High Walls - Larry Stylinson FF

Kapitel 33

Im Büro angekommen, ging ich in unsere kleine Abstellkammer. Da bewahrten wir Papier und jeden möglichen Bürokrimskrams auf, den man ebenso benötigte. Und auch hatte Jane hier noch einen Ersatzanzug, Hemd und Krawatte für mich deponiert. Bisher hatte ich ihn nie gebraucht, aber heute definitiv. Ich nahm mir den Kleidersack und verschwand in der Toilette.

Krampfhaft versuchte ich nicht jede Sekunde an Louis zu denken und mir auszumalen, wie er reagierte, wenn er das von mir und Kelly erfahren würde. Musste er es denn erfahren? Wäre ich doch nur in das Fitnessstudio gegangen und hätte Kelly ihren Tränen überlassen. Aber nein, ich war nett. Und was hatte ich jetzt davon? Nett war scheiße. Warum hatte mir Tom das nur alles erzählt? Ach ja, weil ich verliebt in Louis war, den ich bei der erstbesten Gelegenheit gleich wieder in den Wind geschossen hatte und ...

„Warum stehst du halb nackt in unserer Toilette?", vernahm ich Toms Stimme und fuhr erschrocken zusammen, da ich ihn überhaupt nicht hatte kommen hören.
„Ich ... ähm ... hab mich bekleckert", log ich. Ich war so ein Arsch.
„Okay. Wieso bist du eigentlich schon hier?" Er ging in eine Toilettenkabine und ich zog mir schnell meine frische Hose an.

„War einfach sehr zeitig wach und da ich jede Menge Termine habe, na ja ... was soll ich da zu Hause herumhängen?" Ich hörte die Spülung und dann stand Tom neben mir am Waschbecken. Ich band meine neue Krawatte und sah zu ihm.
„Schon Ärger im Paradies?" Er grinste mich an. Oh ja, streu bitte noch Salz in die Wunde.
„Nein, alles okay."
„Gut, dann wünsche ich dir einen erfolgreichen Tag." Er klopfte mir auf den Rücken und ging. Dieser Tag würde bestimmt beschissen werden.

Gerade kam ich aus der Küche mit meinem Kaffee, da entdeckte ich Kelly auf dem Gang. Sie sah mich an und winkte etwas schüchtern. Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte schon fast in mein Büro und schmiss die Tür zu.

„Oh verdammt", fluchte ich, als mir der heiße Kaffee über die Hand lief. Er hatte in der Tasse Wellen geschlagen bei meiner Flucht. Ich schnappte mir ein Taschentuch und war heilfroh, dass ich meinen Anzug nicht bekleckert hatte. Mein Blick fiel neben meinen Stuhl und dort stand eine Papiertüte. Darin hatte ich meine Klamotten von letzter Nacht verstaut. An dem Hemdkragen klebte sogar noch Lippenstift. Warum nur, konnte ich mich nicht erinnern? Ich hatte noch nie einen Filmriss vom Alkohol.

Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Meine Finger trommelten auf die Tastatur, während ich mir mein Hirn zermarterte, was ich nun tun sollte. Mit Kelly reden? Gott, ich wollte von ihr keine Details von unserer Nacht. Louis alles beichten? Vielleicht würde er es mit einem Schulterzucken abtun. Wusste ich denn, ob er etwas für mich empfand? Natürlich tat er das. Wieso stellte ich das in Frage? Es klopfte an der Tür und Jane brachte mir einen Bagel. Ich sah sie verwirrt an.

„Harry, du hast gleich einen Termin außerhalb. Du musst eine Weile fahren und ich dachte mir, du solltest noch etwas essen. Ich weiß, dass du das gern mal vergisst."
„Danke. Was würde ich nur ohne dich tun?"
„Wahrscheinlich irgendwann verhungern", sagte sie keck und ließ mich wieder allein.

Circa eine Minute später klopfte es wieder.
„Ja", sagte ich mit vollem Mund. Prompt blieb mir das trockene Zeug im Hals stecken, als Kelly in mein Büro schlüpfte und die Tür schloss. Fuck, darauf war ich nicht vorbereitet.

„Hi, Harry. Können wir kurz reden?", fragte sie und wirkte angespannt.
„Nein", sagte ich und sprang auf. Mein Stuhl knallte an die Wand hinter mir. „Ich habe einen Termin. Muss ganz dringend weg." Ich griff nach meinem Handy und wollte los, aber Kelly versperrte mir den Weg.

„Es ist aber wichtig. Wann bist du wieder hier?", eindringlich sah sie mich an.
„Später" Sie verzog das Gesicht und trat beiseite. Schnell nahm ich noch meine Tasche mit meinem Laptop und sprintete quasi aus dem Büro zum Fahrstuhl.