Kapitel 38

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Wir konnten nicht aufhören uns zu küssen. Mittlerweile lag Lou auf mir und ich hielt sein Gesicht fest in meinen Händen. Ich wollte mich nicht von seinen Lippen trennen. Diese Erdbeergeschichte war absurd und wir wussten wohl beide ganz genau, was es zu bedeuten hatte. Aber noch schien keiner von uns so weit zu sein, es aussprechen zu können. Aber machte es denn einen Unterschied?

Irgendwann löste sich Lou von mir und sah mich an. Er atmete schwer und seine Augen verschlangen mich regelrecht. Wieder attackierte er meine Lippen und flüsterte, „Ich will mit dir schlafen." Sofort unterbrach ich den Kuss und starrte ihn an.

„Was ... jetzt?" Meine Stimme schoss quietschend in die Höhe.
„Nein ... ich ... tut mir leid." Er sah etwas verlegen aus und setzte sich neben mich und ich blickte an die Decke. Gerade konnte ich ihn nicht ansehen. Wollte ich das auch?

„Ich habe darüber nachgedacht und ich ... Hast du nicht ...?", unterbrach er meine Gedanken.
„Doch ... schon irgendwie, aber ... nicht im Detail." Ich erinnerte mich an den Moment im Fahrstuhl, als ich Sex im Büro für eine ganz gute Idee hielt. Aber das war eher nur Blödsinn. Ich konnte nicht leugnen, dass ich permanent mit ihm zusammen sein wollte, auf jede erdenkliche Art und Weise. Aber ... Sex? Richtigen Sex? Keine Ahnung ...? Und würde mir das überhaupt gefallen?

„Ist alles okay?", fragte Lou und lächelte mich unsicher an.
„Ja. Ich weiß nur nicht, ob ich dazu schon bereit bin."
„Wir müssen nichts tun, was du nicht willst." Behutsam küsste er meine Wange.
„Ich meine ... ich ... wie soll das funktionieren? Mir ist schon klar, wie es in der Theorie von statten geht, aber ..." Gott, was redete ich denn da für einen Stuss?

Schmunzelnd blickte Lou mich an.
„Du brauchst also Anschauungsmaterial?"
„Was? Willst du etwa einen Porno ...? Nein, vergiss es. Ich schaue doch nicht zwei Typen dabei zu, wie sie ..." Ich stoppte und sah wohl etwas entsetzt aus, was ihn auflachen ließ.

„Du machst dich lustig über mich."
„Nein, aber wir sind nun mal auch zwei Typen, die ..."
„Das ist etwas vollkommen anderes", stellte ich klar und fiel ihm damit ins Wort.
„Natürlich ist es das." Lou nickte und grinste dabei breit.
„Vielleicht können wir es googlen? Was hältst du davon?" Ich zog mir die Decke über den Kopf und wollte ehrlich gesagt nicht mehr darüber sprechen.

Die Matratze bewegte sich und ich linste eine Minute später unter der Bettdecke hervor. Ich sah, wie Louis auf seinem Handy herumtippte und dann las er etwas.
„Ahh ... okay ... mmh ...", machte er zwischendurch und nun siegte meine Neugier und ich setzte mich auf.

„Und?", wollte ich wissen.
„Soll ich es dir vorlesen?", fragte er und drehte seinen Kopf zu mir.
„Nein. Das kann ich selber." Er reichte mir das Handy und ich scrollte durch den Text und als ich fertig war, legte ich es beiseite.
„Mmh ... eindeutig benötigt man viel Gleitgel", fasste ich den Artikel kurz und knapp zusammen.

Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass ich ein gewisses Kribbeln verspürt hatte. Aber welchen Part würde ich denn übernehmen wollen? Und was wollte Lou?
„Lass mich bitte wissen, was du denkst", sagte er und lehnte sich an meine Schulter.
„Ich denke, dass ich nicht weiß, was ich darüber denken soll", gab ich ihm zur Antwort.
„Ist doch okay. Ich wollte eigentlich nicht so damit herausplatzen. Tut mir leid."
„Muss es nicht. Gib mir ein bisschen Zeit, um ..." Ich hielt inne und spielte an der Bettdecke herum.

„Um ...?", fragend hob er die Augenbrauen und sah mich an.
„... um ... was ... also ... wie, würdest du es ... ich meine ..." Warum konnte ich ihn nicht fragen, was er bevorzugen würde? War doch nun nicht so schwer. Aber ich brachte es einfach nicht über die Lippen. Er schob seine Finger zwischen meine gefalteten Hände und ich hielt sie automatisch fest und blickte in seine strahlenden Augen. In meinem Magen tanzten wieder mal die Schmetterlinge unaufhörlich im Kreis und dann küsste er mich und flüsterte,
„Mir ist es ehrlich gesagt egal. Ich will dich spüren ... und dir so nah wie möglich sein." Nachdem er das gesagt hatte, konnte ich den Kuss nicht mehr erwidern. Seine Worte klangen in meinem Kopf nach und mit einem Mal erschienen Bilder vor meinem inneren Auge, die mich vollständig aus dem Konzept brachten. Scheiße ...

Als ich nach einer Weile wieder zu mir gefunden hatte und sich meine Gedanken nicht mehr nur noch darum drehten, wie es sich anfühlen würde, mit ihm zu schlafen, entschieden wir das Bett zu verlassen. Wir schlenderten Hand in Hand die Straße entlang und genossen es einfach zusammen zu sein. Es waren diese kleinen Dinge, die mein Herz immer wieder ins Schleudern brachten. Zum Beispiel, wenn er mit seinem Daumen über meine Hand strich oder über einen meiner selten dämlichen Witze lachte. Er beim Laufen seinen Kopf an meine Schulter lehnte oder mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange gab.

Vor einem Kaffee blieben wir stehen und Lou ging hinein. Ich sah ihm dabei zu, wie er die Bestellung aufgab und sich freundlich mit einer älteren Dame unterhielt, die Probleme bei der Auswahl ihres Getränks hatte. Zwangsläufig lächelte ich. Er machte mich glücklich. Seit wir zusammen waren, gab es tatsächlich wieder Wochenenden für mich. Zuvor hatte es mich nicht interessiert, wann ich arbeitete. Aber jetzt wollte ich Zeit mit ihm verbringen und es war mir egal, ob gerade die Welt einstürzte. Na ja, nicht vollständig ... später würde ich definitiv noch meine Emails checken, da ich noch auf eine Rückmeldung von Rick wartete. Er sollte etwas in einem neuen Fall für mich recherchieren.

Mit einem dampfenden Kaffee kam Louis auf mich zu.
„Hier", sagte er und überreichte mir den Becher.
„Danke."
Wir liefen ein paar Schritte schweigend nebeneinander her und irgendwie ließ mir das Thema, welches wir vor einiger Zeit führten, keine Ruhe. Ich sollte mich dringend auf etwas anderes konzentrieren.

„Mit wem hattest du eigentlich dein erstes Mal?", fragte ich plötzlich und war mindestens genauso überrascht wie Louis, der sich prompt verschluckte und anfing zu husten.
„Wie kommst du denn jetzt darauf?" Keine Ahnung. Ich zuckte nur die Schultern und wartete auf seine Antwort.

„Du kennst sie nicht", sagte er knapp.
„Ich kannte alle deine Freundinnen. Welche war es?"
Da er nicht gleich mit der Sprache rausrückte, versuchte ich mich an den Namen meiner ersten sexuellen Erfahrung zu erinnern. Es lag mir auf der Zunge ... irgendwas mit S ... Su ... Si ... So ...

„Jetzt sag nicht, dass du dich nicht mehr daran erinnerst, wer dir deine Jungfräulichkeit genommen hat?", fragte er und sah mich belustigt an. „Du hast schon wieder dein grübelndes Gesicht aufgesetzt."
„Doch schon, aber mir fällt ihr Name nicht mehr ein", musste ich gestehen.
„Samantha", teilte Louis mir mit.
„Samantha ... stimmt. Ich wusste doch, es war was mit S. Wieso erinnerst du dich an sie?"

„Du hast mir so oft davon erzählt, sehr detailliert, möchte ich noch erwähnen, dass ich nach dem hundertsten Mal das Gefühl hatte, ich wäre selbst dabei gewesen", lachte er.
„Echt jetzt? Sorry", sagte ich und zog die Nase kraus. Peinlich.
„Und jetzt du", forderte ich.
„Jasmin."
„Der Name sagt mir gar nichts." Ich kratzte mich am Kopf, aber es blieb dunkel in meinem Hirn.
„Ich habe sie an der Uni kennengelernt." Angestrengt musterte er seinen Kaffeebecher.
„Okay ... ich nahm an, dass du ..." Abrupt fiel er mir ins Wort.
„Nein. Wie auch? Ich hatte ja nur Augen für dich", entgegnete er.
„Oh Lou ... Es tut mir leid?" Ich formulierte es eher als Frage, da ich nicht wusste, ob ich mich dafür entschuldigen sollte.

„Wieso? Komm, lassen wir das Thema. Das nervt geradezu, da ich schon wieder dein Geplapper von dieser besagten Nacht in meinem Kopf höre. Ich will nicht daran denken, da bekomme ich gleich eine Gänsehaut. Siehst du?" Er deutete auf seinen Arm und tatsächlich, standen ihm die Haare zu Berge.
„Okay, okay, wir werden nie wieder darüber reden."
„Gott sei Dank", sagte er und blickte dabei in den Himmel. Ich legte meinen Arm und seine Schulter und zog ihn an mich und küsste seinen Kopf.

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High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt