15 Irgendwann. Heute.

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Dimitra ließ sich ganz tief in die Polster fallen. Mit Unbehagen bemerkte Fred, dass ihre Augen glitzerten. Sie trank einen Schluck Wasser, straffte sich und setzte sich auf die Vorderkante des Sessels.

„Er will mich wirklich besuchen?"

„Ja. Er weiß seit ein paar Tagen, dass Sie hier leben."

„Das stimmt doch nicht. Der weiß seit mehr als zehn Jahren, wo wir wohnen. Wie viele Briefe habe ich ihm geschrieben. Er hat mir nie geantwortet."

„Er sagt, Sie sind verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Er hat nie wieder etwas von Ihnen gehört. Seit er in Griechenland lebt, haben seine Freunde angefangen, nach Ihnen zu suchen."

Die Frau versank wieder in dem Sessel. Eine Weile sagte niemand etwas. Fred sah, dass sie mit sich kämpfte.

„Woher kennen Sie Bernd?" fragte sie schließlich. Fred erinnerte sich, dass Dimitra bei der griechischen Luftwaffe arbeitete, und das könnte unter Umständen ein Problem sein. Daher fragte er vorsichtig:

„Verzeihen Sie die Frage, aber bevor ich antworte, muss ich wissen, in welcher Beziehung Sie zum Militär stehen."

„Ich arbeite als Übersetzerin am Hauptquartier in Larissa. Warum?"

„Hmm. Wie lange machen Sie das schon?"

„Seit fünf Jahren. Ich habe am Goetheinstitut meine Deutsch-Zertifikate gemacht. Dann habe ich die Stelle bekommen. Noch mal: warum fragen Sie?"

„Weil ich Ihnen die Wahrheit über Ihren Sohn nur sagen kann, wenn Sie sie für sich behalten, vor allem gegenüber Ihrem Arbeitsgeber. Absolut geheim. Können Sie mir das versprechen?"

„Hmm. Ich weiß nicht. Ich... doch, ich verspreche es."

„Also. Eine lange Geschichte kurz erzählt. Ich bin der Chef des deutschen Militärischen Abschirmdienstes. Ihr Sohn Bernd hat für uns auf Leros gearbeitet, verdeckt natürlich..."

Dimitra sah ihn verärgert an:

„Moment mal. Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie wollen, aber das ist Blödsinn. Geheimdienst. Leros. Quatsch."

Sie stand auf und ging in die Küche. Fred hörte, wie sie mit Ioannis diskutierte, der kurz darauf das Haus verließ. Wenig später kam er wieder und erstattete ihr Bericht. Ihre Miene war nach wie vor misstrauisch.

„Da draußen steht ein amerikanisches Auto mit drei Männern drin, sagt Ioannis. Einer von denen ist Bernd?"

„Genau genommen, nein," antwortete Fred. „Bernd gibt es nicht mehr. Er ist aus dem Geheimdienst desertiert und hat eine neue Identität, eine griechische, und das darf natürlich das griechische Militär auf keinen Fall erfahren. Sein neuer Name ist Dimitrios Bernidis. Er ist Maler. Seine Bilder werden in Paris teuer gehandelt."

„Sie wollen mir weismachen, Sie sind der Chef des Dienstes, aus dem Bernd desertiert ist, und nun kommen Sie zusammen mit ihm her statt ihn zu verhaften? Das ist so, wie soll ich sagen, das ist so abwegig, das würden Sie auch nicht glauben."

„Wohl nicht," gab ihr Fred recht. „Aber vielleicht sollten Sie Ihren Sohn Bernd fragen."

„Haben Sie eben gesagt, er ist Maler?"

„Ja. Und zwar ein begnadeter. Ich kann das beurteilen. Ich male selbst auch."

Jetzt passierte genau das, wovor Fred Angst gehabt hatte. Die Frau wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Ioannis sah sie bestürzt an und fragte sie etwas. Sie gab ihm eine kurze Antwort, und der Junge stürzte aus dem Haus.

Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt