Kapitel 55

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Freitag. Heute Morgen ging es mir nicht gut. Mein Magen krampfte sich ständig zusammen und mir war schlecht. Louis war auch nicht besser drauf. Wir tranken beide nur einen Kaffee und redeten kaum miteinander. Hoffentlich würde heute Nachmittag alles gut laufen.

„Wann denkst du, könntest du in der Kanzlei sein?", fragte ich ihn und packte meine Sachen zusammen.
„So gegen vier", antwortete er abwesend.
„Okay." Er zog sich seine Schuhe an und murmelte noch ein „Bis später." und verließ das Appartement.
Ich fuhr mit dem Auto auf die Arbeit und war froh, dass ich heute nicht so viele Termine hatte. Immerzu kreisten meine Gedanken um Louis.

Als es dann vier Uhr war, wurde ich extrem nervös. Ich lief in meinem Büro auf und ab und zog mir mein Jackett aus, da mir urplötzlich heiß wurde. Heute würde Louis von Toms und meiner Strategie erfahren und vor allem von Tilda. Es waren doch aber positive Entwicklungen. Warum machte ich mich so verrückt?

„Hey, ist Louis schon da?", fragte Tom und steckte seinen Kopf durch die Tür.
„Nein, noch nicht. Aber er müsste jeden Augenblick hier auftauchen." Hoffte ich.
„Wollen wir ins Besprechungszimmer gehen?" Ich nickte auf Toms Frage hin und folgte ihm. Noch einmal sah ich auf mein Handy, um mich zu vergewissern, ob Louis geschrieben hatte.

Fünfzehn Minuten später ging die Tür auf und Jane begleitete Louis in das Zimmer.
„Hi", sagte ich und sprang sofort auf. Etwas unbeholfen stand ich vor ihm und versuchte mir ein Lächeln abzuringen. Er allerdings sah nur auf unseren Teppichboden.

„Hallo Louis", begrüßte ihn Tom und bot ihm einen Platz an. Er setzte sich und verschränkte seine Finger.
„Wie geht es dir? Harry hat erzählt, dass du einen Job hast?"
„Alles okay. Ja, die Arbeit läuft gut", antwortete er.
„Das freut mich. So, dann lasst uns keine Zeit verlieren und anfangen." Tom nahm ebenfalls Platz und ich zog den Stuhl neben Louis zurück, damit ich nah bei ihm sein konnte.

Vor Tom lag ein Notizblock und wir hatten im Vorfeld entschieden, dass er vorerst die Gesprächsführung übernehmen sollte.
„Es gibt ein paar neue Entwicklungen in deinem Fall. Wir würden sie gern mit dir besprechen und auch, wie wir deine Verteidigung aufbauen wollen", stieg Tom in das Gespräch ein. Ein leichtes Nicken von Louis, mehr bekamen wir nicht.

„Als Erstes, haben Harry und ich entschieden, dass wir deinen ehemaligen Chef Jim von der Tankstelle als Zeuge aufrufen wollen, um ..."
„Wieso? Was hat Jim damit zu tun?", fiel Louis ihm direkt ins Wort und fing an seine Finger zu kneten. Tom setzte sich etwas aufrechter hin und sah Louis eindringlich an.

„Du musst verstehen, dass wir nicht viel in der Hand haben. Der Staatsanwalt sieht das so, dein Auto, also bist du auch gefahren. Wir wissen, dass es nicht so war. Leider können wir das nicht beweisen. Er allerdings auch nicht. In diesem Fall können wir nur versuchen, dass die Geschworenen dich als Person kennenlernen und uns glauben, dass du keine Fahrerflucht begangen hast. Jim hat sich freiwillig dazu bereit erklärt, eine Aussage zu machen, die deinen Charakter darlegt. Harry wird mit ihm im Vorfeld die Fragen durchgehen." Louis kaute angestrengt auf seiner Lippe herum und ich legte meine Hand auf seine, da ich Angst bekam, er würde sich gleich die Finger brechen, so wie er diese malträtierte.

„Ich weiß nicht, ob wir ihn in diesen Mist mit hineinziehen sollten?", meinte er leise.
„Viele Optionen haben wir nicht", sagte ich ruhig zu Louis und streichelte seinen Handrücken. Tom sah nach unten auf seinen Notizblock und sprach dann weiter.

„Und Harry hat eine Zeugin aufgetan, die den Unfall gesehen hat." In dem Moment, als Tom die Worte über die Lippen kamen, zuckte Louis zusammen. Nur leicht, aber ich hatte es gespürt. Seine Haltung veränderte sich sofort. Er wirkte noch angespannter wie zuvor, sein Blick zuckte kurz durch den Raum und sein Gesicht ... Was hatte ich da gerade gesehen? Panik? Aber es war nur ein Bruchteil einer Sekunde und danach fing er sich wieder.

High Walls - Larry Stylinson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt