Kapitel 16

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"Awnyahs Anziehung beginnt mit geheimen Reizen. Verliert man den Halt endet sie schuldig wie die Sünde."

Wir sprachen noch eine ganze Weile miteinander, bevor wir endlich in den Schlaf fanden. Vertraut und dicht nebeneinander. Teilten kleine Erinnerungsschnipsel an die wenigen Sommersonnenwenden, die wir uns als Kinder in Hallgar über den Weg gelaufen waren. Versuchten uns an längst verblasste Momente zu erinnern. Hier und da kam es zu kleinen, unschuldigen Berührungen zwischen uns, die wir beide für unabsichtlich hätten halten können.

Lange wusste ich nicht, wer er war. Fast zwei Monate trafen wir uns hier in dieser Hütte, sprachen miteinander, stritten uns, kamen uns in kleinen Situationen näher. Wir lernten uns mit all diesen Geheimnissen zwischen uns kennen und doch hatte ich keine Ahnung. Aber die Art, wie wir miteinander sprachen, miteinander umgingen, fühlte sich spätestens seit dem Tag, an dem wir bei der Kripschkrautsuche vom Nebel überrascht wurden, seltsam vertraut an. Trotz Maske war da eine Verbindung. Vermutlich, weil er an diesem Tag das allererste Mal überhaupt Nähe zuließ. Vermutlich auch, weil er zumindest seit diesem Abend wusste, dass er mich kannte. Ich spürte diese Veränderung deutlich zwischen uns und endlich kannte auch ich den Grund.

Als dann der Morgen anbrach und sanfte, warme Sonnenstrahlen die Hütte erhellten, wachte ich als erstes auf. Viel ausgeruhter als ich es in dieser Nacht für möglich hielt. Seine breite Brust lehnte gegen meinen Rücken und sein Arm schlang sich um meine Taille.

Das war auch der Moment, als ich anfing, lediglich in einem dünnen Nachthemd bekleidet und nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, die Situation zu überdenken. Ich drehte mich vorsichtig um und rutschte dabei aus seinem Arm. Er sah so friedlich aus, wie er zu mir gewandt auf der Seite schlief. Seine dichten, dunklen Wimpern ruhten wie Schmetterlingsflügel. Sein muskulöser Oberkörper hob und senkte sich im ruhigen Rhythmus seiner Atmung und ich erwischte mich, wie meine Augen die Konturen seines freien Oberkörpers ein bisschen zu neugierig abfuhren.

"Bei allen guten Geistern, es sind Morras (Anmerkung Autorin: Der Kontinent hat jetzt einen Namen. Wird nachträglich weiter vorne eingebaut) Prinzen, die dich auf jeden Fall noch ins Grab bringen", flüsterte ich kopfschüttelnd zu mir selbst und schlich aus dem Bett, bevor mir die plötzliche Hitze, in dem auf einmal zu klein gewordenen Schlafplatz, noch zu Kopf gestiegen wäre. Sei keine Idiotin.

Das Feuer war schon seit einigen Stunden erloschen und die Hütte ausgekühlt. Ich schlich Barfuß und frierend über die kalten, knarrenden Holzdielen, um den Kamin neu anzuheizen. Schon möglich, dass ich dabei zu viel Krach machte.

"Hey!" Ich drehte mich zu ihm um und sah, dass er sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger rieb, bevor sein Blick an mir hängen blieb.

"Guten Morgen, tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken!"

"Hast du nicht!" Er setzte sich langsam auf und streckte sich.

"Wie geht's deiner Schulter?"

"Besser. Sehr viel besser." Seinen Kopf hielt er leicht schief und rieb sich nun mit der Hand den Nacken. "Dank dir."

Er nickte mir entgegen und es brachte mich dazu verlegen zu lächeln. Doch dann kniff ich die Augen verwirrt zusammen, als ich bemerkte, wie er eine kleine, ungewöhnliche Handbewegung machte. Als das Feuer sich daraufhin plötzlich hinter mir entzündete, erschrak ich so sehr, dass ich einen kleinen Sprung zur Seite machte.

"Was bei allen guten Geistern?" Er warf seinen Kopf lachend in den Nacken. "Das warst du?"

"Ganz nützlich, Fae Kräfte, oder?" Es dauerte einen Moment bis ich bemerkte, dass ich ihn mit offenen Mund anstarrte. "Was kannst du noch?"

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt