Nachdem ich ihn provisorisch verarztet hatte, brachte ich ihn hoch ins Badezimmer. Seine Sachen waren dreckig und teilweise zerrissen. Er setzte sich auf den Toilettendeckel und ich nahm einen Waschlappen und wusch ihm das Blut aus dem Gesicht. Als ich fertig war, sagte ich:
„Ich denke, du brauchst eine Dusche." Er stand auf und wollte sich den Pullover ausziehen und sog auf einmal scharf die Luft ein. Trotz allem machte er weiter und ich entdeckte einen großen Bluterguss auf Höhe seiner Rippen.„Gott, Louis, was haben die denn mit dir gemacht?", fragte ich entsetzt und legte meine Hand auf den riesengroßen blauen Fleck.
„Wir müssen jetzt zum Arzt fahren." Er verneinte wieder und stieß erneut ein kleines Wimmern aus, als er sich den Pullover über den Kopf zog.
„Du könntest innere Verletzungen haben", wies ich ihn auf das Offensichtliche hin.
„Ich komm schon klar. Du kannst draußen warten", entgegnete er nur, da ich immer noch dastand und seinen Oberkörper musterte. Da war aber nicht nur dieser blaue Fleck. Er hatte Narben, kleine kreisrund, aber irgendwie auch zusammenhängend und vielleicht zwei oder drei Zentimeter breite, weiße wulstige Erhebungen auf dem Bauch und der Brust. Woher ...?
„Harry?"
„Was?", fragte ich und sah wieder in sein Gesicht. Sein gesundes Auge war wässrig. Scheiße, er musste furchtbare Schmerzen haben. Ich kapierte nicht gleich, was er von mir wollte, aber sicherlich nicht, dass ich ihn beim Duschen zusah.„Ich warte vor der Tür. Wenn etwas ist, ruf einfach. Okay?" Er nickte mir zu und ich schloss die Tür und lehnte mich an die gegenüberliegende Wand. Was zur Hölle ging hier vor? Ich würde ihn heute Abend nicht schlafen lassen, bis ich eine Antwort von ihm hatte. Er war drei Tage weg und sah nun aus, als hätte ihn eine Dampfwalze überrollt. Nach circa zehn Minuten kam er aus der Dusche und ich brachte ihn in sein Zimmer. Ein paar neue Klamotten hatte ich ihm bereits hingelegt.
„Lass mich dir helfen", bot ich an.
„Kannst du dich bitte umdrehen?" Ich tat, was er verlangte, aber als er vor Schmerz keuchte, half ich ihm mit dem Shirt.
„Louis, ich möchte wissen, warum du so aussiehst, als wärst du mit Mike Tyson kollidiert. Und erzähl mir nicht wieder, dass es nicht wichtig ist." Ich setzte mich auf sein Bett. Er sah zu Boden und strich mit seinem nackten Fuß über den Teppich.„Ich warte", sagte ich.
„Ich war nur bei Jemandem, der mir noch Geld geschuldet hat", antwortete er leise.
„Wer?"
„Ich habe, bevor die Polizei mich verhaftet hat, in einer Tankstelle gearbeitet. Ich wollte nur meinen letzten Lohn." Ich zog eine Augenbraue nach oben.„Und darum gehst du los ... und seit wann prügelst du dich?", fragte ich bestürzt.
„Zu meiner Verteidigung, ich habe nicht angefangen und außerdem war es ein recht ungleicher Kampf. Sie waren zu dritt", erklärte er. Mal wieder klappte mir der Mund auf.„Aber du brauchst doch kein Geld. Ich kümmere mich doch um alles."
„Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich dir nicht auf der Tasche liegen will."
„Ach, deswegen und lässt dich zusammenschlagen? Wegen ein paar Dollar? Wirklich tolle Idee", regte ich mich auf.„Woher hätte ich denn ahnen sollen, dass so etwas passiert?"
„Wo hast du die letzten Tage geschlafen?", fragte ich weiter.
„Mein ehemaliger Chef hat mich in einem Hinterzimmer der Tankstelle untergebracht. Aber auf Dauer ... na ja, und als ich gegangen bin, da haben mich diese Typen abgefangen." Ich rieb mir über mein Gesicht und stand auf.
„Leg dich hin. Du brauchst Schlaf und morgen früh fahre ich dich zum Arzt."
„Nein, ich ..."
„Hör auf mit mir zu diskutieren, Louis!", fuhr ich ihn an.Zu seinem Glück hielt er den Mund, denn langsam verlor ich die Geduld. Ich konnte nicht richtig verstehen, warum er das getan hatte. Sicherlich schuldete der Tankstellenwart ihm nicht hunderte von Dollar. Also weshalb das Ganze? Ich sollte aufhören darüber nachzudenken. Ich steckte nicht in seiner Haut und schon gar nicht in seinem wirren Hirn. Ich bekam davon nur Kopfschmerzen, wenn ich versuchte dies nachzuvollziehen.
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High Walls - Larry Stylinson FF
FanfictionWenn du die Liebe gefunden hast, lass sie nie wieder gehen. Leider ist das Finden oder auch das Festhalten gar nicht so einfach ... Harry ist ein erfolgreicher Anwalt und leitet mit seinem besten Freund Tom eine Kanzlei in Manhattan. Er ist Single...