Kapitel 48

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Atlas!
Oh mein Gott, ich konnte es kaum glauben! Er war hier, verdammt! Irgendwie hatte er es geschafft, mich zu finden!

„Avery!", rief er und war gerade in Begriff, auf mich zuzustürmen, bevor er plötzlich innehielt.
Sein Kopf ruckte zur Seite wie der eines Roboters.
„Rhone?", Ich meinte ein leichtes Beben in seiner Stimme wahrzunehmen.
„Du lebst?"

Das hatte ich ja beinahe ganz vergessen, bis gerade jetzt hatte Atlas ja auch noch geglaubt, Rhone sei tot. Also hatte Atlas ganz sicher nichts davon gewusst, dass er seinen Tod nur vorgegaukelt hatte.
Irgendwie beruhigte mich diese Tatsache etwas. Denn die versicherte mir, dass er mich nicht irgendwann angelogen hatte um mir dieses Geheimnis zu verschweigen.

„Sieht ganz so aus, kleiner Bruder!"
„Und wieso hilfst du, Avery gefangen zu halten? Meine Güte, Avery, geht es dir denn gut?"
Ich nickte langsam, wobei ich wieder die schmerzhafte Zerrung meiner Halsmuskeln spürte.
„Ich hatte so eine Angst um dich!" Er kam die letzten Meter auf mich zu und kniete sich vor mich hin, während er mich dabei umarmte.
„Ich habe gewusst, dass du mich retten kommen würdest, du Biker in Shorts!", witzelte ich leise.
„Du hast das Bild gesehen?", er grinste.
„Dann scheint mein Bruder ja seinen Geist noch nicht vollkommen verloren zu haben!" Atlas küsste mich sanft auf die Wange.

Dann begann er eilig, die Fesseln von meinen Handgelenken zu lösen.
„Mom hat gesagt, dass sie gefesselt bleiben soll!" Rhone war einen Schritt in unsere Richtung gekommen und sah Atlas unschlüssig an.
„Rhone, verdammt! Wann verstehst du endlich, dass das was Mutter sagt, nicht das einzige ist, was zählt? Hast du denn gar keinen eigenen Willen?"

Rhone schwieg kurz.

"Okay," sagte er dann. "Ich werde euch nicht aufhalten. Aber ich werde auch nicht helfen!"
"Klingt fair!", brummte Atlas darauf nur.

Meine Güte? Wie konnte er bloß so ruhig da knien und in aller Seelenruhe meine Fesseln lösen? Ich hätte Rhone an seiner Stelle vermutlich nur so mit Fragen durchlöchert!
Wie kann es sein, dass du noch lebst? Warum hälst du meine Freundin gefangen? Warum hilfst du Mom? Warum bist du einfach fort gegangen?

Doch Atlas schwieg, sah nur immer wieder zu mir hoch, als wolle er sich versichern, dass ich noch da war, dass es mir gut ging!
"Ich bin so froh, dass du da bist, Atlas! Wie hast du mich gefunden?"
"Ich bin meiner Mutter heimlich gefolgt. Ich wusste, dass sie gern in mein Leben eingreift, Avery. Aber niemals hätte ich auch nur zu Glauben gewagt, dass sie... dass sie..."
Herrje, Atlas Soul war sprachlos? Gab es das überhaupt?

"Es tut mir so leid! Ich hab das hier nie gewollt! Ich wollte dich niemals so tief in irgendwelche Intrigen fallen lassen und..."
"Shhht!", unterbrach ich ihn und griff mit der einen freien Hand, die er mir inzwischen geschaffen hatte, nach seinem Kinn, um ihm tief in die Augen sehen zu können.

"Hör auf damit, die ganze Zeit zu sagen, dass das hier deine Schuld ist, Atlas!", befahl ich ihm.

Traurig sah er mich an: "Aber das ist es. Hätte ich nichts mit dir angefangen, dann wärst du jetzt nicht hier!"

"Aber du bist nicht deine Mom und du kannst auch nichts für das, was sie tut. Und außerdem, jetzt bin ich nun einmal hier und so schnell wirst du mich ganz gewiss nicht los!"

Ich zog ihn an mich ran. Sein frischer Duft traf mich wie ein großes Feuerwerk, als ich ihn einatmete. Ich konnte nicht allzu lange von ihm getrennt gewesen sein, dennoch fühlte ich mich, als würde sich mein Herz wieder zusammen setzen, nun, da er da war; bei mir war. Dabei hatte ich ja nicht einmal gewusst, dass es je angeknackst war.

"Verlass mich nicht! Niemals!", flüsterte ich, während ich mit meinen Lippen sein halbes Gesicht verschlangen.

Atlas lachte belustigt auf: " Das werde ich nicht, meine stürmische Prinzessin!"

Ich bekam nur nebenbei mit, wie er geschickt meine zweite Hand hinter meinem Rücken befreite. Und danach meine Beine von den Stuhlbeinen löste. Rhone blieb still in seiner Ecke stehen, aber ich beachtete ihn nicht weiter. Sollte er doch dabei zu sehen, wie wir uns gegenseitig abknutschten!

"Geh sofort von ihr weg, Atlas! Sie ist reines Gift für dich!", die sirrende Stimme seiner Mutter würde ich inzwischen überall wiedererkennen. Wie von einem Eisstrahl getroffen hielten wir beide in unserem Kuss inne. Sofern man überhaupt noch von einem Kuss sprechen konnte; letztlich waren es inzwischen vermutlich schon so viele, dass man sie nicht mehr hätte mitzählen können.
Langsam, wie in Zeitlupe, drehte Atlas den Kopf und wandte sich seiner Mutter zu.

"Das letzte was ich tun werde, ist von ihr weg gehen, Mom!"

"Du weißt nicht mehr, was du sagst, geschweige denn tust!", warf sie ihm vor.

"Rhone, warum hast du das hier überhaupt zugelassen?", wie eine wild gewordene Furie fuchtelte sie mit beiden Händen in der Luft herum und deutete anklagend in unsere Richtung.

"Es tut mir leid Mom, aber es fühlte sich nicht wie mein Kampf an!", flüsterte er, so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich mir die Worte nur eingebildet hatte.

"Es tut dir leid, Rhone? Wir sprechen uns später noch, darauf kannst du dich verlassen! Jetzt zu dir, Atlas. Geh von diesem Objekt weg, JETZT!", das letzte Wort schrie sie.

"Nein! Überhaupt, wie konntest du es nur fertig bringen, meine Freundin zu entführen?"

"Ich tue alles, um die Krone zu beschützen. Das hatten wir doch erst, Atlas! Und jetz geh endlich beiseite."

"Okay, wenn ich jetzt beiseite gehe, lässt du mein Leben in Ruhe?"
"So ist es!"

"Keine Angst, ich verlasse dich nicht. Aber wenn wir das hier nicht mitspielen, kommen wir hier nie wieder raus!", er flüsterte die Worte so leise in mein Ohr, dass nur ich sie hören konnte.

"Okay!", sagte er dann, während er sich brav neben Rhone stellte.
"Zufrieden? Mom? Lässt du uns jetzt endlich gehen?"
"Ja, Atlas. Das war die erste vernünftige Entscheidung die du nach Ewigkeiten getroffen hast!"
"Gut, dann können wir dieses Theater doch endlich beenden!"
"Ganz recht, mein Kind, das können wir! Es gibt nur noch eine einzelne Sache, die es zu erledigen gilt!"

Plötzlich hielt seine Mutter eine Waffe in der Hand, die sie direkt auf meinen Kopf richtete.

"Mom!", Atlas Stimme zitterte. So hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen. Panisch pendelte mein Blick zwischen ihm und der Königin hin und her. Das konnte sie doch nicht wirklich ernst meinen, oder?

"Du hast Recht, Atlas. Es wird Zeit, dass wir das ganze hier beenden. Du hast zu viele Gefühle für dieses Ding!"

Im nächsten Moment löste sich auch schon ein Schuss aus der Pistole der Königin. Ich sah, wie das sich Geschoss auf geradem Weg seine Richtung zu mir bahnte.
Ich konnte nicht anders, als wie festgewachsen weiter an Ort und Stelle zu sitzen und die Kugel zu fixieren, als könne ich sie dadurch irgendwie aufhalten, was natürlich absolut lächerlich war.

Sex(y) in der BoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt