16 Willkommen im sozialistischen Untergrund

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Um kurz vor elf hielten der Mustang und der Transit vor dem Haus in Eleftherio. Ioannis saß auf einem Stuhl auf der Veranda. Er sprang auf und lief ihnen entgegen.

„Nun bin ich ja mal gespannt," grinste Tom, als er ihn sah.

„Hallo. Ihr alle ins Haus," sagte der Junge auf Deutsch und wechselte ins Englische. „Tom, Du kommst mit mir."

Er nahm Tom an der Hand und führte ihn zu der Maschinenhalle, in der neben Pflügen, Eggen, vier Anhängern und zwei Fiat-Treckern ein Mähdrescher stand, wie Tom ihn aus seinem Dorf in Erinnerung hatte. Im Gegensatz zu den moderneren mussten diese älteren Maschinen noch von einem Traktor gezogen werden.

„Sind das Eure Maschinen?" fragte er Ioannis.

„Ja, mein Vater arbeitet auch für die Nachbarn. Nächstes Jahr bekommen wir einen ganz neuen Mähdrescher. Tom, mein Bruder hat mir erzählt, dass Du ihn auf Leros überredet hast, Eurer Gruppe beizutreten. Ich möchte gerne von Dir hören, wie Euer Treffen abgelaufen ist."

„Warum? Glaubst Du Deinem Bruder nicht?"

„Das hat nichts mit Glauben zu tun," erklärte Dimis kleiner Bruder. „Ein Mann bricht in die Tankstelle ein. Zwei Leute sehen ihn. Einer sagt, „er war dreißig, groß, schlank und hatte schwarze Haare," der andere sagt, „er war fünfzig, nicht sehr groß, kräftig und hatte kaum noch Haare." Dimi ist Maler, also beobachtet er genau. Du bist Geheimagent, Du musst auch genau beobachten. Mich interessiert, ob sich Eure Geschichten auch so unterscheiden wie bei dem Überfall auf die Tankstelle."

„Also rein wissenschaftliches Interesse," konstatierte Tom.

„Nicht nur," stellte Ioannis klar. „Es gab zwei oder drei Sachen, die ich Dimi doch nicht so ganz abnehme. Also, erzähl mal Deine Version."

Tom überlegte einen Augenblick. Offensichtlich hatte Dimi von der Gruppe und auch von seiner früheren Tätigkeit auf Leros berichtet. Das konnte nur heißen, dass er seiner neuen Familie völlig vertraute. Also hatte er sicher auch über sein Zusammentreffen mit Tom auf Leros wahrheitsgemäß gesprochen, denn da hatte alles ja begonnen.

„Wie viel Zeit haben wir?" fragte er Ioannis.

„Die werden uns schon was vom Essen übrig lassen."

Tom erzählte ihm alles haarklein von dem Moment an, als er Bernd am Hafen von Panteli angesprochen hatte, bis zu seiner Abreise aus Leros. Die Tage auf der Insel der Schreie waren ihm noch sehr präsent. Ioannis hörte ihm aufmerksam zu.

„Es ist interessant. Eure Geschichten sind fast identisch. Aber an zwei Punkten unterscheiden sie sich doch. Und eine Frage habe ich auch. Das ist eine gute Quote, wenn das stimmt, was ich in dem Psychologiebuch gelesen habe."

„Du liest Psychologiebücher?" fragte Tom erstaunt.

„Weißt Du, wie langweilig das hier ist? Ich lese nicht nur Psychologiebücher. In Larissa ist eine gute Bibliothek. Zurück zum Thema. Punkt eins. Du hast nicht erwähnt, dass Dimi Dich mit einer Pistole bedroht hat. Warum nicht?"

Ja, warum nicht? Aus irgendeinem Grund hatte Tom geglaubt, Dimi hätte diesen Punkt verschwiegen.

„Ich dachte, er hätte es Dir vielleicht nicht gesagt," erklärte er wahrheitsgemäß.

„Hat er aber. Und er sagt, Du hattest keine Angst. Stimmt das?"

Das war eine knifflige Frage. In dem Moment, als Bernd damals die Pistole aus der Schublade nahm, hatte er tatsächlich keine Angst empfunden. Viel später, in Piräus, in Nikos' Armen war ihm plötzlich klar geworden, in welcher Gefahr er geschwebt hatte. Bis zu dem Moment war ihm das nicht bewusst gewesen.

Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt