Kapitel 13

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"Niemand weiß, was sich in den Tiefen des mystischen Waldes verbirgt. Welche Geheimnisse der Nebel hütet. Welche Magie ihn lenkt."

Mehrere Tage waren inzwischen seit Memas Tod vergangen und seit ich ihn das letzte Mal sah. Ich wurde immer ungeduldiger. Daher kam ich auf die Idee, für alle Fälle eine Tasche zu packen. Ein paar Kleider, etwas Proviant. Allein in der Hütte vergingen Minuten wie Monate und Tage wie Jahre. Ich hatte es so satt zu warten.

Es war ja nicht so, als ob mein Plan besonders schlau war. Oder man hätte überhaupt von einem Plan reden können. Aber ich wollte vorbereitet sein. Vielleicht würde sich eine Gelegenheit ergeben und dann wäre ich immerhin so weit.

Mir war es zumindest wichtig, das Gefühl zu bekommen, wenigstens irgendetwas in der Hand zu haben. Auch wenn mir sehr wohl bewusst war, dass ich in einer Sackgasse saß. Ich fühlte mich gefangen, so wie ich mich schon früher gefangen fühlte.

Meine Gedanken waren auch oft bei Mema. Was war das für ein Leben, das sie hier hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie schon hier draußen war und wieso sie als Mensch überhaupt jenseits der Grenze lebte. Vielleicht waren sie und ihr Sohn ja selbst einmal auf der Flucht gewesen. Sei es durch den weißen Tod oder aus anderen Gründen, die mit einem der beiden Königreiche zu tun hatten. Ich fragte mich ständig, wieso keiner der beiden mir etwas davon erzählen wollte.

Ich war mir sicher, Mema lebte sogar sehr gerne hier im Wald, abgesehen vom Nebel und den Nahärra mochte sie das einfache Leben in dieser Hütte. Dennoch fühlte sie sich bestimmt auch oft einsam. Daher auch der Wunsch, dass ich bei ihr geblieben wäre. Sie fehlte mir.

Ich wusste, dass ich weder alleine in dieser Hütte sein, noch an einen mir unbekannten Ort gebracht werden wollte, bei dem ich offensichtlich kein Mitspracherecht bekam. Wenn ich vielleicht bis zur Wintersommerwende hier bliebe und dann, wenn sich die Passagen öffneten, mich versteckt und entgegengesetzt der Reisekollone nach Barrstar durchschlagen würde. Vielleicht hätte ich die Möglichkeit, dort irgendwo als Nebel Flüchtling unterzutauchen. Ich knallte die Tasche zurück in die Ecke. Ohne Kutsche und ohne Pferd waren es mindestens 6-7 Tagesmärsche bis nach Barrstar, wenn es gut lief. Das würde nie funktionieren. Abgesehen davon, würde ich einfach gehen?

Und wenn doch. Wenn ich ihm einfach Klartext sagen würde, dass ich gehe? Aber die Passagen öffneten sich frühestens in sechs Wochen und wer weiß, so schlecht wie die Nebelbedingungen in letzter Zeit waren, ob es dieses Jahr überhaupt zu einem Gipfeltreffen zur Wintersonnenwende käme.

Ich war gerade dabei getrocknetes Gemüse für eine kleine Suppe zusammen zu suchen, als ich den leichten Geruch von Nebel wahrnahm. Auch das noch. Wenn der weiße Dunst dicht aufzog, würde sicher noch mehr Zeit vergehen, bis der Nebelwaldjäger zurück kam. Ich wäre noch länger alleine hier und ich wollte auf gar keinen Fall schon wieder allein im Nebel sein.

Ein Blick aus dem Fenster bestätigte mir meine Sorgen. An der Baumgrenze zum Wald sah ich schon, wie erste Nebelschwaden sich den Weg auf die Lichtung bahnten und mein Körper antwortete darauf sofort, indem er, wie schon zuvor, die feinen Härchen auf meiner Haut aufstellte. Die Nebelschwaden sammelten sich schnell zu einem größeren, hohen Teppich auf der Lichtung und ich versuchte das begleitende Gefühl der Anspannung abzuschütteln, als der weiße Dunst sich zunehmend verdichtete, was mir aber nicht gelang.

Ein seltsames Unbehagen trieb mich immer wieder nervös zum Fenster und das, obwohl ich eigentlich meine Routinen zu erledigen hatte. Sind alle Schösser zu? Vordertür, Hintertür, Plumpsklo, die Sicherungen am Fenster?

Ich ging gedanklich alles durch, als ich plötzlich weit hinten an der Nebelfront Bewegung wahrnahm. Ich kniff die Augen zusammen, um es besser erkennen zu können. Etwas Dunkles stolperte in die Richtung der Hütte und als ich erkannte, was es war, Wer es war, blieb mir das Herz für ein paar Sekunden lang stehen.

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt