27. Kapitel - Snapes Drohung

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Als sie auf der Krankenstation aufwachte, war das erste was ihr ins Auge fiel, ein riesiger Frühlingsblumenstrauß auf einem Tischchen am Fußende ihres Bettes. Ihr Kopf fühlte sich an, als wolle er gleich zerbersten und ihr Hals war rauh und trocken. Auf der Suche nach Wasser blickte sie sich zu ihrem Nachttischchen um und da erst bemerkte sie, dass Sirius in einem Stuhl an ihrem Bett saß und offensichtlich eingeschlafen war.

„Sirius", flüsterte sie heiser. „Sirius!"
Er schlief tief und fest. Sie nahm das Glas Wasser vom Nachttisch, trank einen großen Schluck, wobei sie feststellte, dass ihre blutig geschlagene Lippe noch schmerzte, tauchte dann ihre Finger hinein und bespritzte ihn mit kleinen Wassertropfen, bis er endlich aufwachte.
„Anne! Du bist wach", freute er sich da.
„Wie geht es dir?", wollte sie von ihm wissen. Sie erinnerte sich, dass er einen üblen Hieb abbekommen hatte.
„Wie es mir geht? Du solltest lieber fragen, wie es dir geht! Du warst einen ganzen Tag lang weggetreten!"
„Was? Dann ... dann ist heute gar nicht morgen?"
„Heute ist heute, aber so wie du es siehst wäre heute übermorgen."
„Mann Sirius, ich bin grade aufgewacht, komm mir doch nicht mit so komplizierten Dingen!"

Sie lehnte sich tapfer lächelnd zurück und er lachte.
„Du warst der Wahnsinn", schwärmte er und ergriff ihre Hand. „Es waren mindestens zehn Slytherins, die du unbewaffnet angegriffen hast!"
„Ich bin niemals unbewaffnet. Jedenfalls nicht, solange ich meine Hände frei habe."
„Das haben wir gesehen", antwortete er bewundernd. „Woher kannst du das?"
„Aus Büchern ...", krächzte sie heiser.
„Müsstest du heute nicht die Gryffindor Quidditch-Mannschaft anfeuern?"
„Die hat gestern gewonnen. Heute ist Sonntag."

Sie fluchte, dass er zusammenzuckte. „Ich hab das ganze Wochenende verpasst!"
„Wo gehst du denn am Wochenende immer hin?"
„Sag ich dir nicht", erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen und er hob die Augenbrauen.
„Was ist mit den anderen, alle heil geblieben?"
„Ja, Avery hat ein paar Beulen von den Koboldsteinen abbekommen, aber sonst sind alle in Ordnung."
„Deine Freunde auch?"
„Ja", lächelte er, „meine Freunde auch. Ich denke, sie wollen dich heute besuchen kommen."
„Oh nein, ich hab mein Sonntagskleid nicht an ..."

„Du hast sie ziemlich beeindruckt."
„Freut mich. Ist nicht so einfach, euch zu beeindrucken. Ihr seid schließlich selbst ziemlich genial. Wie steht es mit Eurer Transformation? So weit ich weiß, steht ihr kurz vorm Abschluss..."
Damit zog sie ihm ohne Vorwarnung den Boden unter den Füßen weg.
„Was?!" Er wurde unruhig. „Was meinst du?"
Anne lächelte wissend. „Ich würde es auch gern können. Versprichst du, mir zu helfen, wenn ihr es geschafft habt?"
Er zögerte. „Wovon sprichst du?"
Sie grinste. Er stand auf, lief nervös auf und ab und begann leise zu fluchen, woraufhin sie trocken feststellte: „Ich fürchte ich habe wohl einen schlechten Einfluss auf dich. Was das Fluchen betrifft, mein ich."

„Woher weißt du es?" Er klang beinah panisch.
„Keine Sorge, niemand sonst weiß es. Wir haben beide einen Hang zum Verbotenen. Setz dich."
„Ich mag es nicht wenn man mich herumkommandiert."
„Schön, dann setz dich nicht."
Er nahm Platz.
„Woher weißt du es?" Er wurde nachdrücklicher.
Sie sah ihn eine Weile stumm an und machte ihn damit ganz verrückt. Um ehrlich zu sein, genoss sie es, ihn zappeln zu lassen. Vier Jahre lang hatte sie seine Streiche und Späße ertragen, da tat eine kurze Rache ganz gut.
„Anne", flehte er.
Seufzend gab sie nach. „Ihr habt neulich in der heulenden Hütte nicht ordentlich aufgeräumt."
Er atmete auf.
„Also ... ich will es auch lernen. Wirst du mir helfen?"
Er trat an ihr Bett und sah ihr abschätzend in die Augen.
„Ein Stück von dir, für ein Stück von mir", sagte er dann listig und sie lächelte ihn an.
„In Ordnung. Lass mich wissen, wenn ihr erfolgreich wart. Und jetzt erzähl mir was vorgestern passiert ist, nachdem ich weggetreten war."

Madam Pomfrey schickte Sirius zum Mittagessen in die große Halle und er versprach am Abend wiederzukommen. Nach dem Essen schauten dafür erst Eleanor und später Lily vorbei. Lily konnte es sich nicht verkneifen, ihr Vorwürfe zu machen, weil sie nicht auf sie gehört hatte und den Slytherins in die Falle getappt war.

„Du darfst dich nicht so provozieren lassen, du bist schon genauso wie die Jungs", schmollte sie.
„Es tut mir leid, Lily", antwortete Anne reumütig, aber sie wusste genau, dass sie es beim nächsten Mal wieder genau so machen würde. Bleierne Müdigkeit erfasste sie in diesem Moment und in der Brust machten sich stechende Schmerzen breit. Madam Pomfrey hatte sie vorgewarnt, dass so etwas passieren könnte. Zwei Schockzauber auf einmal konnten ein Herz schon mal aus dem Takt bringen, sagte sie.

„Ihr habt ganz schön gewütet in der Halle. Aber Flitwick hatte im Nu wieder aufgeräumt. Anne, geht es dir nicht gut?" Lily sah, wie die Farbe aus Annes Gesicht verschwunden und dafür Schweißperlen auf ihre Stirn getreten waren.
„Es geht schon", presste Anne hervor, „ich muss mich nur ein wenig ausruhen."
„Ich schicke dir Madam Pomfrey herein", versprach Lily und machte sich auf den Weg.

Madam Pomfrey brachte ihr einen Beruhigungstrank und Anne konnte daraufhin ein wenig schlafen.
Im schwindenden Licht der Abenddämmerung wachte sie auf und erschrak, als sie Severus Snape neben ihrem Bett vorfand, der ihren Zauberstab in der Hand hielt und damit herumspielte.
„Severus, was willst du hier?", fragte sie misstrauisch.
„Ich mache einen Krankenbesuch", antwortete er leise und beunruhigend.
„Leg sofort meinen Zauberstab zurück ...", befahl sie, aber er lächelte nur müde.
„Nicht doch. Ich sah, dass du ihn gar nicht brauchst..." Er legte den Stab außerhalb ihrer Reichweite ab und zog seinen eigenen. „Ich wette jedoch, dass es nicht funktioniert ... wenn du nicht sprechen kannst. Langlock!"

Sie fasste sich panisch an den Mund, als sie spürte, wie ihr die Zunge am Gaumen klebte und sie so zum Schweigen zwang. Snape lächelte abscheulich und beugte sich über sie. Die Spitze seines Zauberstabs berührte ihre Stirn und glitt langsam und bedrohlich über das Haar, bis zu ihrer Kehle.
„Schade, dass du nicht mehr auf den Astronomieturm kommst, Eastwood", raunte er leise. „Dann könntest du sehen, welche Fortschritte ich mache. Möchtest du eine Kostprobe? Ich könnte dir hier und jetzt deine Gedanken aussaugen. Oder vielleicht sollte ich lieber dein Gedächtnis löschen?"

Er liebte das Entsetzen in ihren Augen, während sie ihm nicht antworten, sondern nur stumm zu ihm aufschauen konnte. Er genoss es, ihr endlich überlegen zu sein, sie zu demütigen und ihr Qualen zu bereiten. Immer war sie die Überlegene gewesen, immer hatte sie alles schneller und besser gekonnt. Jetzt war er endlich dran! Wie oft hatte sie beobachtet, wie er seine sadistische Ader an kleinen, unschuldigen Tieren ausgelassen hatte! Nun war sie das Tier, das ihm in die Falle gegangen war.
Sie versuchte seine Zauberstabhand wegzudrücken, aber er erwies sich als erstaunlich stark. Seine andere Hand schloss sich um ihren Hals und sie musste sich darauf konzentrieren sich gegen ihn zu wehren.

„Ich werde alles aus deinem hübschen Köpfchen herausholen und nichts für Black übriglassen. Und dann werde ich ihn und seine Freunde fertigmachen."
Er wurde von einem schabenden Geräusch an der Tür unterbrochen, die er magisch verschlossen glaubte. Als es schnell lauter wurde und aufgeregte Stimmen zu hören waren, ließ er von ihr ab.
„Du rührst dich nicht von Ort und Stelle", zischte er, als er ihren hektischen Blick auf ihren Zauberstab bemerkte. „Und keinen Mucks." Mit einem Schlenker seines Zauberstabs erneuerte er seinen Zungen-Klebefluch und schoss damit übers Ziel hinaus. Der Zauber schnürte ihr die Luft ab. Panisch fasste sie sich an die Kehle und wand sich, unfähig zu atmen, hin und her, während er eilig zur Tür lief, um nachzusehen.

Anne Eastwood und die magische Welt (Hogwarts Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt