Kapitel 11

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"Danadas, der gute Geist des Schicksals, Danadas bringt uns auf den richtigen Weg!"

Sein letzter Satz, bevor ich schlafen ging, hallte noch eine ganze Weile nach. Natürlich würde er mich woanders nicht beschützen können, warum auch? Es war ja nicht so, als wäre er mir irgendetwas schuldig. Das Gegenteil war der Fall. Ich hatte ihm mein Leben zu verdanken. Mehrfach. Doch was war ich für ihn? Wer waren wir schon zueinander, dass er sich plötzlich in dieser Verantwortung sah?

Ich erinnerte mich an meinen ersten Tag in der Hütte, an dem er mich am Liebsten gleich wieder losgeworden wäre. Als er mir direkt deutlich machte, wer in dieser Hütte das Sagen hatte. Doch zuvor und danach rettete er mir jeweils mein Leben.

Ich zwang mich, den Rest des Abends nicht mehr weiter an ihn zu denken und trotzdem waren da diese tiefgrünen Augen, die mich in meinen Gedanken verfolgten. Die meinen Bauch aus unerklärlichen Gründen kribbeln ließen und ich hasste mich dafür, dass ich diese Gedanken überhaupt zuließ. Ich wollte es mir am liebsten selbst gegenüber nicht zugeben. Ein Mann war es, der mich überhaupt in diese verfluchte Lage brachte. Mich direkt in die Arme eines vermeintlichen Retters werfen zu wollen, war absolut pathetisch. Nicht anzufangen damit, dass er mir überhaupt nicht über den Weg traute und ich ihm ehrlich gesagt ja auch nicht. Nein, er hatte es eben noch einmal ganz deutlich gemacht. Er würde das nie tun und mir sein Gesicht nicht zeigen.

Ich wollte nicht länger über ihn nachdenken, denn es gab auch noch so vieles andere, worüber ich unbedingt nachdenken sollte. Ich war in Erlendor. Das Fae Reich, das ich als Mensch, wenn überhaupt, nur als offizieller Gast zur Wintersonnenwende betreten durfte. Dessen Grenzen ich illegalerweise überschritten hatte. Ich war bereits jetzt wieder einem ähnlich starkem Risiko ausgesetzt, wie es eine Rückkehr nach Hallgar für mich bedeuten würde. Ein Grund mehr es mir nicht mit meinen Gastgebern zu verscherzen.

Nur die guten Geister wussten, wie ich überhaupt den ganzen Weg durch den Nebel kam. Wenn ich mir dieses Tier nicht nur eingebildet hatte und das war die einzige Erklärung, dann hatte es mich kilometerweit quer durch den Nebelwald getragen. Ich konnte mir weder erklären, wie das möglich sein konnte, noch welche Art von Tier dazu überhaupt fähig war. Und wozu denn eigentlich? In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf und wälzte mich nur unruhig hin und her.

Als ich am nächsten Morgen von der Hochebene herunter stieg, waren Mema und er schon eine Weile wach. Ich hatte sie bereits vor Stunden leise reden gehört, verstand ihre Worte aber nicht durch das schwere Holz. Er hatte die Nacht auf dem Schaukelstuhl verbracht. Wahrscheinlich teilweise mit Wache schieben, teilweise mit schlafen. Ich erkannte es an der Art, wie der Stuhl im Raum stand und das platt gelegene Kissen. Irgendwann mitten in der Nacht waren die lauten Geräusche vor der Hütte verstummt und die Nahärra hatten sich zurückgezogen. Jetzt fiel mir auf, dass jemand die Fenster wieder frei gemacht hatte, und durch sie hindurch nur noch ein mäßiger weißer Dunst zu sehen war.

"Liebes, es gibt frischen Tee, möchtest du?", trällerte Mema, sichtlich glücklich und erleichtert darüber, dass der Tag gestern kein schlimmeres Ende gefunden hatte.

"Gern."

Sein Blick verfolgte mich wachsam, als ich die letzte Sprosse der Leiter verließ und zu ihnen rüber kam.

"Was riecht hier so gut?"

"Bannock, es gart noch über dem Feuer!" Der warme Duft von Brot roch fantastisch. "Lija vielleicht kannst du ja das Brot gleich vom Feuer nehmen, wenn es durchgebacken ist?" Ich nickte.

"Gut. Wenn ihr mich dann kurz entschuldigt, ich leg noch ein bisschen die Füße hoch, ich bin ganz müde!", sagte Mema und lief zurück zu ihrem Bett. Sie schien ein bisschen zu hinken.

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt