Kapitel 16

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Nachdem wir den Laden verlassen hatten, liefen wir noch ein wenig durch die Stadt. Louis war wieder etwas ruhiger geworden. Die neuen Klamotten waren aus seiner Sicht doch sehr teuer und er fühlte sich nicht wohl dabei, dass ich sie ihm gekauft hatte. Aber derzeit hatte er nun mal keine Wahl.

„Wollen wir noch etwas Essen gehen?", fragte ich, denn mein Magen machte sich langsam bemerkbar.
„Klar, wo willst du hin?"
„Ich habe da so eine Idee." Ich schnappte mir seine Hand und bog um ein zwei Ecken und mit einem Mal blieb er wie angewurzelt stehen.
„Nein, vergiss es", sagte er.
„Ach, komm schon. Maria wird ausflippen, wenn sie dich sieht. Sie fragt immer nach dir." Ich wies mit dem Kopf in die Richtung, aber er verneinte wieder. Er wand seine Hand aus meiner, was mir überhaupt nicht gefiel und sein Gesichtsausdruck veränderte sich.

„Können wir auch wo anders hingehen?" Genervt sah er mich an. Maria war die Besitzerin unserer Lieblingspizzeria, in der wir früher ständig waren. Ich verstand nicht, warum er dort nicht hingehen wollte.
„Wieso?"
„Ich habe eben keine Lust auf Pizza."
„Seit wann? Damals wolltest du dich ausschließlich davon ernähren", gab ich lachend zurück.
„Harry, bitte." Er drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Schnell ging ich ihm hinterher.

„Auf was hast du Lust?", wollte er nach einer Weile wissen, nachdem wir genügend Abstand zu Marias Pizzeria hatten.
„Sushi." Es war das Erste, was mir einfiel. Und er hasste Sushi, zumindest früher. Einmal hatte er mich aus dem Auto geworfen, als ich eine Schale mit diesem ekeligen Zeug, seine Worte, nicht meine, mit in sein Auto brachte. Ich musste es auf dem Bürgersteig essen, bei eisigen Temperaturen, da er mich sonst nicht wieder mit nach Hause nehmen wollte. Danach redete ich eine Woche nicht mit ihm und das Thema Sushi kam nie wieder auf den Tisch.

„Okay", antwortete er.
„Echt jetzt? Ich dachte, du schubst mich jetzt vor ein fahrendes Auto?"
„In L.A. habe ich das ein paar Mal gegessen. Ist gar nicht so ..." Das letzte Wort ließ er offen. Skeptisch betrachtete ich ihn, aber gut, wenn er meinte, das wäre besser als bei Maria zu essen, bitte schön.

Wir betraten eine kleine Sushi-Bar und setzten uns an einen Tisch am Fenster. Ich nahm die Karte und blätterte darin herum. Louis ignorierte die Karte und beobachtete die Leute, die auf der Straße entlangliefen. Er wollte nicht hier sein, das sah ein Blinder.

„Sag mir die Wahrheit. Warum wolltest du nicht zu Maria? Und erzähl mir nicht, dass du auf Sushi stehst."
„Warum nicht? Kann ich mich denn kulinarisch nicht weiterentwickelt haben?"
„Du? Nein." Er sah auf den Tisch und knetete wieder seine Finger. Ich griff nach seinen Händen und hielt sie fest.

„Du weißt, dass meine Eltern auch öfters dort Essen gehen. Ich möchte nicht, dass Maria ihnen erzählt, dass sie mich gesehen hat. Das würde ... es ist kompliziert."
„Verstehe", entgegnete ich, obwohl ich gar nichts verstand. Aber er sah so traurig aus, dass es mir mein Herz zusammenzog.

„Du magst jetzt also dieses ekelige Fischzeug, so wie du es früher genannt hast?"
„Mögen ist wohl etwas übertrieben."
Ich grinste ihn an. „Na dann, was möchtest du?"
„Bestell einfach irgendwas." Ich ließ seine Hände los und wählte ein paar verschiedene Sachen aus.

„Danke Harry, dass du nicht weiter gefragt hast", sagte er, nachdem der Kellner unsere Bestellung aufgenommen hatte.
„Ich warte allerdings immer noch darauf, dass du es mir erzählst."
„Ja, ich weiß, und ich werde es auch tun. Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit." Ich nickte ihm zu und streichelt seinen Handrücken. Er sah auf unsere Hände und ein scheues Lächeln huschte über sein Gesicht.

Es dauerte nicht lang und der Kellner brachte uns das Essen. Louis starrte auf die Teller und sah etwas angewidert aus. Ich biss mir auf die Lippe, denn sonst hätte ich laut losgelacht. Er hatte seine Gründe nicht in die Pizzeria zu gehen, aber es musste auch nicht unbedingt Sushi sein. Alles andere wäre auch okay gewesen, aber er wollte mir wohl einen Gefallen tun.

„Nimm dir was. Sieh mal, dass schmeckt lecker", sagte ich und deutete auf eine kleine Rolle mit Avocado, Fisch und Reis. „Und wenn du magst, kannst du es noch etwas in Wasabi tunken, ist aber scharf."

Er nahm die Stäbchen und balancierte die Rolle etwas ungelenk zu der kleinen Schüssel. Es rutschte ihm weg und landete darin, sodass die grüne Soße über den Rand schwappte.

„Oops" murmelte er und fischte es wieder heraus. Es sah echt zum Schießen aus. Er war hochkonzentriert und ehe ich ihm sagen konnte, dass er es liegen lassen sollte, da es wahrscheinlich nun viel zu scharf war, steckte er es blitzartig in den Mund. Meine Augenbrauen schossen nach oben, denn das würde zweifelsohne weh tun. Es dauerte nur ein paar Sekunden ...

„Oh Gott, ist das scharf. Fuck ..." Er kaute etwas hektischer und griff nach seinem Wasserglas. Tränen schossen ihm in die Augen und er rang nach Atem.
„Ist alles okay?"
„Ja, doch, ist gut. Ich meine, so schmecke ich wenigstens nicht den rohen Fisch."

Ich begann zu lachen, während er sich mit seinem Pullover die Tränen aus dem Gesicht wischte. Wie er so da saß, mit nassen Augen, einer laufenden Nase, fluteten auf einmal jede Menge Gefühle meinen Körper, die ich nicht alle benennen konnte. Er sah gerade sehr verletzlich aus, aber auch so wunderschön. Ich wollte ihn in den Arm nehmen, ihn küssen und ihn beschützen. Lächelnd streckte ich meine Hand nach seinem Gesicht aus. Ganz sacht glitten meine Finger über seine Wange. Er sah direkt in meine Augen und ich verlor mich darin. Was war das nur mit uns?

Ich aß das meiste von dem Sushi allein und Louis hatte wahrscheinlich genug davon, für den Rest seines Lebens. Wir liefen zur Subway und ich konnte mir nicht verkneifen seine Hand zu halten. Das Gefühl, was ich dabei verspürte, war einfach zu schön, um darauf zu verzichten. Unterwegs kaufte ich Louis noch ein Stück Pizza und er verschlang es regelrecht. So viel dazu, er hatte keine Lust auf Pizza. Das und dieser süße Kaffee zählten zu seinen Grundnahrungsmitteln.

Als wir in meinem Appartement ankamen, war es schon später am Abend. Die Sonne ging gerade unter.
„Wollen wir noch etwas auf die Terrasse gehen?", fragte ich Louis.
„Ja gern, aber ich brauche erst eine Dusche."
„Ich auch." Louis stand da, hob eine Augenbraue und sah mich an.
„Ähm ... also ... ich habe ... zwei Bäder", stotterte ich.
„Wieso? Ich habe dich schon oft genug nackt gesehen." Was? Wann? Wo? Schockiert blickte ich ihn an.

„Na ja, nach dem Training ...", beantworte er meine stumme Frage. Er grinste frech und stieg die Treppe nach oben. Er wollte doch nicht ... nein ... also das wäre doch etwas zu verrückt.

Kurze Zeit später kam er frisch geduscht wieder ins Wohnzimmer, während ich auf der Couch saß und meine Emails vom heutigen Tag durchsah. Dabei hatte ich die Zeit vergessen und war noch nicht im Bad gewesen. Ich sah zu ihm auf. Seine Haare waren nach hinten gekämmt und er trug eine kurze Hose und ein Shirt von mir. Er sah unverschämt gut aus.

„Ich habe dich unter der Dusche vermisst", sagte er und zwinkerte mir zu. „Das war ein Scherz, Harry. Jetzt schau nicht so."
„Bin gleich wieder da." Hektisch stand ich auf und ging ins Bad. Ich brauchte jetzt eine kalte Dusche. Er machte mich ganz wuschig.

Armer Harry 😅

High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt