Kapitel 42

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Nach dem Gespräch mit Tom entschied ich mich, Louis nicht mehr mit Fragen zu bombardieren, was in den letzten Jahren geschehen war. Es war Vergangenheit und weder er noch ich konnten daran etwas ändern. Ich sollte mich ausschließlich auf seinen Fall konzentrieren.

Es dauerte allerdings drei Tage, bis ich Louis wieder zu Gesicht bekam. Vielleicht lag es auch daran, dass ich immer spät nach Hause kam, aber ich hatte eine Menge Termine und musste mich durch diverse Schriftsätze kämpfen. Auch wusste ich langsam nicht mehr, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Also saß ich es aus.

Donnerstagabend lag ich im Bett und konnte nicht schlafen. Er fehlte mir mittlerweile so sehr, dass ich mir sein Kissen nahm und es fest an mich drückte. Ich steckte meine Nase hinein, denn es roch noch nach ihm. Plötzlich schwang die Tür zum Schlafzimmer auf und ich hob meinen Kopf und sah ihn an, aber es war zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen.
„Harry ... ich ... kann ich ...?"

„Komm her", sagte ich sofort und in einem Sekundenbruchteil war Louis bei mir und warf sich quasi in meine Arme. Sein Körper bebte regelrecht und ich war einen Moment überfordert, bevor ich ihn ganz fest umarmte. Er fing an zu weinen und ich strich im beruhigend über den Kopf. So konnte das doch nicht weitergehen? Er brauchte Hilfe und wenn ich sie ihm nicht geben konnte, dann musste es jemand tun, der sich damit auskannte.

„Alles ist gut", flüsterte ich ihm immer wieder zu.
„Sie sind wieder da ...", schluchzte er. „Sie tun mir weh."
„Wer tut dir weh?", fragte ich, aber eine Antwort blieb er mir schuldig, sondern klammerte sich noch mehr an mich.
„Lou, niemand wird dir jemals wieder weh tun, hörst du? Das lasse ich nicht zu." Ich küsste seine Wange und spürte das er nickte.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis das Weinen nachließ und er ruhiger atmete.

„Schlaf. Ich bin hier. Schlaf ...", sagte ich leise und irgendwann bewegte er sich nicht mehr. Wieder begann ich mir Vorwürfe zu machen, dass ich ihn allein gelassen hatte. Aber das würde nicht nochmal passieren. Egal, wie oft wir uns noch stritten oder er mich von sich wegstieß. Er brauchte mich und ehrlich gesagt, brauchte ich ihn auch.

***

„Guten Morgen", brummte ich, als ich meine Augen öffnete und Lou mich ansah.
„Hast du ein wenig geschlafen?", wollte ich wissen. Seine Augen waren rot und verquollen und seine Wangen wirkten ganz eingefallen.
„Ja, besser als die letzten Nächte", antwortete er.
„Wieso bist du nicht zu mir gekommen?"
„Weil ich mich dir gegenüber mal wieder, wie ein Arsch benommen habe. Es tut mir leid", sagte er und drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge.

„Mir tut es auch leid. Ich hätte dich nicht übergehen dürfen. In dem Moment dachte ich, es wäre eine gute Idee, aber du hast recht, ich habe keine Ahnung davon, warum du nicht mehr zurück in diese Branche willst ..."
„Harry, ich ..."
„Warte ... ich will dir nur sagen, dass es okay für mich ist, wenn du nicht darüber reden willst. Ich würde gern wissen, warum es dir so schlecht geht, aber ich akzeptiere es, wenn du es für dich behalten willst."
„Danke", wisperte er.

„Aber ich möchte, dass du übernächste Woche in die Kanzlei kommst und wir deinen Fall vorbereiten. Die Zeit vergeht schnell und ich möchte dich auf den Prozess vorbereiten. Ich will nicht, dass mir etwas entgeht. Versprich mir, dass du mit mir arbeitest, nicht gegen mich."
„Ich weiß nicht ... ob ich ..."
„Versprich es mir, Lou", sagte ich nun etwas bestimmter. Es musste doch endlich mal in sein Hirn eindringen, dass es um sein weiteres Leben ging.
„Ja, ich verspreche es."
„Gut. Du kannst dich nicht davor verstecken. Der Tag der Verhandlung kommt, ob wir es nun wollen oder nicht", erklärte ich ihm noch einmal mit Nachdruck.
„Okay."

Gerade hatte ich mich wieder an ihn gekuschelt, da klingelte mein Handywecker. Ich griff hinter mich und schaltete es aus.
„Fährst du in die Kanzlei?", fragte Louis mich und bei seinem Anblick blutete mir das Herz.
„Nein, nicht unbedingt. Ich habe heute keine Termine. Nur ein paar Telefonate, aber die kann ich auch von zu Hause aus führen." Er schniefte und wischte sich eine Träne weg, die über seine Wange kullerte.

High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt