Bidziil marschierte unaufhörlich im Wohnzimmer auf und ab. Seine Gedanken wanderten immer wieder zu der für den Nachmittag angesetzten Operation. „Ich hätte da nicht zustimmen sollen", brummte er ungehalten.
„Es ist Magaskawees Entscheidung, Papa." Nizhoni schlang die Arme um das murrende Reptil. Um ihn zu beruhigen, wie er annahm. Er atmete tief durch und tätschelte die Hand seiner Ziehtochter. „Ich weiß, Kleines. Aber ich mache mir Sorgen. Was, wenn ihr ehemaliger Gefährte sie damals zu schwer verletzt hatte und das Austragen eines Welpen zu gefährlich für sie ist? Was, wenn Ah-senos-te etwas bei den Untersuchungen übersehen hat?"
„Es ist alles in Ordnung und das weißt du. Er hat noch eine zweite Meinung der Chenemer eingeholt und Thorianer um Rat gefragt. Du machst dir unnötig Sorgen." Die Basterianerin lächelte zuversichtlich.
Bidziil betrachtete sie nachdenklich. Einst war sie sein kleines Mädchen. Von ihrem Planeten entführt und mit den harschen Lebensumständen auf Chonsana konfrontiert. Dazu bestimmt, eines Tages der größenwahnsinnigen Dezba und ihrem psychisch gestörten Sohn bei der Vernichtung der Panther zu helfen. Seine Pläne, sie in Sicherheit zu bringen, von ebenjenen Basterianern zerstört. Und doch hatte dies einen Wendepunkt in den seit langer Zeit andauernden Feindseligkeiten zwischen den zwei Völkern herbeigeführt. Die Raubkatzen fanden einen Weg aus dem ihnen drohenden Untergang heraus. Erst durch das Heilmittel, dann durch seine Unterstützung bei dem Tod der Herrscherfamilie. Nizhoni hatte sich auch dadurch zu der gutherzigen und emphatischen Frau entwickelt, die sie jetzt war. Eine Luna, auf die ihr Volk mit Stolz blickte und die in wenigen Jahren von ihrem Sohn abgelöst werden würde. Seinem kleinen Schützling Shiye. Der Welpe, den niemand haben wollte. Dabei war er schon damals eine Gabe Bastets gewesen. Genauso wie das Ungeborene, das Magaskawee sich am Nachmittag einpflanzen ließ, ein Geschenk war. Dennoch gefiel es ihm nicht, dass das Weibchen sich in Gefahr bringen und das Kind selbst austragen wollte.
Chu-Lah trat ins Wohnzimmer und unterbrach damit Bidziils Überlegungen. „Ah-senos-te hat sich gerade bei mir gemeldet. Er möchte den Eingriff jetzt schon vornehmen. Ich soll dich zu Magaskawee bringen."
Der Chonsaner knurrte leise. „Fürchtet er etwa, dass sie es sich anders überlegt und er die Operation dann nicht mehr durchführen kann?"
„Nein. Magaskawee hat ihn darum gebeten. Sie kann es kaum abwarten, endlich wieder einen Welpen unter ihrem Herzen zu tragen." Der Alpha lächelte sanft. „Deine Gefährtin freut sich darauf, dein Kind auszutragen."
„Es wäre mir dennoch lieber, wenn sie diesen Schritt nicht gehen würde." Das alte Reptil seufzte schwer. „Ich mache mir Sorgen um sie. Was, wenn es doch zu gefährlich für sie ist?"
„Ah-senos-te wird die Schwangerschaft genauestens überwachen", gab Nizhoni zu bedenken. „Er weiß, was auf dem Spiel steht. Aber wir sollten jetzt aufbrechen. Er meinte gestern noch etwas von einer Überraschung, die er für euch beide hätte."
Widerwillig folgte Bidziil dem Paar nach draußen zum Gleiter. Einerseits wollte er schnellstmöglich an Magaskawees Seite eilen, andererseits fürchtete er, dass er den Arzt von dem Eingriff abhalten würde und damit den Zorn seiner Gefährtin auf sich zog. Sie hatte sich dazu entschieden, das Kind auszutragen. Doch es fiel ihm schwer, ihren Wunsch zu respektieren.
Er nahm auf der Rückbank des Gleiters Platz und starrte zwischen den Sitzen seiner zwei Begleiter hindurch nach vorne. Warum setzte sich das Kenmererweibchen nur dieser Gefahr aus? Den Welpen im Brutkasten großzuziehen, bis er alt genug war, wäre die sicherere Methode. Er schloss die Augen, lehnte sich an den Sitz. Wenn Magaskawee etwas zustieß, würde er es sich nie verzeihen.
Chu-Lah parkte den Gleiter vor dem Gebäude, in dem Ah-senos-te arbeitete. Schweigend fuhren sie zu dritt mit dem Fahrstuhl zur Etage des Arztes. Sie liefen nicht wie geplant zu dem Raum, in dem der Basterianer die Kenmererin operieren, ihr den Welpen einpflanzen würde. Nizhoni führte ihn stattdessen zu dem Labor, in dem die Brutkästen standen. Vier von ihnen leuchteten im sanften Licht. Das Zeichen, dass Leben in ihnen wuchs. Abrupt blieb Bidziil stehen und blinzelte. Was hatte das zu bedeuten?
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Der Kenmerer
FantasíaErwartungen, Erwartungen, Erwartungen. Diese kennt Inola zur Genüge. Ihre Eltern, ihr Lehrer und alle Bewohner ihres Planeten erwarten von ihr, dass sie als erstes Alphaweibchen seit Generationen in die Fußstapfen ihres Vaters tritt. Doch fragt jema...