mich irgendwie an einen Kauz, "sie wäre gestorben, wenn du sie nicht hergebracht hättest, keiner hätte ihr sonst geholfen. Beim Danadas, ich weiß nicht mal jetzt, ob sie durchkommen wird. Den guten Geistern sei Dank, die Blutungen sind wenigstens soweit gestillt."

"Und zu welchem Preis habe ich einer Fremden geholfen?", er erhob seine Stimme, seine Bezeichnung für mich betont abfällig und ich schreckte sofort zusammen, versuchte jedoch so still wie möglich zu bleiben, nicht auf mich aufmerksam zu machen. Meine Augen hielt ich weiter geschlossen. "Wir konnten die Hütte so lange geheim halten!"

"Ich weiß, mach dir keine Sorg–"

"Du bist, du warst hier immer sicher, was ist", unterbrach er sie, " was ist, wenn sie mich, uns? ...", jetzt unterbrach er sich selbst. "Wir kennen sie nicht! Wir können ihr nicht vertrauen!"

"Ihre Verletzungen, ... die Art ihrer Verletzungen ", setzte die Frauenstimme flehend an.

"Ich weiß." Er atmete scharf aus. "Ich weiß, was du sagen willst, ich weiß, wie ich sie gefunden habe, ich hab das Alles gesehen!"

"Mein Junge, ich kenne dich nicht als jemanden, der seine Augen vor solchen Gräueltaten verschließt". Ihre Stimme wurde ganz sanft und doch bestimmt. "Und ich werde ehrlich mit dir sein, ich fange jetzt nicht damit an dich so kennenzulernen! Was getan ist, ist getan. Sie, sie ist jetzt hier und wir werden ihr helfen!"

Die Stimmen verstummten, es schien, als wäre alles gesagt worden. Schwere Schritte, Bewegung, die ich trotz geschlossenen Augenlidern wahrnehmen konnte, das Knarren und dann das Schließen einer Holztür. Stille.

Wenige Stunden zuvor war ich noch fest davon überzeugt, ich würde die Nacht nicht überleben.Wo war ich bloß gelandet? Offenbar hielt Danadas noch etwas für mich bereit. Ich versuchte mich einen Moment lang zu sammeln. Es half nichts, ich würde mich langsam der Realität stellen müssen, also fasste ich meinen Mut zusammen und öffnete meine Augen.

Ein Holzhaus, eher eine Hütte, gebaut aus dicken Stämmen und Balken. Von meinem Bett aus konnte ich in die offene Küchenecke mit einem Kaminofen schauen, direkt neben zwei Fenstern gelegen, erstreckte sie sich L-förmig, vielleicht drei bis vier Meter um die Ecke, wobei der Ofen in der Mitte der längeren Zeile lag und ich keine Sicht auf den restlichen Teil hatte, da er von mir aus gesehen von dicken Balken verdeckt wurde. Die Küche bestand aus vielen Ober- und Unterschränken aus Holz, wild zusammengewürfelt, die teilweise offen ohne Türen waren und mit vielen Gläsern, Körben und Kisten vollstanden. Gewürze, getrocknete und eingelegte Lebensmittel, teilweise hingen Kräuter zum Trocknen von der Decke. Wer auch immer hier wohnte, er tat es schon länger, versorgte sich selbst und hatte viele Vorräte angelegt. Alles wirkte sehr gemütlich. Ein massiver Tresentisch aus dunklem Holz stand mitten im Raum, teilte die Küche von den anderen Bereichen der Hütte ab.

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt