36 Nkosi Sikelel' iAfrika

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Högelmann betrachtete sich einmal mehr im Spiegel. Major Hassan hatte ihm einen schwarzen Turban um den Kopf gewickelt und ihm gezeigt, wie man das lose Ende als Gesichtsschutz einsetzen konnte. Er setzte sich an den Schreibtisch und überlegte. Der Flughafen war zu und würde wegen eines Sandsturms mindestens einen ganzen Tag gesperrt bleiben. Übermorgen war Silvester, da gab es keine Flüge. Also saß er bis zum Neujahrstag fest. Mindestens. Die Rezeption vermittelte ihm eine Telefonverbindung nach Bonn, aber sein bisher einziger Mitarbeiter war nicht mehr im Büro. Also rief er seine Frau an und bereitete sie schonend darauf vor, dass sie allein zur Silvesterparty gehen musste.

Major Hassan hatte noch am Flughafen mit Oberstleutnant Al-Marzouki telefoniert, der wiederum mit dem Staatschef Rücksprache hielt. Daraufhin war das Programm für den deutschen Politiker geändert worden. Statt des eigentlich vorgesehenen Abendessens mit dem Wirtschaftsminister im Hotel sollte Högelmann nun in dem Zeltdorf an einem Essen mit dem Minister, Gaddafi, einer Gruppe ausländischer Besucher und seinen Mali-Mitreisenden teilnehmen.

***

Am Eingang eines Souks in der Nähe der Hafenfestung versammelte Phil die Südafrikaner um sich. Sie waren alle zwischen 18 und maximal 22 Jahre alt und bis auf zwei indisch aussehende Männer schwarz. Kiddy erzählte Phil auf dem Weg in die Stadt, dass sie in Marokko von Gebirgsjägern als Truppführer geschult worden waren. In den nächsten Wochen würden sie bei den Palästinensern in speziellen Guerillataktiken trainiert werden. Später sollten sie im ANC-Hauptquartier in Morogoro in Tansania weiter ausgebildet und schließlich über Botswana nach Südafrika

eingeschleust werden. Nur die Hälfte von ihnen kam tatsächlich aus Südafrika, die Familien der anderen lebten in England oder Tansania.

Der Besuch im Souk dauerte doppelt so lange wie geplant. Für 20 Mann mussten die passenden Kleider gefunden und Turbane gewickelt werden, und die jungen Männer genossen es nach den Wochen in der Abgeschiedenheit des Atlasgebirges, unter Menschen zu sein. Weder Kiddy noch Phil konnten sie davon abhalten, an etlichen Ständen mit den Händlern um die Preise für kleine Andenken zu feilschen, die sie mit britischen Ein-Pfund-Noten bezahlten.

Als sie den Souk verließen, hatte sich das Wetter komplett verändert. Aus dem Landesinneren wehte ein kräftiger, unglaublich warmer Wind. Als sie die Jeeps besteigen wollten, hielt Kiddy Phil auf:

„Meine Jungs verdursten. Der Tee bei dem Schneider war nicht genug. Können wir noch schnell was trinken?"

Sie kehrten in einem Café in der Nähe ein und tranken Tee und Wasser, und ganz allmählich machte Phil sich Sorgen um die Laune des Staatschefs. Sie waren schon mehr als zwei Stunden über der Zeit.

Er führte die Kolonne zu seiner Wohnung, damit die Uptones ihre Instrumente holen konnten. Als die Londoner aus dem Haus kamen, war urplötzlich der Ghibli da. Der Wind war zu einem heftigen Sturm geworden, der Staub prickelte auf der Haut. Schnell hielten sie sich die Tücher vors Gesicht. Die Sandkörnchen waren so fein, dass sie durch jede Ritze in die Jeeps eindrangen, in denen es unerträglich heiß wurde, als sie alle Fenster geschlossen hatten. Es war stockdunkel. Der Staub verschluckte sogar das Licht der Straßenlaternen. Sie mussten langsam fahren, denn die Sicht betrug keine zehn Meter mehr.

Es war halb zehn, bis sie endlich bei den Zelten ankamen. Sie parkten die Autos neben den beiden Limousinen und den Jeeps, die auf dem Platz vor dem Camp abgestellt waren. Vor dem Aussteigen zogen sich alle die Tücher eng vor das Gesicht und ließen nur einen Schlitz für die Augen frei.

Phil ließ seine und Kiddys Männer vor dem großen Zelt antreten und ging zunächst allein hinein, um vorsichtig die Stimmung zu testen. So lange hatten sie Gaddafi noch nie warten lassen. Zu seiner Überraschung saßen außer Al-Marzouki, Jalloud, dem Geheimdienstchef und dem Wirtschaftsminister auch Major Hassan und Högelmann auf den Kissen.

Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt