~*~*~ Kapitel 1 ~*~*~

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TEIL 1: IN DER BOX

"Hey, Avery! Bitte! Es wird dir bestimmt gefallen!"

Genna, meine beste Freundin, sprang aufgeregt um mich herum.

"Ich weiß nicht...", nörgelte ich nur, während ich die Augen verdrehte.

"Du hockst immer nur hier herum. Kein Wunder dass du noch nie einen Freund hattest und noch Jungfrau bist!"

Das saß. Und das wusste Genna ganz genau. Sie wusste, wie sehr ich mir einen Freund wünschte und sie wusste, dass ich, ganz gleich was ich auch tat, stets meilenweit entfernt davon war, einen zu bekommen.

Ich versuchte möglichst unbeteiligt mit den Schultern zu zucken, aber es gelang mir vermutlich nur semigut.

"Ist doch egal! Ich brauche absolut niemanden um glücklich zu sein! Die meisten Beziehungen bringen sowieso nur Stress mit sich..." Damit spielte ich, was zugegebener Weise auch nicht gerade sensibel war, auf Gennas letztes Beziehungsaus an. Ich hatte irgendwann aufgehört, die Tage zu zählen, an denen sie weinend bei mir auf der Veranda gesessen und eine Packung Taschentücher nach der nächsten aufgebraucht und das gesamte Tiefkühlfach leer gefuttert hatte.

"Komm doch einfach mit!", fing sie wieder an zu betteln, ohne auf meine Aussage einzugehen. Dabei wippte sie ungeduldig auf ihren Zehenspitzen herum, ganz so, wie sie es immer tat, wenn es etwas gab, das sie unbedingt wollte. Ich rollte mit den Augen und sah sie streng an.

"Na gut. Aber nur, damit ich mir dieses Betteln nicht mehr länger anhören muss. Und nur, wenn wir auch gehen, sobald ich wirklich GAR KEINE Lust mehr habe. Denn die habe ich eigentlich jetzt schon nicht mehr!"

"Du bist die Beste!"

Genna sprang auf mich zu und riss mich mit ihrer Umarmung beinahe zu Boden. Erschrocken keuchte ich auf, während ich sie vorsichtig beiseite schob und etwas unbeholfen ihren Arm tätschelte, als könne sie das auf irgendeine Weise besänftigen.

"Aaaaaber... Du musst unbedingt noch etwas anderes anziehen! Das da geht ja mal so gar nicht!" Mit einem schon beinahe angewiederten Gesichtsausdruck zupfte sie an meinem Oberteil herum.

"Ernsthaft? Da willigt man schon in etwas ein, auf das man eigentlich so gar keine Lust hat, und dann darf man immer noch irgendwelche Forderungen erfüllen?", nörgelte ich herum. "Und überhaupt, was ist daran genau auszusetzen?", erkundigte ich mich vorsichtig, in der Hoffnung dass ich damit keinen zweistündigen Vortrag weckte und zupfte an meinem Shirt herum.

"Was daran auszusetzen ist? Meine Güte Avery! Hast du mal in den Spiegel geschaut und gesehen, wie verdammt Basic das ist? So läuft doch jeder Zweite herum. Außerhalb des Clubs. Das Teil verdeckt jede Kurve, jede Rundung, jedes bisschen Haut, und ist sowas von un..."

"Okay, hab's verstanden!", unterbrach ich sie, bevor sie mir noch tausend weitere Gründe aufzählen konnte, weshalb mein T-Shirt zu Basic war.

"Warte kurz..."

Wehleidig schloss ich die Augen, als ich sah, wie sie die Tür zu meinem Kleiderschrank öffnete und wortwörtlich darin verschwand. Ich mochte Genna wirklich sehr, aber manchmal konnte sie auch verdammt anstrengend sein!

Plötzlich tutete es mehrmals aus ihrer Handtasche, die sie gleich neben mir abgestellt hatte.

"Wer schreibt dir denn gleich fünf Nachrichten hintereinander?", lachte ich, während ich verwundert ihre Handtasche anstarrte.

"Kannst du grad mal nachschauen? Ist vermutlich Finn...", kam es aus dem Kleiderschrank als Antwort zurück.

Seufzend nahm ich die knallgelbe Tasche auf den Schoss und zog den Reißverschluss auf. Tausend Sachen sprangen mir augenblicklich entgegen und ich fragte mich unwillkürlich, wie Genna die Tasche überhaupt je zu bekommen hatte. Aus diesem Grund dauerte es auch eine Weile, bis ich ihr Handy unter ein paar, ich würgte kurz, Kondomen gefunden hatte.

Wortlos schüttelte ich den Kopf und entsperrte das Handy. Fünf Nachrichten aus ein und demselben Chat: Finn Cappelshorn

Hey Gennaaaaaa!!!

Heute Abend auch da???

Denk'an die Kondome xD

Zieh'dich schick an! ;p

Freu'mich schon auf dich! In Love F.

"Oh mein Gott, das ist ja fürchterlich!", brachte ich mühsam heraus und schaffte es nicht, meinen Blick von den Nachrichten abzuwenden.

"Uuuund?", kam es von hinten.

"Du hast Recht, es ist Finn. Er will, dass du an die Kondome denkst und du dich, ich zitiere: schick anziehst! Was hast du bitte heute Abend vor? Kommt der etwa auch heute Abend?"

"Ach, ist er nicht süß?", ignorierte sie meine Frage. Ich schüttelte bloß den Kopf. Nein, das war garantiert alles andere als süß!!!

"Geht so", murmelte ich versöhnlich, während Genna aus meinem Schrank herauskletterte, fünf verschiedene Kleidungsstsücke in den Händen. Angestrengt atmete ich einmal tief durch.

Der Reihe nach hielt sie mir die verschiedenen Oberteile vor die Nase, bis sie sich schließlich für ein Sommerkleid entschieden hatte, das fast keinen Rücken hatte, dafür aber zumindest vorne die wichtigen Stellen bedeckte, allerdings so eng saß, dass man nun wirklich jede Kurve sah.

"Das ist es!" Genna grinste freudig.

"Wenn es denn sein muss!", stöhnte ich, für Gennas Geschmack vermutlich noch ein wenig zu unmotiviert.

"Ja muss es! Ach komm schon, das wird cool; ganz bestimmt!"

"Als wir das letzte Mal feiern waren, hast du den gesamten Abend mit einem Typen herumgemacht und danach zwei Wochen weinend auf der Couch gelegen, weil es für ihn nur eine einmalige Sache gewesen ist!", erinnerte ich sie.

"Na ja, was ein Glück, dass ich dieses Mal ja Finn habe!", winkte sie mit der Hand ab. "Da kann das ja nicht mehr passieren. Ich liebe ihn nämlich und er liebt mich! Wir haben die ganze letzte Woche jeden Abend mehrere Stunden gechattet und uns jeden Mittag getroffen. Wir sind einfach füreinander bestimmt!" Träumerisch sah sie auf irgendeinen imaginären Punkt neben mir.

"Das freut mich ja für dich...", murmelte ich, während ich mich fertig umzog und mich in dieses enge Kleid presste.

"Klingt ja nicht sehr überzeugt...", stellte sie fest.

"Könnte daran liegen, dass ihr noch nicht einmal einen Monat zusammen seid und mir das Drama deiner letzten Trennung noch in den Ohren klebt! Weißt du eigentlich, wie teuer das ganze Eis war, dass ich nachkaufen musste?" Ich lachte und Genna stimmte mit ein.

"Dramaqueen, so schlimm war es jetzt auch wieder nicht!", grinste sie.

"Ich bin die Dramaqueen?", entgeistert schaute ich sie an. "Ich glaube du verwechselst da etwas!", stellte ich richtig und deutete anklagend in ihre Richtung.

"Pah! Noch sind wir jung, warum denn nicht das Leben in vollster Gänze ausleben?"

"Wenn du darunter verstehst, trauernd in einer Ecke zu hocken und irgendwelchen Typen hinterher zu heulen, okay..."

"Ich würde sagen, wir können eigentlich schon los!", stellte sie pragmatisch fest, ohne auf meinen Einwand einzugehen, während sie dabei einen kurzen Blick auf die Uhr warf.

"Klar, Finn wartet ja sicher schon..."

Sex(y) in der BoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt