Nach dem Angriff auf Hogsmeade wurde der Unterricht in Praktischer Defensiver Magie ausgeweitet, um den Schülern mehr Raum zum Üben zu geben, sich gegen die nun scheinbar unabwendbare schwarzmagische Bedrohung zur Wehr zu setzen. Jede Woche übten sie mehrmals im Klassenzimmer im vierten Stock Entwaffnungs- und Defensivzauber.
Bis eines Tages zu Beginn der Vorweihnachtszeit Professor Hawthorpe verkündete, dass es jetzt an der Zeit wäre, auch das Angreifen zu trainieren.
„Um Ihr Gegenüber effektiv anzugreifen, benötigen Sie nicht zwingend komplizierte Kampfzauber. Es reichen oft einfache Alltagszauber, die - im richtigen Moment angewendet - Verwirrung stiften und den Gegner behindern können."Als sie in ratlose Gesichter blickte, rief sie: „Ich bin mir sicher, dass einige von Ihnen Ideen haben, welche Zauber sich dafür verwenden lassen. Nun? Miss Evans?"
„Ein Schwebezauber vielleicht."
„Ja, sehr gut! Miss Bennett!"
„Ein Feuerzauber."
„Hervorragend. Miss Fortescue?"
„Ein Aufrufezauber?"
„Ungewöhnlich, aber ja auch ein Aufrufezauber kann den Gegner aus dem Gleichgewicht werfen! Mr. Williams?"
„Ein Wiederherstellungszauber!"
Die umstehenden Schüler kicherten. Professor Hawthorpe presste die Lippen aufeinander. „Eine kreative Idee, Mr. Williams, aber ich fürchte sie funktioniert wohl eher nicht."Dann holte sie einmal tief Luft und sprach weiter. „Versuchen wir ein erstes Duell!" Sie blickte in die Runde und wählte zwei Schüler, die bislang gute Erfolge erzielt hatten. „Miss Eastwood, Mr. Black! Bitte treten sie vor!"
Missmutig schnaubend stellte Anne sich vor die Klasse und wartete, dass Black angriffslustig auf sie zugeschlurft kam. Seit dem Essen nach der gemeinsamen Strafarbeit hatte sich keine weitere Unterhaltung mehr ergeben. Sie hätte ihn gerne gefragt, was es denn über sie nachzudenken gab, aber sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie dieses Thema ansprechen sollte. Außerdem war er in letzter Zeit wieder ebenso unausstehlich wie eh und je. Letzte Woche hatten Potter und er den Slytherin Schülern Flubberwürmer in die Drachenhauthandschuhe gesteckt, die sie in Kräuterkunde benutzten. Zwei Tage lang hatten ihre Hände nach Flubberwurmschleim gestunken. Im Zaubertränkeunterricht vertauschten sie heimlich die Zutaten der Mitschüler und wer nicht höllisch aufpasste produzierte ihretwegen einen Kessel voll stinkenden Dampfs. Eleanors Kessel war dabei vor ein paar Tagen explodiert und hatte sie mit einem beißenden Gebräu bespritzt, so dass sie in den Krankenflügel musste. Eigentlich sollte sie dankbar für die Möglichkeit sein, ihm ein paar Flüche an den Hals zu werfen. Schade nur, dass sie sich auf Alltagszauber beschränken musste.
„Stellen Sie sich gegenüber auf. Genau so! Und nun denken Sie fest an den Zauber, den Sie gleich benutzen wollen. Bereit?"
Die beiden nickten.
„Dann los!"
„Levioso", rief Anne.
„Depulso", brüllte Sirius.
Sie hatte es geschafft, ihn ein paar Zentimeter vom Boden zu heben, ehe sein Zauber sie von den Füßen katapultierte.
„Gut!" Professor Hawthorpe reichte ihr die Hand und half ihr auf die Beine. „Ein guter Anfang. Gleich noch einmal!"Anne stellte sich wieder auf ihren Platz. Diese Niederlage verärgerte sie außerordentlich.
„Bereit? Jetzt!"
„Descendo!", schrien beide zugleich.
Sirius kam ins Straucheln, konnte sich jedoch auf den Beinen halten, während Anne zu Boden geworfen wurde.
„Beeindruckend Mr. Black!" Wieder half ihr Professor Hawthorpe hoch.Anne bebte vor Zorn. Nichts hasste sie mehr, als unterlegen zu sein. Und dann auch noch diesem arroganten, gemeinen Kerl! Das Gekicher der Mädchen und das schadenfrohe Grinsen der Jungen machten es nicht besser.
„Nun stellen Sie sich paarweise auf und versuchen Sie es selbst. Bitte mit einfachen Alltagszaubern, wir wollen keine Verletzten!"Black grinste. „Tut mir leid, dass ich dich umgestoßen habe."
Anne zog eine Grimasse. „Nein tut es nicht", schnauzte sie ihn an.
Er zuckte beiläufig mit den Schultern. „Ja, stimmt. Neuer Versuch?"
„Es gibt nichts, was ich lieber täte."
Kampfbereit stellten sie sich einander gegenüber. Als Hawthorpe den Startschuss gab, begannen sie, sich alle möglichen Zauber nacheinander an den Kopf zu werfen. Sie wichen aus, sie benutzten Schilde und suchten Deckung.Im Nu wirbelten sie wild rangelnd durchs ganze Klassenzimmer und es blitzte und knisterte, wenn ihre Flüche aufeinanderprallten. Die übrigen Schüler hielten rasch inne, um das verbissene Duell zu verfolgen.
Anne kämpfte sich in Rage. Sie spürte, dass sie sich ebenbürtig waren, aber sie wollte den Sieg. Unbedingt. Ihre Zauber wurden heftiger und gezielter, aber er hielt dagegen. Er bewunderte ihre Ausdauer und Verbissenheit. Doch der Drang sich zu beweisen trieb ihn zu immer härteren Angriffen und er war größer und stärker als sie.Als er Anne schließlich einen Feuerzauber entgegenschleuderte, sprang sie flink zur Seite, so dass nur die Tapete hinter ihr und der Saum ihres Umhangs in Flammen aufgingen, und schrie im nächsten Moment: „Diffindo!"
Diesmal war Black nicht schnell genug und wurde am rechten Arm getroffen. Der nächste Zauberspruch erstarb ihm in einem unterdrückten Schmerzenslaut auf den Lippen, als er zu Boden ging und sich an eine blutende Schnittwunde fasste.„Finite!" Professor Hawthorpe beendete die Begegnung und Anne war bestürzt, als sie das Blut sah, das Blacks Hemdsärmel rasch rot färbte. „Sie haben Ihr Können unter Beweis gestellt, Miss Eastwood! Sehr gut! Aber ich fürchte, nun werden Sie Ihren Duellpartner in den Krankenflügel bringen müssen. Hier!" Sie drückte Sirius ein Tuch in die Hand, das er auf die Wunde pressen sollte. „Die anderen stellen sich wieder auf. Und bleiben Sie bei stumpfen Zaubern, sie haben gesehen was schon ein einfacher Ausrutscher anrichten kann. Los jetzt!"
Anne stolperte hinter Sirius zur Tür hinaus, um sich mit ihm auf den Weg zu machen. Sein Blut sickerte leuchtend rot in das weiße Tuch. Anne konnte ihre Augen nicht abwenden.
„Es ... es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen", stammelte sie verlegen.
„Nicht?"
„Nein, natürlich nicht!"
„Weil ich dich nämlich schon verletzen wollte."
„Was?" Sie konnte nicht glauben, was er da sagte.
„Ich habe mir jeden erdenklichen Grund vorgestellt, weshalb ich dich bekämpfen sollte. Das hat mich angetrieben!"
Sie stutzte und machte den Eindruck eines verletzten Tiers. „Hasst du mich so sehr?!"
„Was? Nein, so meinte ich das nicht!"Eilig lief sie weiter und zog ihn am Ärmel hinter sich her. „Wie denn dann?"
„Anne, jetzt warte doch!"
Sie blieb stehen. Er hatte sie noch nie zuvor beim Vornamen genannt!
„Du musst doch auch etwas gehabt haben, das dich angetrieben hat!"
„Ich wollte einfach gewinnen", sagte sie leise. „Aber es war mir nicht egal, um welchen Preis."Sie wollte weitergehen, aber er hielt sie zurück. „Mir ist der Preis auch nicht egal", sagte er und sah ihr aufgeregt ins Gesicht. Zum ersten Mal bemerkte er, dass ihre Wimpern von tiefem natürlichen Schwarz waren und einen Kontrast zu dem dunklen Blond ihres langen, glatten Haares bildeten. Fast verlor er sich in dem hellen Blau ihrer Augen, in das er so unheimlich gerne blickte. „Es ist nicht so einfach, einen Gegner zu bekämpfen, den man ... gernhat!"
Und dann gab er ihr ganz unerwartet einen sanften Kuss.
Anne spürte seine warmen, weichen Lippen auf ihren und bekam eine Gänsehaut. Ihre rechte Hand schnellte nach oben und sie verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige.„Au", platzte es aus ihm heraus und er legte die linke Hand an die Wange. Im nächsten Moment spürte er die Spitze ihres Zauberstabs an seiner Kehle.
„Fass mich nie wieder an", zischte sie bedrohlich und eilte weiter zum Krankenflügel.
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Anne Eastwood und die magische Welt (Hogwarts Fanfiction)
FanfictionSie wies auf die Tür, die nach draußen führte und sagte zu ihm: „Weißt du, das einzige, das schlimmer wäre, als da rauszugehen und zu sterben, ist zu Hause zu bleiben und nicht zu leben!" Hogwarts in den 1970ern: Anne wünscht sich nichts mehr, als n...