•Pain•

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Namseok

Hoseok wollte garnicht wissen wie viele Dosendeckel und Laschen er noch noch finden würde. Und auch nicht, ob er noch lange dazu in der Lage war diese Wohnung auf den Kopf zu stellen und leer zu räumen.

Beim packen der Kartons mit der mickrigen Aufschrift ,,Er" hielt Hoseok inne. Er mochte viel ertragen können... Doch diesmal wusste er nicht wie er es schaffen sollte mit diesem Schlag zu leben.

Müde setzte er sich auf den Boden schaute sich in dem noch halb vollen Zimmer um und legt dann den Kopf auf den Rand der vor ihm stehenden Kiste. Als er hineinschaute hatte er für eine Sekunde das Gefühl das alles gut war.
Und das das gemeinsame, sorgfältig eingerahmte Foto nur in dieser Kiste lag weil Namjoon gerade den Mietvetrag für die neue, größere Wohnung unterschrieb.

Er würde bald durch diese Tür kommen, mit einem breiten Lächeln.
Dieses bei dem sich immer seine Stirn kräuselte und er diese kleinen Grübchen bekam. Er würde ihn in den Arm nehmen und hochheben bis Hoseoks Füße den Boden nicht mehr berühren würden. Und er würde ihn küssen und ihm sagen das nichtsmehr passieren könnte.

Aber die Tür blieb leer und Hoseok, allein auf dem Boden. Und so würde es von nun an immer sein. Namjoon würde nie wieder kehren. Sie würden sich nie wieder ihre Wünsche erfüllen. Wünsche die sie gemeinsam und gegenseitig erfüllen konnten. Es würde nie zum Kauf einer größeren Wohnung kommen. Nie zu weiteren gemeinsamen Abenden. Nie würden sie durch Läden gehen und kleine Söckchen kaufen, oder Mützchen die so klein waren das gerade so ihre geballte Faust hinein passte.

Stattdessen schlug Hoseok voller angestauter Wut und Verzweiflung und Trauer und Angst, in die Tüte mir den bereits eingepackten Sofakissen. Er würde das Lederstück nicht behalten sondern verschenken. Nicht einmal Geld wollte er für das eigendlich hochwertige Sofa haben. Denn die vielen Stunden, Abende und langen Nächte waren mit keinem Geld auszugleichen. Mit nichts und niemandem bezahlbar.

Nun würde ein anderer Mensch sie erleben dürfen. Aber niemals wollte er für den Nachweis Vergänglichen Glücks auch noch bezahlt werden. Er könnte das erworbene Geld mitnichten sowieso nicht ausgeben. Es würde ihn endgültig zerreißen.

Nochimmer lag das Bild in seiner Hand. Obwohl sein Blick unscharf war, schaute er es sich genau an.
Wie konnte es echt sein? Das war wirklich Namjoon, oder?
Das Foto hielt fest, wie sie vor drei Jahren im Hawai Urlaub auf dem Seegelboot gestanden hatten und strahlten wie die Sonne selbst. Namjoons Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt und sein Mund zu einem breiten Lächeln verzogen. Hoseok schaute ebenso glücklich. Denn das war er gewesen.

Hoseok wusste das sie nicht vom Boot gefallen wären, selbst wenn Windstärke 12 geherrscht hätte, dennoch lag Namjoons Arm beschützen um ihn und hielt ihn nah bei sich. Er hatte sich so sicher in diesen starken Armen gefühlt.

Das Foto zeigte nur eine einzige Sekunde eines 24 Stunden Tages, von denen sie insgesamt 14 auf Hawai verbracht hatten. Und dennoch hing soviel an diesem Bild.
Es zeigte ihm, daß ihre Liebe echt war und das sie zum greifen gewesen war. So wie nicht anderes in dieser Welt.

Hoseok spielte mit den Gedanken, das Bild nicht mit der restlichen Kiste, in Namjoons Heimat Minnesota, zurück zu schicken, sondern mitzunehmen wenn er zwei Tage später nach San José zu seinen Eltern zurückziehen würde.

Er könnte es auf den Schreibtisch stellen. Oder zumindest in eine Schublade legen. Unter sein Kissen.
Irgendwo, Hauptsache nah bei ihm.
Oder sollte er es wegwerfen?
Ja, so war es sicher besser. Was hatte es noch für einen Zweck? Weder in San José noch in Minnesota könnte es Wunden heilen. Also weg damit.

Doch noch immer starrte Hoseok es an. Wie hatte Namjoon ihm das antuhen können? Selbst wenn er wusste, daß niemand für den Unfall verschuldet werden konnte.
Wie hatte er ihn nur zurücklassen können? Womit hatte er es verdient so unter Trauer und unendlicher Einsamkeit zu leiden? Er wollte sofort die Zeit zurückdrehen.
Alle bösen Wörter zurücknehmen die jemals gefallen waren.
Jeden Streit und jede Diskussion verhindern den sie je hatten. Er würde ihm öfter sagen wie sehr er ihn liebte, ihm noch mehr Wertschätzung entgegenbringen, als er es im Wissen wie wertvoll sein Freund gewesen war, sowieso schon getahen hatte.

Wie albern ihm jetzt vorkam das es ihn genervt hatte wenn Namjoon mal wieder vergessen hatte den Müll zu entsorgen. Oder das er nie an den Jahrestag gedacht hatte. Warum hatte ihn das nur geärgert wenn Namjoon die anderen 364 Tage des Jahres ebenso sein Freund war und ihn liebte?

Da war plötzlich soviel, das Hoseok zutiefst bereute. Und doch würde er es niemals ändern können.
Denn Namjoon war fort. Für immer. Nicht bloß aus seiner Welt. Bliebe Hoseok hier, könnte er zu ihm gehen, jeden Tag. Könnte von seinem Tag erzählen, von balanglosem was passierte. Doch das würde ihm das Herz abermals brechen. Es würde ihn brechen.

Jeden Tag an seinem Grab zu stehen, jeden Tag seinen Namen zu lesen.
,,Kim Namjoon."
Jeden einzelnen Tag auf die Zahlen zu starren, die die Daten seiner Geburt und die seines Ablebens wiedergaben.
Als würde er, mit Vorwarnung, ein Messer in ihre Brust gerammt bekommen. Eines mit scharfer Klinge. Schneident und schmerzhaft.

Namjoon war tot. Und es gab nichts das Hoseok tun konnte. Weder für ihn selbst, noch für die trauernde Familie seines verstorbenen Gelibten die in Minnesota auf die Überbleibsel ihres Sohnes, Bruders, und Cousins warteten.
Jeder hatte jemandem in Namjoon verloren als er von ihnen gegangen war.

Nein, Hoseok musste jetzt aufhören Rotz und Wasser zu heulen.
Er musste aufhören sich festzuklammern.
An etwas das garnicht mehr greifbar war. Und vorallem musste er das Bild loswerden.
Gerade als er es in den blauen Müllsack befördern wollte, hielt er erneut inne. Der Rahmen. Der Rahmen sollte nicht weggeworfen werden, er war aus teurem Holz, einer guten Glasscheibe und feinen Applikationen.

,,Das Bild kommt weg, der Rahmen wird mitgenommen. Der kommt in meinen Umzugskarton..." Murmelte er entschlossen und begann mit verklärtem Blick und unaufhörlich zitternden Fingern den Bilderrahmen zu öffnen.

10 Jahre! 10 Jahre hatte er das schönste Leben. Er war glücklich gewesen. Hatte Spaß an dem was er tat, wie er es tat... weil er es mit Namjoon hatte erleben dürfen. Mit seinem Tod war dieses Gefühl ebenfalls aus ihm herausgerissen worden. Und es wollte einfach nicht aufhören zu bluten.

Das Bild fiel heraus auf seinen Schoß und der Rahmen war nun leer. Hoseok hatte inmitten des heißesten Monats des Jahres das Gefühl zu erfrieren. Doch er dachte garnicht erst daran sich etwas wärmendes zu holen. Er musste nun mit dieser Kälte leben. Es würde wohl nie wieder wärmer in ihm werden.

Namjoon war jetzt irgendwo da oben, hoch über deinem Kopf, zwischen den Wolken zu denen er tagtäglich aufblicke. Vielleicht schaute er herunter? Vielleicht ging es ihm dort oben gut. Hoffentlich...
Namjoon war dennoch für alle Ewigkeit fort, während Hoseok in der Kälte seiner Trauer erfrohr, Sekunde für Sekunde ein Stück mehr.

Aber irgendwann... irgendwann würde es zur Gewohnheit werden, Hoseok würde die Kälte nichtmehr dermaßen spüren, und würde wieder halbwegs leben.
Zumindest funktionieren. Das was das Leben, das trotz all dem weiterging, von ihm abverlangte.

Mit diesem Gedanken schmiss Hoseok den Bilderrahmen in den endgültig vollen blauen Sack und legte das Bild sorgfältig zu seinen akribisch gefalteten Hosen in den Umzuggskarton.
Neben die Schatulle mir Namjoons Dosendeckelsammlung für die er Jahre gebraucht hatte, die er so geliebt hatte.

Bts-OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt