5. Kapitel - Lilys Verdacht

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„Warum wohl ausgerechnet Hawthorpe die Stunden in Praktischer Defensiver Magie gibt und nicht Knightley, der Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste?“
Lily hatte die Schuhe abgestreift und lag bäuchlings auf einer Bank im Musikzimmer, wo Anne gerade ihre abendlichen Klavierübungen absolvierte. Ihre bestrumpften Füße wippten im Takt der Musik in der Luft.

„Eleanors Cousin Chess hat letztes Jahr erzählt, dass Hawthorpe als Ersatzlehrerin hier angefangen hat, weil der Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste während seines zweiten Schuljahres spurlos verschwand. Er sagte, sie sei seine beste Lehrerin in dem Fach gewesen, aber sie wollte es nicht weiter unterrichten, weil es angeblich verflucht ist. Kein Lehrer bleibt länger als ein Jahr in diesem Fach.“
Lily dachte nach. „Stimmt bis jetzt. Wilkes ist tot. Hemingway ist schon nach einem Jahr in Rente und Ranjid ist nach Indien zurückgegangen. Professor Kobayashi hat in den Ferien ihr Baby bekommen, wie ich hörte.“

„Nun der neue Lehrer, Professor Knightley, sieht kaum älter aus als zwanzig. Welche Erfahrungen in praktischer Verteidigung kann er schon haben?“
„Aber trotzdem. Hawthorpe? Sie unterrichtet Magische Theorie in der ersten Klasse!“
„Sie unterrichtet auch Arithmantik. Chess sagte, sie hat einfach die Stelle genommen, die gerade frei wurde.“

„Die Viertklässlerinnen munkeln, dass die Idee mit dem Tanzkurs auch von ihr stammen soll. McGonagall hat wohl so etwas angedeutet. Was denkst du, wie dieser Kurs ablaufen wird? Müssen die Jungen die Mädchen auffordern?“
Anne sah missmutig drein. Seit Dumbledore den Tanzkurs für die 1000-Jahr-Feier angekündigt hatte, gab es nichts als Spekulationen unter den Schülerinnen. Sie konnte es nicht mehr hören. Seit Wochen ging das nun schon so. Als ob es nichts Wichtigeres mehr gäbe, als wer mit wem tanzen wollte.
Lily erwartete keine Antwort, sondern plauderte munter weiter. „Die sind alle so kindisch, ich kann mir sie einfach nicht als höfliche Tanzpartner vorstellen. Wahrscheinlich schnappen sie sich einfach das nächstbeste Mädchen, ohne zu fragen und trampeln uns dann auf den Zehen herum.“

„Na du wirst ganz sicher gefragt. Ich weiß auch schon von wem“, entgegnete Anne grinsend, während sie gerade versuchte, die Noten für ein neues Stück auswendig zu lernen.
Lily winkte ab. „Ich will nicht mit Potter tanzen, er ist ein Esel!“
Anne lachte. „Esel sind treue Seelen. Wenn schon nicht gescheit. Und zur Not bleibt dir immer noch Severus.“
Lily seufzte. „Ach ja, Sev. Wenn er nur nicht so ... dunkel wäre.“

Anne wusste, was Lily meinte. Sie verriet der Freundin nicht, dass Severus Snape regelmäßig schwarzmagische Zauber oben auf dem Astronomieturm ausprobierte. Und erst recht nicht, dass sie, Anne, fast ebenso regelmäßig mit von der Partie war. Severus und sie hatten so etwas wie eine Zweckgemeinschaft. Sie mochten sich nicht. Aber sie respektierten einander für die außergewöhnlichen Fähigkeiten, die sie beide auszeichneten. Nach ihrer ersten Fahrt im Hogwarts-Express, bei der Severus den Zauberstab gegen Sirius Black erhoben hatte, hatte Anne gespürt, dass er aus demselben Antrieb handelte, wie sie selbst. Dem drängenden Wunsch, nicht zu unterliegen.

„Severus“, hatte sie ihm damals zugeflüstert, als sie aus dem Zug gestiegen waren und er hatte sich zu ihr umgedreht.
„Was hättest du getan Severus? Mit dem Zauberstab? Wenn die beiden nicht wieder gegangen wären, was hättest du dann getan?“
Er hatte nicht geantwortet.
„Hättest du ihn verzaubert?“, hatte sie ihn mit begierig aufblitzenden Augen gefragt und er hatte erkannt, dass sie ihn nicht verurteilte, sondern bloß gern gewusst hätte, wie man einen Zauber wirkte. Aber leider hatte er zugeben müssen, dass er selbst keine Ahnung hatte.
„Wenn ich gewusst hätte wie, dann hätte ich den Angeber verflucht!“, hatte er leise erwidert und danach kehrt gemacht und sie allein gelassen.

„Mach dir keinen Kopf Lily, du bist das klügste und beliebteste Mädchen der Klasse, dir wird es an Tanzpartnern nicht mangeln“, prophezeite Anne aufmunternd.
Da setzte die Freundin sich auf und sagte verschwörerisch: „Ich denke, dass Sirius Black dich fragen wird.“
Anne vergriff sich und das Klavier gab einen misstönenden Klang von sich.
„Sirius Black!“ Anne spie den Namen förmlich aus. „Du fantasierst! Wie kommst du denn auf so etwas?“
Lily hob die Brauen und lächelte wissend.
„Lily!“
„Ich hab ihn vorhin erwischt, wie er draußen gelauscht hat.“
Anne sah die Freundin irritiert an. Sirius Black hatte gelauscht? Warum das denn?
„Er sagte, er sei nur zufällig vorbeigekommen. Aber das glaube ich ihm nicht. Wer kommt schon zufällig hier herauf? Ist dir nicht aufgefallen, wie er seit ein paar Wochen ständig irgendwo in unserer Nähe abhängt?“
„Nein“, wehrte Anne einen Tick zu schnell ab und wandte sich wieder dem Klavier zu. Lily grinste frech.
„Und wenn schon, das heißt gar nichts. Wahrscheinlich überlegt er sich gerade, welchen Streich er mir als nächstes spielen kann. Oder vielleicht ist er ja hinter dir her.“
„Ha ha. Ich bin es aber nicht, die er ständig mit Blicken durchbohrt.“

Anne Eastwood und die magische Welt (Hogwarts Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt