Kapitel 57

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Vollkommen erstarrt stand ich da und mein Herz wummerte in meiner Brust. Mein Vater war nur zwei Meter von uns entfernt und sah mich verwirrt an. Ich hielt immer noch Louis Hand und spürte, wie er langsam aber sicher meine Finger zerquetschte. Was sollte ich jetzt tun? Wegrennen? Verstecken? Mich in Luft auflösen? Während ich noch darüber nachdachte, kam mein Vater einen Schritt näher.

„Louis, bist du das?"
„Hi", sagte er mit zitternder Stimme und rang sich ein trauriges Lächeln ab.
„Dad ... ich kann ... dir das erklären", hörte ich mich sagen, obwohl meine Stimme mir in diesem Moment selbst fremd vorkam. Er sah mich wartend an und legte den Kopf schief. Leider fiel mir nichts ein, wie ich aus dieser Situation herauskam. Hatte er gesehen, wie ich Louis einen Kuss gab? Gott, ich kam mir gerade vor, als hätte man mich beim Spicken in der Anwaltsprüfung erwischt. Ich stand unter Schock. Zum Glück war meine Mutter nicht bei ihm. Aber war sie vielleicht in der Nähe?

„Was tust du hier?", fragte ich und räusperte mich.
„Ich habe einen Termin mit einem Mandanten. Harry, ich versteh das hier nicht." Seine Augen huschten zwischen uns hin und her.

„Ich lass euch mal allein", sagte Louis leise. Kurz überlegte ich, ob ich ihn aufhalten sollte, aber dann ließ ich seine Hand los. Der Blick meines Vaters entging mir dabei nicht. Louis blieb in der Nähe stehen und lehnte sich dann an eine Hauswand. Ich sah ihm nach und war heilfroh, dass er nicht Hals über Kopf davonstürmte.

„Ich dachte, du konntest nichts über Louis herausfinden?" Eine berechtigte Frage.
„Dad, es ist kompliziert", antwortete ich und fuhr mir durch meine Haare.
„Das scheint mir auch so", bemerkte er.
„Ich kann dir nicht sagen, wieso er in New York ist. Er will es nicht und ich respektiere seine Entscheidung." Mein Dad nickte bedächtig.

„Weiß er, dass seine Mutter sich Sorgen macht?"
„Ja, sicher und er hat sich bei ihr gemeldet. Bitte Dad, behalte es für dich, dass du ihn gesehen hast." Wieder drehte ich mich zu Louis, nur um mich zu vergewissern, dass er noch da war.
„Okay, ich werde nichts sagen." Dankbar lächelte ich ihn an, aber er hatte noch eine Menge Fragen. Dass sah ich an seiner gefalteten Stirn.

Allerdings wusste ich nicht, wie ich dieses Gespräch nun weiter bestreiten sollte. Betreten schaute ich zu Boden und hoffte, er würde noch etwas sagen. Und das tat er dann auch.
„Harry, ich muss los. Lass uns in den nächsten Tagen mal Essen gehen und reden." Kurz sah er hinüber zu Louis und ich fühlte mich einfach nur schrecklich. Mein Lügengebilde fing an zu bröckeln.
„Ja, gern. Ich rufe dich an." Er drückte meine Schulter und verabschiedete sich.

Das war doch jetzt nicht wirklich passiert, oder? Ich blickte ihm noch eine Weile hinterher, bis Louis mich sanft am Arm berührte.
„Fuck." War das Erste was mir über die Lippen kam.
„Tut mir leid", entgegnete er.
„Louis, wir können nicht einfach so durch die Stadt laufen. Wenn du nicht willst, dass deine Eltern oder, wie in diesem Fall mein Vater uns sehen, müssen wir ..." Er unterbrach mich.
„Ich mich verstecken. Tolle Idee." Verständnislos blickte ich ihn an.

„Wie wäre denn deine Lösung? Ich wollte eigentlich nicht, dass mein Vater uns küssend mitten in New Yorks Straßen erwischt."
„Und ich wollte mich nicht jetzt schon fühlen, wie in einem Gefängnis. Aber du hast recht. Ich werde nach der Arbeit jetzt immer brav in dein Appartement gehen und mich verbarrikadieren." Der Sarkasmus war nicht zu überhören.

„Wir sollten einfach besser aufpassen", lenkte ich ein, denn sein Argument, war nicht von der Hand zu weisen.
„Lass uns gehen", beschloss er und steckte seine Hände in die Taschen. Langsam folgte ich ihm und musste mir überlegen, was ich meinem Vater erzählte. Sicherlich ließ er sich nicht lang vertrösten. Wenn ich von ihm verlangte, dass er meine Mutter anlog, musste ich ihm auch die Wahrheit sagen. Zumindest Teile davon.

High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt