Kapitel 15

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Ich brauchte zwei Stunden, um meine Emails zu beantworten und noch einige Telefonate zu führen. Zum Glück war es heute etwas ruhiger. Tom schrieb ich, dass ich mir den Nachmittag frei nahm. Ich lehnte mich zurück und genau in dem Moment erschien Louis.
„Hast du auf der Treppe gelauert, bis ich fertig bin?", fragte ich ihn lachend.
„Nein. Purer Zufall. Ich wollte mir nur einen Kaffee machen. Du auch?"
„Ich dachte, wir fahren jetzt los. Lass uns unterwegs einen Kaffee holen."
„Klar, wenn du willst."

Ich stand auf und ging nach oben und zog meinen Anzug aus. Den trug ich zur Arbeit, aber nicht in meiner Freizeit. Eine Jeans und ein lockeres Hemd, etwas Parfüm, ein paar Turnschuhe und schon war ich fertig. Ich lief langsam die Treppe nach unten, da ich nebenbei noch eine Nachricht tippte und nicht fallen wollte. Als ich diese versandt hatte, hob ich meinen Kopf und Louis stand angelehnt an der Tür und sah mich an. Nein, er musterte mich eher und ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. So wie seine Augen über mich glitten, wurde mir schlagartig heiß. Am liebsten hätte ich ihn jetzt geküsst, aber wir hatten etwas anderes vor. Und ich war mir nicht sicher, ob es nur bei einem Kuss geblieben wäre. Meine Gefühle waren derzeit schwer zu bändigen, wenn er in meiner Nähe war.

Er öffnete die Haustür und ließ mich in die Sonne treten. Zum Glück war es heute nicht zu warm. Wir liefen zur Bahnstation, denn ich hatte keinerlei Ambitionen mit dem Auto zu fahren und im Stau zu stehen. Wir mussten nicht lang warten und zu meiner Überraschung war Louis heute nicht so still wie sonst. Sobald die Bahn sich in Bewegung gesetzt hatte, sprudelten die Worte nur so aus seinem Mund. So wie früher. Er war nie einer von der stillen Sorte. Viel sprach er über unsere gemeinsame Schulzeit und welchen Blödsinn wir angestellt hatten. Wir lachten die ganze Fahrt über und ich genoss es ihn so zu sehen.

„So, jetzt will ich aber einen Kaffee", verkündete Louis und streckte sich, wobei sein Shirt etwas nach oben rutschte und ich seinen Bauch sehen konnte. Es war nur eine Sekunde, aber tatsächlich hatten sich meine Augen dahin verirrt. Louis bekam davon nichts mit, denn er sah sich um und packte dann plötzlich meinen Arm und zog mich hinter sich her. Jetzt wusste ich, wo er hinwollte. Wie konnte ich das nur vergessen?

„Ich hätte gern einen Caramell Macciato in Venti. Was willst du?", fragte er, nachdem er sich einen halben Eimer süßen Kaffee bestellt hatte.
„Nur Kaffee, schwarz."
„Oh, du bist so ein Spielverderber", entgegnete er.
„Okay, dann so einen Eistee da", sagte ich und deutete auf ein Schild, wo ein Becher mit rotem Inhalt abgebildet war. Louis orderte mein Getränk und während er mich wieder mal damit aufzog, dass ich noch nie einen süßen Kaffee getrunken hatte, griff er in seine Hosentasche und verstummte plötzlich. Ich quatschte einfach weiter, bis ich bemerkte, dass die Dame an der Kasse auf ihr Geld wartete. Ich schaltete leider einen Moment zu spät. Klar, Louis war pleite. Ich legte schnell ein paar Dollar auf den Tresen und nahm meinen Tee. Mit gesenktem Kopf verließ er den Starbucks. Verdammt, dass ging ja gut los.

„Alles in Ordnung?"
„Ja, geht schon. Ich meine, ich sollte es langsam gewöhnt sein, dass ich nichts mehr habe und das Gericht mein Konto immer noch nicht wieder freigegeben hat. Nicht, dass sich darauf viel befindet, aber wenigstens hätte ich dich auf einen Kaffee einladen können oder dieses Zeug da." Er deutete auf meinen mit Eiswürfeln gefüllten Becher, die in einer roten Brühe schwammen.
„Ich kümmere mich morgen darum."
„Nein, dass musst du nicht."
„Warum nicht? Ich bin dein Anwalt." Ich zuckte mit den Schultern und Louis lächelte.

„Komm, lass mich mal dieses süße Zeug da kosten, was du dir schon seit Jahren reinziehst." Er grinste und reichte mir seinen Becher. Ich wollte die schlechte Stimmung vertreiben und was Besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein.

„Hier, probiere das." Ich hielt ihm meinen Strohhalm unter die Nase und er schüttelte nur den Kopf.

„Mach schon", forderte ich ihn auf. Er legte seine Lippen um den Strohhalm und saugte daran. Seine Wangenknochen stachen hervor und was sich in dem Moment in meinem Kopf abspielte, war nicht angebracht. Schnell versteckte ich mein Gesicht hinter diesem absurd großen Kaffeebecher.

„Ist gar nicht so schlecht", urteilte er. Ich linste hinter dem Becher hervor und er sah mich fragend an.
„Was tust du da?"
„Ach nichts", antwortete ich und nahm einen Schluck Kaffee. Oh Gott, war das furchtbar. Das er über die Jahre noch keinen Zuckerschock erlitten hatte, war mir ein Rätsel.
„Lou, das ist wirklich ... bähhh ... wie kannst du das nur trinken?" Er fing an zu lachen und nahm mir dieses Gebräu wieder ab.

Gemeinsam schlenderten wir die Straße entlang und ganz plötzlich berührte er meine Hand. Beim ersten Mal schenkte ich dem keine Aufmerksamkeit, denn es passierte durchaus, wenn man neben jemandem herlief, dass man sich mal versehentlich zu nahekam. Kurze Zeit später, spürte ich allerdings seine Finger, wie sie nach meiner Hand griffen. Er sah dabei aber weiterhin nach vorn und redete von irgendeinem Footballspiel aus der Highschool.

Ganz leicht schielte ich zu ihm rüber, aber er tat so, als wäre nichts. Dann schob er seine Finger zwischen meine und ganz automatisch hielt ich sie fest. Ein Schwarm an Schmetterlingen machte sich auf den Weg, um von meinem Bauch in den Rest meines Körpers zu flattern. Auf dieses Gefühl war ich allerdings nicht vorbereitet. Es fühlte sich überwältigend an. Wann hatte ich so etwas das letzte Mal empfunden? Es war definitiv schon länger her. Keiner von uns kommentierte diese Handlung und wir gingen einfach weiter. Immer mal wieder ließ Louis seinen Daumen leicht über meine Hand fahren und löste damit jedes Mal ein neues Kribbeln in mir aus.

Nach ein paar Minuten fühlte es sich einfach nur gut an. Ich wollte seine Hand auch gar nicht mehr freigeben. Endlich waren wir bei dem Laden angekommen, in dem ich für Louis ein paar Klamotten kaufen wollten.
„Ich dachte, wir holen dir hier ein paar Sachen", sagte ich und blieb vor dem Geschäft stehen.
„Harry, das muss nicht sein. Wir finden etwas Günstigeres."
„Nein. Komm schon." Da ich immer noch seine Hand hielt, zog ich ihn einfach hinter mir her. Drin angekommen, ließ ich sie allerdings los, da ich die Kleiderständer durchforsten wollte. Er brauchte mal mindestens zwei Hosen, zwei Pullover, Shirts ... Ich stapelte alles auf meinen Arm und brachte es zu ihm.

„Das ist viel zu viel", brachte er heraus und sah mich leicht irritiert an.
„Ach Quatsch. Da hinten sind die Kabinen. Probier es an." Er verdrehte die Augen, nahm mir den Stapel ab und verschwand.
Nach einer Weile kam er wieder heraus und ich nickte ihm zu.
„Viel besser. Jetzt ertrinkst du nicht mehr in meinen Sachen." Die Jeans, die er trug, war recht eng geschnitten und sie betonte seinen Po. Oh Mann, ich starrte tatsächlich auf seinen Hintern.

„Kannst du mir kurz helfen?", fragte er plötzlich und ich ging zu ihm.
„Wieso, was ist?" Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da packte er meinen Hemdkragen und zog mich mit sich in die Kabine. Ich stolperte über meine eigenen Füße und fing mich mit den Armen an der Wand hinter uns auf. Eingekesselt von mir stand er nun da.

„Das wollte ich schon immer mal tun", flüsterte er und gab mir auf einmal einen Kuss. Ich brauchte nur eine Sekunde, um meine Hand an seinen Hinterkopf zu legen und umschlang ihn mit meinem anderen Arm. Meine Zunge glitt in seinen Mund und er empfing sie mit einem leisen Seufzen. Wir hielten uns nicht zurück und ich drückte ihn irgendwann an die hintere Kabinenwand. Meine Hand fuhr nach unten bis zu seinem Po. Gott, er war echt scharf in dieser Hose.

„Entschuldigen Sie bitte, ich habe hier die Schuhe, die sie wollten in der richtigen Größe", hörte ich auf einmal die Verkäuferin und löste mich ruckartig von ihm. Einen Moment sah es so aus, als würde er gleich zusammensacken, blieb aber dann doch stehen.

„Ja, danke", sagte ich und trat aus der Kabine heraus. „Ich finde, du solltest die Hose nehmen." Verlegen zupfte ich an meinem Hemd herum. Der Vorhang der Kabine war nicht geschlossen und ich war mir nicht sicher, ob die Verkäuferin uns gesehen hatte.

„Ja, finde ich auch", stellte sie fachmännisch fest und drückte mir die Schuhe in die Hand. „Sie betont ihre schlanke Figur."

Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Definitiv." Ich biss mir auf die Lippe und Louis Augen strahlten mich an. Dann zog er den Vorhang zu und ich ließ mich auf einen Sessel fallen und atmete tief durch, um wieder runterzukommen.

Na, dass war ja mal ein schöner Einkauf 😅

High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt