Kapitel 44

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Ich konnte es nicht fassen, wie sie mich gerade genannt hatte. Flittchen! War das ihr ernst?

Wütend funkelte ich sie an.

"Lassen Sie mich frei!"

Ich wusste, dass diese Forderung absolut lächerlich klingen musste. Sie wäre doch wirklich schön dämlich, wenn sie erst veranlassen würde, dass man mich kidnappte, nur, um mich im nächsten Moment schon wieder frei zu lassen.

"Alles zu seiner Zeit!"
"Heißt das, Sie werden mich bald freilassen?" Hoffnung keimte in mir auf. Denn bis mich hier irgendwer fand, konnte es sicherlich eine Weile dauern!

"Erst werde ich in Erfahrung bringen, was mein Sohn wirklich für dich empfindet. Je nach dem wie gravierend der Schaden ist, den du angerichtet hast, werde ich dich freilassen oder eben auch nicht!"

"Ich empfinde gar nix für dieses Mädchen!" Rhone spazierte lachend um mich herum. Die Königin verdrehte entnervt die Augen.

"Du bist nicht mehr in jedem meiner Sätze die oberste Priorität, Rhone. Was du empfindest und was du treibst, interessiert niemanden mehr. Ganz so, wie du es immer wolltest!"

Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, Schmerz über sein Gesicht huschen zu sehen. Aber vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet!

"Ich habe keinen Schaden an ihm angerichtet. Mit mir hat er nur das Leben gelebt, dass er sich selbst gewünscht hat; ein Leben in Freiheit!"

"Das ist es ja!", sie stöhnte wieder. "Durch dich hat er das Gefühl, er könne eine Freiheit ausleben, die ihm nicht mehr zusteht! Du hinderst ihn daran, seinem Amt, seinen Verpflichtungen, gerecht zu werden."

"Ich hindere ihn an gar nix!"

"Das sehe ich aber anders!"

"Weil Sie gar nichts sehen, außer der Macht, die Sie wenigstens über eines Ihrer Kinder erreichen wollen!"
"Ich darf doch sehr bitten, ich bin immerhin Königin des Landes. Da willst Du mir erklären, ich hätte keine Macht? Das ist absolut lächerlich!"
"Ist es das?"
"Ich glaube, dieses Gespräch führt hier zu nichts!", mischte sich Rhone plötzlich ein.

"Vielleicht, weil es kein Gespräch ist? Mit der da kann man sich nämlich nicht anständig unterhalten. SIe ist viel zu einfach gestrickt für gewöhnliche Konversationen!"

So langsam war ich es wirklich Leid, mich von der Mutter der beiden Brüder beleidigen zu lassen!

"Dann frage ich mich allmählich wirklich, weshalb Sie hier sind!"

"Man sollte sich immer ein gründliches Bild vom Schaden machen. Und zwar von allen Seiten. Noch nie gehört? Miss Avery?", sie sprach meinen Namen in einem äußerst angeekelten Tonfall aus. War sie überhaupt in der Lage, ihn freundlich auszusprechen?

Diese Frau hatte eine Meise, oder anders formuliert: Eine absolute Schraube locker!

"Mich hat noch nie jemand als Schaden bezeichnet, also nicht in diesem Zusammenhang, nein!"

"Das ist äußerlich verwunderlich!"

Am liebsten wäre ich dieser Frau wirklich an die Gurgel gesprungen, um sie mit einer Drehbewegung wie einen Waschlappen auszuwringen und...

Meine Güte, was kamen mir plötzlich für abgedrehte und kranke Gedanken? Ich hatte nicht gerade ernsthaft diese lüsterne Lust, die Königin zu ermorden?? Im Geiste stellte ich mir vor, wie das gesamte Volk als Dank an meine Heldentat applaudierte, was mir ein kurzes trostloses Auflachen bescherte.

"Ach, wie interessant. Das findet die Dame auch noch witzig!", kommentierte die Königin sofort meinen Ausbruch.

"Seien Sie doch froh, ich wette, in Ihrer Gegenwart kommt kaum einer zum Lachen!" Ich wusste nicht, woher ich plötzlich diesen Mut nahm, ihr das so ins Gesicht zu werfen.

Wutentbrannt starrte die Königin mich an und ihre Augen funkelten böse. Auf der einen Seite war es dasselbe Funkeln, wie es Atlas stets in seinen Augen trug. Auf der anderen Seite war es jedoch um so vieles anders.

"Ich fasse es nicht... Allein schon dieser Umgangston zeigt mir, wie wichtig es war, dass ich Atlas Seele und sein Herz gerettet habe, bevor es zu spät war!" Kurz kam sie ganz dicht an mich heran, um mir tief in die Augen zu sehen. Fast, als würde sie darin irgendetwas suchen. Im nächsten Moment ging sie auch schon wieder auf Distanz und räusperte sich kurz.

"Na ja!", meinte sie dann. Was auch immer das heißen sollte.

"Und, was hat das Gespräch ergeben? Bin ich nun so ein schlimmer Schaden für Ihren Sohn, wie Sie befürchtet haben?", ich musste fast selber lachen, als ich diese Worte aussprach, so lächerlich klangen sie in meinen Ohren.

"Das kann ich erst gänzlich beurteilen, wenn ich mit ihm alleine gesprochen habe!"
"Ah ja, da bin ich ja mal gespannt!"

"Das glaube ich dir. Denn es wird über nicht weniger als über dein Leben oder alternativ deinen Tod entscheiden!"

Mir stockte der Atem. Das hatte sie nicht wirklich gerade gesagt?
"Bitte was?"

Doch sie antwortete mir schon gar nicht mehr, sondern verschwand durch die Tür des Raumes und ließ mich mit Rhone alleine. Panisch schaute ich ihn an, doch er zuckte nur mit den Schultern.

"Rhone! Bitte! Hilf mir hier heraus!", flehte ich ihn an, auch wenn ich wusste, dass ich nur gegen Betonwände bei ihm stieß. Er tat nun einmal absolut alles, was seine Mutter von ihm verlangte. Umso mehr überraschte es mich, dass er überhaupt jemals einen wachen Moment gehabt und dem Königshaus mitsamt seinen Verpflichtungen den Rücken gekehrt hatte.

Er musste ja wirklich am absoluten Limit gewesen sein, dass er sich gegen seine Mutter gestellt hatte! Vermutlich hatte er genauso dringend einen Psychologen nötig, wie seine Mutter!

"Ich kann dir nicht helfen. Und das weißt du. Meine Mutter hat gesagt...!"
"Ich will's nicht wissen!", unterbrach ich ihn hastig. Wenn ich jetzt noch einmal heute hörte, was seine Mutter ihm gekonnt für Befehle auftischte dann würde ich wirklich vollends in den Wahnsinn abrutschen!

"Was wird sie mit mir tun, wenn sie der Meinung ist, dass ich keine Gefahr für Atlas darstelle?"
"Dann wird sie dich vielleicht frei lassen. Aber sie wird diese Meinung nicht vertreten. Das hat sie eben im Grunde schon deutlich gemacht."

"Was wird sie denn alternativ tun, wenn sie mich nicht freilässt?", meine Stimme zitterte leicht, als ich Rhone diese Frage stellte. Meine Güte, sie würde mich ja schon nicht umbringen, oder?
"Dann wird sie dich erschießen, schätze ich!"

Mir rutschte das Herz in die Hose. Rhone machte Witze, oder? Meine Güte, ich musste hier wirklich weg von diesen Psychos; und zwar schnell! Frustriert riss ich an meinen Fesseln. Fester hätten sie nicht sitzen können! Da war auch der mitleidige Blick, den Rhone mir zuwarf und der mich so verdammt stark an Atlas erinnerte, keinen Deut hilfreich.

Sex(y) in der BoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt