Der Bundestagsabgeordnete wachte um sieben Uhr auf, als sich draußen kurzfristig ein Stimmengewirr erhob, das durch Phil beendet wurde, der auf Arabisch Befehle bellte. Högelmann hörte das Getrappel vieler Stiefel. Er lauschte angestrengt, aber nach einer Minute war alles wieder still. Er stand auf und ging in Richtung des Sanitärzeltes. Das Camp war leer. Er wusch sich Gesicht und Hände und putzte sich gerade die Zähne, als sich Sam, der geniale Toningenieur der Uptones, der verschlafen hatte, zu ihm gesellte.
„Wo mögen die alle sein?" fragte ihn Högelmann.
„Wie ich Phil kenne, bringt er die Leute auf Touren," grinste Sam
„Wie meinst Du das?"
„Die werden trainieren. Ich hab mich schon gewundert, dass Phil das gestern anscheinend vergessen hat. Sie sind sicher laufen."
Högelmann runzelte ungläubig die Stirn:
„Am frühen Morgen, in der Wüste und freiwillig?"
„So ist das immer bei uns," klärte ihn Sam auf. „Man muss fit sein, wenn man solche Dinge unternimmt wie Phil und die anderen. Mich lassen sie zum Glück meistens in Ruhe - wenigstens ein Vorteil, dass ich der Kleinste bin."
„Wie kommt das überhaupt, dass sie Dich mitnehmen?"
„Ich bin der Tontechniker, normalerweise, also wenn wir elektrisch spielen. Ich war schon in Libyen dabei, als wir in Al-Adam aufgetreten sind, da war ich erst 14."
Sie mussten noch eine halbe Stunde warten, dann kamen libysche und malische Soldaten und einige europäische Zivilisten mit nacktem Oberkörper schwitzend zurück. Phil stellte zwei Soldaten ab, die das Frühstück vorbereiten sollten, und absolvierte mit den anderen eine Viertelstunde Krafttraining. Die libyschen Soldaten, die der Garde des
Vorsitzenden angehörten, kannten dieses Programm von Spiros, aber die Malier waren so etwas nicht gewöhnt. Es machte ihnen Spaß, besonders als Phil sie animierte, sich einen Partner zu suchen und Ringen und Boxen nach seiner Anleitung zu üben.
„Die machen anscheinend keine halben Sachen," meinte der Politiker zu Sam, der es als seine Pflicht ansah, den deutschen Politiker nicht mutterseelenallein im Sand sitzen zu lassen, als Phil den abschließenden Trainingskampf einläutete.
„Nein, die meinen das todernst," erwiderte Sam. „Sie haben das auch das eine oder andere Mal gebraucht."
„Zum Beispiel?"
„Das sollen sie Ihnen lieber selbst erzählen."
Phil suchte sich natürlich Tom als Gegner aus, aber der hatte eine andere Idee:
„Mole, heute bist Du dran. Phil sagt, Du bist auch unter die Kämpfer gegangen. Ich will doch mal sehen, ob Du was mit Deinen ganzen Muskeln anfangen kannst."
„Falls Du noch was sehen kannst, wenn wir fertig sind," antwortete Mole, der von Phil gelernt hatte, dass Psychologie zu einem Kampf dazugehörte. Högelmann musste über das Gehabe der jungen Männer schmunzeln, was ihm Sekunden später verging. Hama, der den Weg zu dem libyschen Camp ein zweites Mal auf sich genommen hatte, weil er ein Anliegen hatte, beobachtete das Geschehen aus der Distanz. Er wollte lieber noch etwas abwarten, bis er sich vorwagte, um seine Bitte vorzutragen.
Tom und Mole zogen ihre Stiefel aus, und nach einem kurzen Abtasten prügelten und traten sie aufeinander ein. Der ehemals so schüchterne Keyboarder hatte eine gute Deckung und einen sehr trockenen rechten Haken. Tom musste schmerzhaft erfahren, dass er im Standkampf kaum zu schlagen war. Aber Mole war auch am Boden gut. Er ging ja nicht nur mit Hamit und Phil in den Boxclub. Im Wohnzimmer der Villa am Regent's Park trainierten sie auch regelmäßig Ringen. Also verlegte sich Tom auf die schmutzigeren Tricks, die sie früher gerne am Strand angewendet hatten, wenn sie ansonsten nicht genügend ausgelastet waren, aber auch die waren Mole nicht mehr ganz unbekannt.
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Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächst
Historical FictionIn „Sorgt, dass die Wüste nicht wächst", dem 9. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute" werden Tom und seine Freunde in teilweise gefährliche Abenteuer in verschiedenen europäischen Ländern und in Afrika verwickelt. Sie begleiten den „größten Ha...