21 Fischers Veilchen

0 3 0
                                    

Tom und Klaus brauchten knapp zwei Stunden für die Fahrt von Bonn nach Dortmund, wo sie die Adresse, die ihnen Dimi mitgegeben hatte, in einer Sackgasse mit kleinen Reihenhäusern im Stadtteil Eving fanden. Der winzige Vorgarten war gepflegt, aber schon der Blick auf das Klingelschild offenbarte das erste Problem: der Name stimmte nicht mit Dimis ursprünglichem Nachnamen überein. Klaus sah Tom fragend an:

„Und jetzt?"

„Klingeln wir und fragen, ob man Dimis Vater kennt. Wahrscheinlich ist er umgezogen," mutmaßte Tom.

Eine ältere Frau in einem geblümten Kittel öffnete ihnen:

„Anne Tühr kaufich nix," sagte sie und wollte ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen, aber Tom kam ihr zuvor.

„Wir verkaufen nichts. Entschuldigen Sie, wir suchen Herrn Rackwitz, der hat doch hier gewohnt, nicht?"

„Hatta. Ihr seid spät dran. Der liecht getz aum Hauptfriedhof. Ganz hinten, Grab ohne Name. Meiner liecht da auch, aber mit Name."

„Das tut mir leid. Haben Sie Herrn Rackwitz gekannt?" fragte Tom.

„Nee," schnaubte die Frau. „Zum Glück nich. Die Bude war ein Schweinestall, als wir eingezogen sind. Wat hatta denn vabrochn, der Rackwitz?"

„Das ist eine längere Geschichte."

„Dann kommt rein. Hab kain Kuchn da, abba Kaffee."

Sie platzierte die beiden jungen Männer auf einem weichen Sofa und ging in die Küche.

„Taktik?" fragte Klaus.

„Wahrheit," antwortete Tom. „Wahrheit minus Du weißt schon."

Die Hausherrin goss duftenden Kaffee in große Keramikbecher. Der Kaffee duftete nicht nur, er war auch höllisch stark. Die Frau blickte erwartungsvoll von Tom zu Klaus und wieder zurück und forderte sie auf:

„Also, dann ma raus mitte Sprache, Männer."

„Wir haben die Ex-Frau und den Sohn von Herrn Rackwitz im Ausland kennengelernt," begann Tom. „Die sind beide vor ihm geflüchtet..."

„Kein Wunder," unterbrach ihn die Frau. „Der Alte muss ein fuichbarer Suffkopp gewesen sein, sagen die Nachbarn."

Es dauerte, bis Tom und Klaus ihr ihr Anliegen klarmachen konnten, weil sie jeden Satz kommentierte. Dann folgerte sie:

„Un getz wollta also maine Dusche ausnandanehm, ja? Wissta wat? Dat geht nich ohne Stärkung. Klaus, gemma bein Ladn und hol wat Kuchen. Tom, wir gehn im Batt."

Gehorsam machte sich Klaus auf den Weg und erstand in einer Bäckerei drei Streifen Bienenstich, während Tom mit Mathilde, ihrer Gastgeberin, das Bad aufsuchte.

„Tatsächlich, Blechfliesen," stellte sie nach einem intensiven Blick auf die Duschumrandung fest. „Hab ich noch gar nicht gemerkt. Machma auf. Gott, wie spannend."

„Hams'n Schraubendreher?" fragte Tom, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Metallclips mit den Fingernägeln zu öffnen.

Mathilde holte einen Schraubenzieher aus der Küche und stellte sich – die Hände in den Hüften - wieder in die Badtür. Tom hebelte die Laschen auf und klappte die Metallfliesen herunter. Todesmutig griff er blind unter die Duschtasse und tastete sich behutsam vor. „Wer weiß, was sich nach zehn Jahren so alles angesammelt hat," dachte er, aber er fühlte weder Spinnen noch Mäuse und auch keinen Schimmel.

„Iss nix, nä?" meinte Mathilde. Tom war fast schon bereit, aufzugeben, als er doch noch etwas ertastete.

„Moment, doch, da ist was."

Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt