Kapitel 2

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"Nichts kann lange im Nebel überleben. Nichts lebt im Nebel. Auch nicht seine Kreaturen, denn sie sind bereits tot."

Als ich erneut wach wurde, spürte ich wieder die Kälte des Waldbodens unter mir. Hatte ich mir alles nur eingebildet? War ich noch da, wo man mich zuvor abgelegt hatte? War ich schon tot? Beim Danadas, wie viele Minuten, Stunden, waren schon vergangen? Es war so kalt. Mir war so eiskalt.

Schritte von schweren Stiefeln waren es, die mich wieder aufschrecken ließen. Ich versuchte gar nicht erst meine Augen zu öffnen, als mich etwas, jemand, auf den Rücken rollte. Mein Kopf schnellte durch die Bewegung nach hinten und ich spürte zwei Finger auf der linken Seite meines Halses. Die Person fühlte nach meinem Puls. War ich etwa noch am Leben? Es konnte nur bedeuten, dass ich immer noch da war, wo ich zu sein glaubte: Zum Sterben im Nebel zurückgelassen.

Ich spürte große, warme Hände, die mich sanft abtasteten, offenbar nach Verletzungen suchend. Ein ebenso warmer Atem, der nach Minze roch, traf mich. Da waren noch mehr Gerüche: die von Holzfeuer und feuchter, schwerer Wolle. Diese Düfte beugten sich über mich, umgaben mich. Ich hatte keine Kraft mehr, mich zu sorgen. Entweder dieses Etwas, dieser Jemand, würde mir jetzt helfen, oder es würde nun zum Ende kommen. Hoffentlich schnell. Ich nahm nur noch schwach wahr, was um mich herum passierte. Betäubt.

Im nächsten Moment wurde ich hochgehoben und an der Kraft, an der Größe erkannte ich, dass es sich um einen Mann handeln musste. Mein Kopf fiel auf seine Brust, auf seinen schweren Wollmantel und ich atmete weiter den Duft von klammer Wolle ein. Ich spürte Arme unter meinen Oberschenkeln und hinter meinem Rücken. Und wir bewegten uns fort. Er bewegte sich fort. Mühelos. 

Das Schaukeln und die Geräusche der schweren Schritte über den Waldboden wurden zu einem stetigen Rhythmus. Es fühlte sich warm in seinem Arm an. 

Wolle wärmt auch wenn sie nass ist. Warum hatte ich gerade jetzt so einen belanglosen Gedanken? Sein schwerer Walkmantel, an den ich jetzt lehnte, beruhigte mich irgendwie, versprach mir Sicherheit, ich hatte gefroren, war so lange unterkühlt bis mein ganzer Körper taub wurde und die Wärme, die von ihm, von seinem Mantel ausging, gab mir einen Lichtblick. Wie in Trance vergrub sich meine Hand in den Wollstoff, spürte die warmen Fasern, als meine Finger den Stoff sanft umschlangen, ich mich leicht daran festhielt. Doch in der gleichen Sekunde versteifte sich die Person und blieb abrupt stehen. 

Oh nein, was hatte ich mir dabei gedacht? 

Hätte ich mich nicht lieber weiter tot stellen können? Ich hielt den Atem an, während er scharf ausatmete und ich deutlich seinen Blick auf mir spürte.

Ein Fremder trug mich gerade durch den Wald. Mühelos. Mein Gewicht schien ihm kein bisschen was auszumachen. Mein Verstand übernahm wieder ein Stück weit.

Wo würde er mich hinbringen? Was könnte er vorhaben? Wie stünden meine Chancen? Hatte ich nicht sowieso schon abgeschlossen? Längst das Schlimmste erlebt?

Er stieß ein tiefes Knurren aus. Es war leise, aber ich spürte seine Brust vibrieren, wie ein großer Klangkörper. Ich regte mich nicht, keinen Millimeter mehr, wagte es nicht einmal Luft zu holen, bis er weiter lief und die schweren Schritte durch den Wald das Geräusch meiner Atemzüge wieder verdeckten. Ich weiß nicht wie lang wir gingen. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Irgendwann schlief ich, von dem stetigen Rhythmus, der Bewegung und aus völliger Erschöpfung, ein.

 Irgendwann schlief ich, von dem stetigen Rhythmus, der Bewegung und aus völliger Erschöpfung, ein

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