~*~*~ Kapitel 6 ~*~*~

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Die Nacht über hatte ich mir immer wieder ausgemalt, wie unsere Begegnung ablaufen würde; ob Atlas überhaupt erscheinen würde oder mich nicht sowieso schon längst vergessen hatte.

Aber in all meinen Vorstellungen und Gedanken hatte ich ihn nicht so schön in Erinnerung gehabt, wie er es tatsächlich war. Ich brauchte nur vor ihm zu stehen und er raubte mir bereits den Atem, sorgte dafür, dass mein Herz schneller schlug.
Im Tageslicht sah er sogar noch viel besser, viel athletischer aus, als bei den Industrielampen der lila Neonbeleuchtung gestern. Sein leicht bräunlicher südländischer Teint kam viel besser zur Geltung.

Atlas musste bemerkt haben, dass für mich schon sein purer Anblick genügte, um mich alles um mich herum vergessen zu lassen, denn plötzlich stand er ganz dicht vor mir und lehnte nicht mehr gemütlich an seinem Motorrad herum. Ich hatte gar nicht bemerkt, wann er sich überhaupt bewegt hatte.

„Du bist so still, Avery!", stellte er raunend fest, während er einmal, einem gefährlichen Raubtier gleich, um mich herum wanderte.
Der Geruch seines Aftershaves stieg mir wieder in die Nase und benebelte meine Gedanken noch mehr, als sie es ohnehin schon waren.

„Findest du?", presste ich mühsam hervor. Ob er merkte, was er für Reaktionen in mir hervorrief? Es würde mich eigentlich wundern, wenn ihm das nicht auffiel!

„Allerdings!"
Fast panisch sah ich dabei zu, wie er eine meiner blonden Locken mit der Hand ergriff und sie sich um seinen Finger zwirbelte, während er sie ausgiebig begutachtete.
Meine Güte! Hilfe! Ich musste irgendetwas machen! Wie zur Eissäule erstarrt stand ich da und starrte ihn an. Das musste wirklich lächerlich aussehen, wie ich ihn so ansah!

Irgendwie schaffte ich es schließlich, mich zusammenzuraffen und ihm meine Haarsträhne wieder aus der Hand zu zupfen.
Erstaunt sah er mich an und in seinen Augen loderte wieder dieses begierige Feuer, wie ich es schon am Vortag bei ihm gesehen hatte. Dieses Feuer, welches sicher dazu in der Lage war, alles mit sich mit zu reißen; leider inklusive mir, wie ich wohl zugeben musste!

„Ich finde, dass diese Wette absolut albern ist! Was soll ich denn bitte fünf volle Tage in einer Box mit dir machen?" Das hatte ich gut gesagt!, lobte ich mich selbst.

Atlas grinste bloß frech, während er schon wieder nach einer meiner Haarsträhnen angelte.
„Oh, glaub mir, Avery! Da finden wir schon was!" Sein Tonfall klang rau und er artikulierte jedes Wort ausgesprochen klar.

Ich konnte nicht kontrollieren, dass mir bei diesen Worten eine kribbelnde Gänsehaut über den Körper lief. Peinlich berührt über meine Reaktion rubbelte ich etwas über die Haut an meinen Oberarmen, in der Hoffnung, damit erfolgreich die Gänsehaut wegzurubbeln. Es klappte nur bedingt.
Mit - da finden wir schon was - meinte er sicherlich kein Gesellschaftsspiel wie Mensch Ärger dich nicht oder dergleichen.Oder?

„Da wäre ich mir nicht so sicher...", hauchte ich, ohne den Blick von dem seinen zu lösen. Dieser Typ machte mich noch fertig, wie er da so lässig herumstand. So verdammt lässig konnte ich ja noch nicht einmal da stehen, wenn ich mit jeder Faser meines Körpers im entspannten Modus war!
Vorsichtig zupfte ich meine Haarsträhne wieder von seinem Finger und tat sicherheitshalber ein paar Schritte nach hinten, bevor er auf den Gedanken kommen konnte, sich erneut eine meiner Strähnen zu picken.

Atlas lachte nur, während er die Schritte, die ich gerade erst an Abstand gewonnen hatte, wieder tilgte. Wieder schoss mir sein Aftershave in die Nase. Am liebsten hätte ich es inhaliert. Himmel, ich war wirklich krank!
„Was ist nun? Je eher du auf mein Motorrad steigst und wir losfahren, umso eher hast du deinen Soll mit der Wette erfüllt, Liebes!"

Mein Blick zuckte zu seiner Maschine herüber, nur um einen Moment später wieder in seinen Augen festzukleben.
„Wie meinst du das? Jetzt? Und dann wir beide...auf dem engen kleinen Teil da?"

Tief in meinem Inneren gab es eigentlich nichts, was ich mehr wollte, als mich an ihn zu pressen und gemeinsam mit ihm durch die Straßen zu rasen. Zugleich verunsicherte mich jedoch seine Forschheit, diese Art und Weise wie er vorging. Nein, er im Gesamten war es, was mich verunsicherte.
Ich war noch nie Motorrad gefahren, geschweige denn mit einem Typen wie er einer war. Ich war doch bloß irgendein dahergelaufenes langweiliges Mädchen! Und überhaupt...

„Natürlich jetzt. Wann denn sonst? Außerdem, hast du etwa gerade mein Motorrad beleidigt?", er sah mich spielerisch streng an.

"Ähm...nein! Das meinte ich so nicht. Aber... du weißt ganz genau wie ich es meinte!", warf ich ihm vor, während ich noch einmal kurz in Richtung seines Motorrades linste. Ich kannte mich mit Motorrädern zwar nicht sonderlich gut aus, aber wenn ich eines sicher sagen konnte, dann, dass es sicherlich nicht ganz billig gewesen war. Also war ich wohl an einen absoluten Motorradliebhaber geraten; ganz klasse!

"Ich meine, wir können natürlich auch noch zwei Stunden hier stehen bleiben und dann erst anfangen den Countdown für die 120 Stunden zu starten. Ist mir auch recht!" Verschwörerisch zwinkerte er mir zu und meine Gänsehaut intensivierte sich wieder.

„Du willst das jetzt wirklich durchziehen...", murmelte ich, leicht bestürzt. Irgendwo tief in mir lebte noch immer der kleine Funken Hoffnung, er könne das Ganze hier und jetzt noch beenden.
„Ich... hab doch gerade gar nichts dabei. Ich meine, keine andere Kleidung und sowas..."

„Ist nicht schlimm. Außerdem, du hast mich. Das reicht doch für's erste!"
Darauf fiel mir nichts mehr ein.
Wie betäubt lief ich zu seinem Motorrad hinüber. Soweit ich es zu beurteilen vermochte, war es wirklich ein sehr edles Modell und an der Seite war irgendein mir unbekanntes Emblem eingraviert.
Der Sitz war verhältnismäßig eigentlich recht groß, aber bei dem Gedanken daran, dass ich ihn mir mit Atlas würde teilen müssen, fand ich ihn jedoch auf einmal verdammt klein.

Mit zittrigen Knien kletterte ich auf das Ungetüm hinauf und krallte mich unsicher an dem Sitz fest.

„Geht doch!", kommentierte Atlas zufrieden, während er mir wieder zuzwinkerte.
Es dauerte nicht länger als ich schauen konnte, und er hatte sich auch bereits auf den Platz vor mir geschoben und ich fand mich an ihn gepresst wieder.

„Darfst dich ruhig an mir festhalten, Avery! Könnte sonst ein wenig unbequem werden, die Fahrt. Für dich. Ich will dich ja unterwegs nicht verlieren!", fügte er hinzu.
Ich schluckte nervös, während ich meine Arme vorsichtig um seinen kräftigen Oberkörper schlang.

Verdammt, was tat ich hier eigentlich?

Sex(y) in der BoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt