34 Die Tochter des Kriegers

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Die Zuhörer bildeten einen Kreis um die Uptones und klatschten im Takt mit. Dann kamen Trommler hinzu und verstärkten die Rhythmussektion, und zum ersten Mal machten die Fulbe Bekanntschaft mit Musik aus der Karibik.

Nach einer Viertelstunde hob der Älteste die Hand, und die Musiker verstummten. Er wandte sich an Killer, den er als Bandleader erkannt hatte, und bat ihn, die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Mole hatte eine Idee:

„Wir würden gerne etwas filmen. Und ich frage mich, ob der Griot wohl eine Begleitung spielen kann."

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des malischen Musikers. Er wartete zusammen mit Killer ab, bis Sam den Rekorder und Mole die Kamera geholt hatten.

Das Lautenspiel des Griots begann monoton, aber Diallo übersetzte ihm Bruchstücke von Killers Vortrag, und bald passte er sein Spiel an, indem er dramatische Höhepunkte und traurige Passagen einstreute. Mole ärgerte sich, weil die Super-8-Filme so kurz waren. Er musste sich auf einige Schwenks von den Musikern über das Publikum und die Hütten beschränken, während Sam die nächste Viertelstunde komplett mitschnitt.

Killer begann seine Geschichte im Busch Westafrikas, wo seine Vorfahren gekidnappt und in eine Festung verschleppt wurden. Als er von der Überfahrt und dem Sklavenmarkt auf Jamaika berichtete, fielen die Trommler ein. Nicht nur Mole bekam eine Gänsehaut, und das bei mindestens 30 Grad. Killer fasste Jahrhunderte der Sklaverei, den Weg seiner Familie nach England und ihr Leben am Rand der Londoner Gesellschaft in 15 Minuten zusammen, und als er mit seiner Erzählung in dem Fulbedorf angekommen war, spendeten die Zuhörer klatschend Applaus. Die Frauen und Mädchen stießen eigentümlich hohe, fast schrille Laute aus.

Das Essen nahmen sie alle zusammen an Ort und Stelle ein. Mädchen brachten eine große Schale Hirsebrei und Schüsseln mit gekochten Rindfleischstückchen in süßlich-milder Milchsauce. Dann gab es in Öl gebackene Hirsebällchen mit zäher, extrem süßer Butter. Während sich die Gäste selbst bedienten, wurden der Älteste und Diallo von einer jungen Frau versorgt. Der ziemlich bittere Tee wurde natürlich mit Milch verfeinert.

Nach dem Essen, das sich zeitweise wie ein Interview gestaltete, bei dem der Älteste fragte und die Uptones antworteten, während Diallo übersetzte, bat Högelmann um das Wort. Tom musste anerkennen, dass der Politiker den richtigen Ton traf. Er stellte sich und seine Funktion kurz vor, gab dann seine Eindrücke über die Nöte der Menschen im Sahel wieder und bot schließlich sehr vorsichtig an, Berater für Landwirtschaft aus Deutschland zu schicken, falls die Fulbe Unterstützung bei der Umstellung von der Weidewirtschaft auf Ackerbau wünschten.

Es war Diallo anzusehen, dass seine Übersetzung für den

Dorfvorsteher noch vorsichtiger formuliert war als Högelmanns Rede. Der alte Mann erhob sich von seinem Sessel und ging kommentarlos in eine der Hütten.

„Er wird sich beraten," erläuterte Diallo. „Darüber müssen unsere Ältesten entscheiden. Die sind alle in der Hütte dort."

„Ich dachte eigentlich, Sie wären hier der Chef," sagte Tom.

„Ich bin der Anführer der Krieger. Die Entscheidungen treffen bei uns nur Männer aus einigen Familien." Diallo lächelte verschwörerisch und fügte hinzu, „wenn sie ihre Frauen gefragt haben. Unsere Art von Demokratie. Darf ich Sie in der Zwischenzeit ein wenig herumführen?"

Umringt von zwanzig kleinen Kindern machten sie sich auf einen Rundgang von Hütte zu Hütte, die, wenngleich sie hier als feste Behausungen dienten, im Handumdrehen auseinandergenommen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden konnten.

„Das sollte sich Herr Stöver vielleicht mal ansehen," meinte Tom zu Högelmann. „Ziemlich geniales System."

„Afrikanischer Fertigbau, sozusagen," stimmte ihm der Politiker zu und nutzte die Gelegenheit, um bei Tom um gutes Wetter zu werben. „Major Tom, ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen."

Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt