24. Kapitel - Die Tanzstunde

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Als der Februar näherkam, schritt Gabriels Genesung voran und die Besuche konnten auf die Wochenenden verlagert werden. Und eines Morgens registrierte Anne, die sich die letzten Tage viel Spott und Hohn von Seraphina und Marigold über ihren unbekannten Tanzpartner hatte anhören müssen, dass der Kurs am Nachmittag des nächsten Tages beginnen würde.

Von da an lief alles schief. Sie konnte an nichts anderes mehr denken, als dass mit Beginn der Tanzstunden ihre Verbindung zu Sirius öffentlich werden musste. Dass ihre Schwäche für ihn in Zukunft nicht mehr zu verheimlichen war. Mindestens in Slytherin würde sie das wieder zur Zielscheibe für den Spott der Mitschüler machen. Außerdem hatte sie den grenzenlosen Neid all derer zu erwarten, die Sirius in den letzten Wochen Avancen gemacht hatten. Und plötzlich quälte sie wieder der Gedanke, es könnte alles nur ein Spiel gewesen sein. Seit Tagen hatte sie keine Gelegenheit gehabt, mit Sirius allein zu sein. Keine Bestätigung, dass alles gut war.

Sie steigerte sich so sehr in ihre Ängste, dass sie sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. In Zaubertränke schnitt sie sich schmerzhaft in den Finger und verkochte ihren Aufmunterungstrank, so dass er zu einer dicken übelriechenden Masse wurde, was ihr ungläubiges Kopfschütteln und einen Aufsatz von Slughorn eintrug. In Kräuterkunde rupfte sie einer Alraune die Blätter aus, anstatt Malvenkraut zu ernten und bei Professor Flitwick verwechselte sie die Zauber und zündete versehentlich einen ganzen Stapel Bücher an.

In der Nacht träumte sie von zornigen Alraunen, die aus ihrem verschmorten Kessel sprangen und deutete dies am nächsten Morgen als schlechtes Omen. Nach dem Mittagessen war sie schließlich völlig am Ende. Sie musste in den Waschraum laufen, um sich zu übergeben und während der Unterrichtsstunden am Nachmittag war sie nur noch ein Häuflein Elend. Als sie später in die frei geräumte große Halle zurückkehrten, war sie blass und grau im Gesicht und drückte sich verstohlen ganz hinten in der Mädchenmenge herum.

Lily und Eleanor versuchten gerade herauszufinden, was mit ihr los war, als die Slytherin-Mädchen zu ihnen traten.
„Hey Eastwood, bereit uns endlich deinen Tanzpartner vorzustellen? Wo hast du ihn versteckt? Oh, ich vergaß, er ist ja unsichtbar!" Seraphina kugelte sich beinahe vor Lachen. Sie stolzierte mit Marigold an ihr vorüber und warf ihrer Freundin deutlich hörbar zu: „Ich an ihrer Stelle würde mich ja lieber mit Grieselkrätze auf die Krankenstation legen, als mich so einer Blamage auszusetzen!"
„Ach", antwortete Marigold glucksend, „Dann hätten wir ja nichts zu lachen, wäre doch schade."

„Besser ein unbekannter Tanzpartner als die beiden linken Füße von Mulciber", verteidigte Eleanor ihre Freundin. Seraphina reckte das Kinn und warf ihr abschätzige Blicke zu.
„Sei du bloß still, Bennett! Der Unsichtbare wird sich gut neben deinem Blutsverräter machen, ihr gebt ein nettes Gespann ab. Was für eine Schande für eine Slytherin wie dich!"
„Den Blutsverräter nimmst du sofort zurück!"
„Sonst was?"

In diesem Moment gesellte sich eine ganze Gruppe dunkelhäutiger Tänzer in den Saal und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Seraphina und Marigold eilten weiter nach vorn, um nur ja nichts zu verpassen. Anne fühlte sich schwindlig. Schwer atmend lockerte sie das Halstuch und den Blusenkragen, um besser Luft zu bekommen. Ihr Herz hämmerte ihr bis zum Hals.
„Geht es Dir gut?", fragte Lily besorgt.
„Ja, es wird schon gehen ...", antwortete Anne leise und warf ihr und Eleanor einen dankbaren Blick zu. Immer weiter wich sie zurück, auf der Suche nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte, weil sie beständig befürchtete, dass die wackligen Beine ihr gleich versagen könnten.

Die Tanzlehrer stellten sich als Familie Nkosi aus dem Londoner West End vor und gaben eine Kostprobe ihres Könnens. Aber Anne sah nichts davon, sie konzentrierte sich allein darauf, ruhig zu atmen und nicht in Ohnmacht zu fallen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Saals hatten sich die Jungen gruppiert und die Gryffindors scherzten fröhlich über die gelenkigen Tänzer. Sirius war den ganzen Tag über schon ganz aufgekratzt gewesen. Endlich, endlich durfte er allen seine Partnerin zeigen! Er hätte es schon vor Wochen stolz in die Welt hinausschreien wollen. Von Anfang an hatte er sich gefragt, warum sie ihre Verbindung unbedingt verheimlichen wollte. Vertraute sie ihm nicht? Schämte sie sich am Ende gar für ihn? Aber heute würde das alles ein Ende haben, heute durfte endlich jeder sehen, dass sie mit ihm tanzen würde.

Anne Eastwood und die magische Welt (Hogwarts Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt