Ihre Pässe wurden nur oberflächlich kontrolliert, und ihr Gepäck interessierte niemanden. Toms Herz begann zu klopfen, als sie durch die Schleuse in die menschenleere Ankunftshalle traten, aber er beruhigte sich schnell wieder, als er Sandy ganz allein am Ausgang stehen sah. Eigentlich war er sogar ein bisschen enttäuscht. Der Australier sah es ihm an:
„Tut mir leid, Tom. Spiros und Michael sind bei den Autos, und alle anderen helfen alle bei den Vorbereitungen für die Party."
Die Luft war frühlingshaft-mild. Sandy geleitete sie zu einem der weiter entfernten Parkplätze. Anscheinend hatten viele Reisende über den Jahreswechsel ihre Autos am Flughafen abgestellt, jedenfalls gab es kaum Lücken. Es waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Die letzte Linienmaschine des Jahres war vor zwei Stunden gestartet, und das ganze Gelände wirkte wie ausgestorben. Schon von Weitem sahen sie Michael und Spiros an dem Mustang lehnen, dessen Verdeck offen war. Daneben stand zu Toms Verwunderung Georgios' Bus.
„Wer von Euch hat denn einen Busführerschein?" fragte Tom.
„Keiner," antwortete Sandy, und in diesem Augenblick sprang eine ganze Meute aus ihrem Versteck hinter dem Bus. Alle, aber wirklich alle waren da: Nikos' Vater, die Admiralskinder, die Euböa-Musiker, Samir und die Brüder aus Drama, Dave, Nicky, Beards Anna, Xenia, Martin, Georgios, Panos, Ioanna, Billy, Georg und natürlich Sophia und Maher.
Högelmann betrachtete die Umarmungen, die Küsse und die Tränen, die einige in den Augen hatten. Das war also die griechische Widerstandsgruppe. Sam nahm ihn an der Hand - seit Timbuktu fühlte er sich irgendwie für den Mann verantwortlich. Bis er ihm alle vorgestellt hatte, war es dunkel geworden.
Nikos lud Tom, Högelmann, Klaus und Hamit in den Mustang und machte sich auf den Weg zum Hotel am Strefi. Alle anderen stiegen in Georgios' Bus und fuhren nach Agios Andreas zurück. Herr Tsikos zeigte ihnen ihre Zimmer und lud sie auf die Dachterrasse ein, wo sie von Basilis erwartet wurden. Nach dem Begrüßungsouzo und einem Bericht in Stichworten übergaben sie ihm das Geld.
„Wir müssen uns unterhalten," sagte er zu Nikos und Tom. Sie gingen zusammen in den Innenhof, wo sie von dem Alten Mann erwartet wurden. Sie umarmten ihn und setzten sich dann unter das Aprikosenbäumchen.
„Was ist los?" fragte Nikos. „Bitte keine Arbeit."
„Nein, keine Arbeit. Wir müssen Euch über ein paar Neuigkeiten informieren, bevor Tom nach Deutschland fliegt. Die anderen werden erst nächste Woche davon erfahren."
Er übergab dem Alten Mann das Wort, der zunächst davon berichtete, dass der studentische Protest unerwartet viel Zulauf hatte. Die Führung in Thessaloniki sah den Zeitpunkt gekommen, mit einer koordinierten Aktion die Junta herauszufordern. In den letzten Monaten hatten die sozialistischen Widerstandsgruppen mit den Kommunisten und sogar konservativen, aber gegen die Diktatur eingestellten Studentengruppen ein gemeinsames Vorgehen diskutiert.
Man hatte sich darauf geeinigt, an einer Fakultät der Athener Uni eine Besetzung zu inszenieren. Die vermehrten Einziehungen von Studenten zum Militär waren der vordergründige Anlass, aber es ging auch um die Mitsprachemöglichkeiten der Studenten, die von der Junta unterbunden worden waren.
„Welche Fakultät soll das sein?" fragte Tom, der ein sehr ungutes Gefühl in der Magengegend hatte. Der Alte Mann sah ihm prüfend in die Augen. Er hatte seinen Unterton bemerkt.
„Jura. Und Du vermutest richtig, Tom. Sophia soll das auf unserer Seite koordinieren, wenn sie einverstanden ist."
„Weiß sie das schon?"
„Nein. Wir wollen warten, bis in der nächsten Woche der endgültige Beschluss fällt. Ich bitte Dich, das wirklich so lange für Dich zu behalten, auch wenn's Dir schwerfällt."
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Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächst
Historical FictionIn „Sorgt, dass die Wüste nicht wächst", dem 9. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute" werden Tom und seine Freunde in teilweise gefährliche Abenteuer in verschiedenen europäischen Ländern und in Afrika verwickelt. Sie begleiten den „größten Ha...