Kurz nach Schließung der Wahllokale kamen Tom und Klaus in Bonn-Tannenbusch an. Sie klingelten bei Billy und nahmen ihn mit in
Klaus' Wohnung. Das Wahlergebnis stand noch nicht fest, aber im Laufe des Abends wurde es zur Gewissheit, dass die SPD zum ersten Mal mehr Stimmen bekommen hatte als die Union. Eine Alleinregierung würde es dennoch nicht geben, weil die FDP es wieder in den Bundestag geschafft hatte. Der beliebte Außenminister Scheel hatte ihr einen enormen Stimmenzuwachs beschert. Willy Brandt würde also Kanzler bleiben. Sie feierten den Sieg mit einer Flasche Veltins oder zwei.
Tom und Klaus berichteten Billy über ihre Tage in Griechenland und Ägypten, aber auch er hatte Neuigkeiten:
„Ich habe zum ersten Mal selbst einen Artikel verkauft. Phil hat mir eine Reportage mit Bildern über die Iren und Afrikaner in Liverpool geschickt. Er hat das wohl zusammen mit einem gewissen Dylan geschrieben. Sie haben sich ein Pseudonym ausgedacht, Dylis."
„Typisch Phil," grinste Tom. „Dylan plus Lakis gleich Dylis. An wen und für wie viel hast Du das denn verkauft?"
„Ihr werdet's nicht glauben. An die „UK". Für 200 Mark."
„Die „UK"? Das ist doch die kommunistische Zeitung," sagte Klaus.
„Besser, die drucken das als gar keiner," meinte Tom.
„Sehe ich auch so. Ich geb's Dir gleich zu lesen. Da ist noch ein zweiter Artikel, den wollte ich Dir erst zeigen, bevor ich den versuche loszuwerden. Der ist von Mike aus Dublin, Ihr wisst, dieser Straßenmusiker, den Phil und Hamit da getroffen haben. Er schildert einen Anschlag der Provos in einem Dorf bei Derry aus der Sicht des Bombenlegers. Ich weiß nicht, ob wir das veröffentlichen sollten."
Tom nahm sich zuerst Phils Artikel und Klaus den von Mike. Dann tauschten sie.
„Den Liverpool-Artikel finde ich sehr stark. Viele Fakten, 90 Prozent neu für mich, und das, obwohl ich selbst mit da war," sagte Klaus, als er durch war.
„Dito," fügte Tom an. „Der andere kriegt am Ende gerade noch die Kurve. Die Schilderung der Planung und Durchführung des Anschlags klingt mir zu heroisch, aber im letzten Absatz distanziert sich der Autor von Attentaten. Er erklärt den Standpunkt der Provos ziemlich sachlich, finde ich. Und dann, warte mal, schreibt er, „Auch wenn die Motive der Provos nachzuvollziehen sind und drastische Mittel rechtfertigen, kann man Anschläge auf Zivilisten nur ablehnen. Sie diskreditieren jedes noch so edle Ziel." Damit stellt er den Freiheitskampf nicht in Frage, aber die Mittel, die die Provos anwenden."
„Ich finde den Irland-Artikel außergewöhnlich. Extrem spannend geschrieben. Wo hast Du schon mal gelesen, was im Kopf eines solchen Attentäters vorgeht? Von der ersten Idee über die Planung bis zu seiner Angst auf der Flucht. Du nennst es heroisch, mag sein, aber es wirkt vor allem authentisch. Ihr solltet das unbedingt veröffentlichen. Auch wenn's kaum einer drucken wird außer der „UK" oder so einem Nischenblatt," meinte Klaus.
„Du hast recht, es ist verdammt gut geschrieben," stimmte ihm Tom zu. „Übrigens vermute ich, dass das nicht nur authentisch wirkt. Phil sagt, Mikes Bruder ist bei den Provos. Ich finde, der Inhalt ist okay, bis auf eine Sache. Den Absatz, wo er haarklein beschreibt, wie er die Bombe zusammenbaut, sollten wir durch einen einzigen Satz ersetzen: „Dann hat er eine Bombe gebaut." Was meint Ihr?"
Billy und Klaus stimmten ihm zu. Keiner wollte, dass sie jemanden auf dumme Gedanken brachten. Billy fragte:
„Meint Ihr, ich sollte das vorher noch Martin und Nikos schicken?"
„Ruf sie kurz an und schildere ihnen die Sache, das sollte genügen," riet ihm Tom, als das Telefon klingelte. „Nanu, wer ruft Dich denn jetzt noch an?"
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Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächst
Historical FictionIn „Sorgt, dass die Wüste nicht wächst", dem 9. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute" werden Tom und seine Freunde in teilweise gefährliche Abenteuer in verschiedenen europäischen Ländern und in Afrika verwickelt. Sie begleiten den „größten Ha...