Kapitel 7

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"Möge Neart, die Göttin der Stärke , dich auf deinem Weg wachsen lassen."

Mir ging es gut. wirklich gut. Deshalb war ich es inzwischen leid, wenn Mema mich die letzten Tage immer wieder zur Erholung zurück ins Bett schickte. Ich weiß nicht wie viel Kripschkraut dafür nötig war, wie viel sie mir davon seit Wochen unterjubelte, aber ich hatte endlich wieder das Gefühl meine alte Stärke zurückgewonnen zu haben.

Der Nebelwaldjäger hingegen, Memas Sohn, machte sich diese letzten Wochen besonders rar. Nicht nur, dass wir ihn teilweise gar nicht sahen, er blieb wenn auch nie sehr lange. Vielleicht war es seine Angst, ich würde in seinen Angelegenheiten graben. Dabei stellte ich keine Fragen mehr, wo sie nicht erwünscht waren und da ich mittlerweile genesen war, wusste ich auch, dass es keinen Grund mehr gab mir noch viel länger Unterschlupf zu gewähren. Ich war überzeugt, dass es in seinem Interesse lag, wenn ich mich bald auf meinen Weg gemacht hätte und gleichzeitig forderte ich mein Glück nicht heraus und hielt mich selbst bedeckt.

Mittlerweile hatte ich die Hochebene bezogen, die mir ein kleines bisschen mehr Privatsphäre ließ. Auf ihr waren ein schmales Bett, ein kleiner verspielter Kleiderschrank und eine winzige Kommode aus Nadelholz mit zwei Schubladen, über die ein Spiegel mit verziertem Rahmen hing. Mein Spiegelbild war inzwischen nicht mehr das blasse Schreckgespenst, was mich wochenlang traurig ansah. Die Blutergüsse in meinem Gesicht waren fast verblasst, die dünne, fahle Haut schien schon sehr viel rosiger und mein Gesicht war insgesamt nicht mehr so dünn und kantig. Ich erkannte mich endlich wieder und das Gefühl, Schritt für Schritt zu mir zurückzufinden, gab mir neuen Mut und Stärke.

Mema und ich waren die meiste Zeit allein und sie weihte mich in die hohe Kunst der Kripschkrautverarbeitung ein. Wir setzten allerhand unterschiedliche Tinkturen, Lösungen, Säfte und Salben an. "Wenn wir dauerhaft dem Nebel ausgesetzt sind, ist der Tee das Mindeste, was wir täglich trinken sollten, um unsere Atemwege vor der Infektion zu schützen!" Mema war gerade dabei ein paar Zutaten in den Topf über dem Kamin zusammenzuführen. Hauptsächlich Honig, Kamillenblüten und Öl. Mir gab sie die Aufgabe das Kripschkraut kleinzuhacken. Meine Finger waren bald schon müde von der Schnippelarbeit, insbesondere da Mema mich drei Mal nachbessern ließ, weil ihr das Kraut noch zu grob war. "In manchen Fällen reicht der Tee dann aber nicht aus und es kann zu einer Infektion der Atemwege kommen. Unbehandelt–" Mema blickte zu mir auf, bremste sich, als sich unsere Augen trafen. "Na ja ich sag mal so, man sollte es keineswegs unbehandelt lassen!"

"Und dieser Hustensaft hilft dagegen?"

"Die Infektion ist unberechenbar, aber wenn etwas hilft, dann das."

"Wieso machen wir eigentlich so viel von allem?" Ich blickte über das Chaos auf dem Tisch. Gläser, Tigel und Fläschchen türmten sich bereits.

"Das sieht wie ein Jahresvorrat aus und auch nur dann, wenn wir uns täglich in der Not befinden würden."

"Du liebe Geister, fordere Danadas bitte nicht in diesem Haus heraus!", lachte Mema. "Nein, einen Teil davon holt ehm", Mema hielt noch einmal für einen kurzen Moment inne und ihre Augen rollten sich nach oben "du weißt schon Er holt etwas davon ab!"

"Und wofür genau braucht er denn so viel davon?" Ich wusste, dass meine Chancen schlecht stünden, aber ich probiert es trotzdem. Mema grinste mich an und ich lächelte zurück. "Gelungener Versuch, Lija, fast hättest du mich dazu gebracht!" Sie fuchtelte mit dem Kochlöffel in meine Richtung. "Du weißt, ich kann dir nichts erzählen!"

"Kannst du nicht oder willst du nicht?"

"Lija .."

"Ich weiß schon gut, es ist nur –" Ich füllte kleingehacktes Kraut von einem Holzbrett in eine Schüssel. "Die Maske, sein Auftreten, es macht mich nervös. Ich hab dir so viel zu verdanken, du bist so gütig. Und dann seh ich ihn einen Nebelwaldjä–"

NebelwaldjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt