Sophia stand auf und verschwand in der Dunkelheit. Tom wusste nicht, was er davon halten sollte. Als sie zurückkam, hatte sie ihre Gitarre in der Hand. Sie legte die Hülle in den Sand, setzte sich, stimmte das Instrument und spielte ein paar Akkorde. Dann sang die schönste Stimme von Athen:
„Maybe I didn't treat you
Quite as good as I should have
Maybe I didn't love you
Quite as often as I could have
Little things I should have said and done
I just never took the time
You were always on my mindYou were always on my mind."
Von der zweiten Strophe bekam Tom nichts mit. Er war zu sehr damit beschäftigt, seine Tränen zu unterdrücken. Zu viele Gedanken rasten durch seinen Kopf. Zu viele Bilder blitzten in der Dunkelheit auf. Er riss sich mit aller Macht zusammen.
„Tell me, tell me that your sweet love hasn't died
Give me, give me one more chance
To keep you satisfied, satisfied
Little things I should have said and done
I just never took the time
You were always on my mind
You were always on my mind."Das war zu viel. Die farblose Welle lauerte in der Ferne.
„Hör auf," presste Tom hervor. „Bitte hör auf."
Sophia packte die Gitarre in die Hülle. Tom weinte nicht, aber die Tränen liefen ihm in Bächen über die Wangen. Sie legte ihre Hand in seinen Nacken, zog ihn sanft heran und küsste ihn.
Tom ließ die farblose Welle etwas näherkommen und küsste sie zärtlich zurück. Sie küssten sich lange, und immer wieder, und mit so viel Gefühl wie wahrscheinlich nie zuvor, aber Tom schaffte es, die Welle auf Distanz zu halten. Dann stand er auf.
„Was für ein wunderschönes Lied. Hab ich nie gehört. Von wem ist das?"
„Elvis Presley. Ist gerade in die englischen Charts gekommen."
Plötzlich war ihm alles klar:
„You'll be always on my mind, Sophia, ich werde immer an Dich denken. Jeden Tag, ich weiß es. Aber morgen früh, bevor ich abfliege, gehen wir alle vier zu Deinen Eltern, Maher, Nikos, Du und ich. Wir müssen endlich reinen Tisch machen."
„Mein Vater wird uns nicht reinlassen."
„Dann sag Georgios, er soll uns die Tür öffnen. Wir treffen uns um neun vor Eurem Haus. Du überredest Maher, ich Nikos. Es wird Zeit, dass Dein Vater die Realität anerkennt. Vorausgesetzt natürlich, Du willst das auch."
„Was? Die Realität anerkennen?"
„In gewisser Weise schon. Klare Verhältnisse schaffen und Deine Familie wieder versöhnen. Es stimmt doch, dass nur noch Dein Vater gegen Maher ist?"
„Ja, meine Mutter und Georgios stehen auf unserer Seite. Aber ob mein Vater sich davon beeindrucken lässt, wenn wir zu Viert kommen, weiß ich nicht."
Langsam schlenderten sie Hand in Hand zum Haus.
„Was genau ist eigentlich sein Problem? Dass Maher schwarz ist?"
„Jedenfalls nicht, dass er Medizin studiert. Am schlimmsten ist wohl für ihn, dass er Moslem ist. In Griechenland gibt es ja nur die kirchliche Hochzeit, also müsste Maher Christ werden, wenn wir hier heiraten wollen. In Ägypten wäre es wohl theoretisch möglich, staatlich zu heiraten, aber Mahers Familie würde ihn verstoßen. Mein Vater hat da also ein Argument."
„Ich verstehe. Er befürchtet, dass Ihr auf ewig in wilder Ehe lebt."
„Ja, und die Sorge kann ich ihm auch nicht nehmen. Ich meine, wenn wir eines Tages eine sozialistische Regierung bekommen, führen sie vielleicht eine staatliche Trauung ein, wie fast überall in Europa. Aber das kann dauern."
Vor der Tür küssten sie sich noch einmal zärtlich.
„You are always on my mind," sang sie ganz leise.
„Jeden Tag," hauchte Tom. Dann straffte er sich und nahm sie ganz fest in seine Arme. „Und versprich mir, dass Du gut auf Dich aufpasst. Vergiss nie, dass ich immer für Dich da bin. Wenn irgendetwas ist, ruf mich, versprich mir das. Ich komme mit dem nächsten Flieger."
Sie löste sich aus seiner Umarmung, machte einen Schritt zurück und sah ihn misstrauisch an:
„Tom, was ist los? Was weißt Du, was ich nicht weiß?"
Er nahm ihre Hand und zog sie sanft in seine Arme zurück:
„Frag nicht. Du erfährst es nächste Woche. Sophia, bitte pass auf Dich auf."
Als sie im Hotel am Strefi im Bett lagen, flüsterte Nikos:
„Du riechst gut."
„Wir haben uns geküsst."
„War es schön?"
„Ja."
„Muss ich mir Sorgen machen?"
„Nein. Wir treffen uns um neun mit Maher und Sophia vor ihrer Haustür. Du hast gesagt, ich muss für Sophia sterben. Das stimmte nicht. Ich muss für ihren Vater sterben. Morgen werden wir beiden die Bösen sein, vielleicht wird Maher dann zum Guten."
„Du bleibst trotzdem der Schattenmann."
„Ich weiß. Wie willst Du einen Schatten umbringen?"
„Du hast Angst um Sophia."
„Ja."
„Ich passe auf sie auf. Du weißt doch, best friends forever."
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Die richtigen Leute Band 9: Sorgt, dass die Wüste nicht wächst
Historical FictionIn „Sorgt, dass die Wüste nicht wächst", dem 9. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute" werden Tom und seine Freunde in teilweise gefährliche Abenteuer in verschiedenen europäischen Ländern und in Afrika verwickelt. Sie begleiten den „größten Ha...