15. Kapitel - Die Verabredung

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Am Abend desselben Tages saß sie mit angezogenen Knien allein auf der Bank im Musikzimmer, auf der Lily sonst immer so gerne Platz nahm, und dachte nach. Zum Glück war die Freundin bei einem Treffen der Vertrauensschüler, denn sie wollte ihr nicht erklären, was heute Nachmittag passiert war. Sie wollte es niemandem erzählen, sie wollte es vergessen!

Was hatte sie getan? Wie konnte sie sich bloß auf einen Jungen einlassen? Noch dazu auf Sirius Black! Sie traute ihm hinten und vorne nicht! Was für ein Spiel trieb er mit ihr? Und am schlimmsten von allem: warum hatte sie plötzlich Schmetterlinge im Bauch, wenn sie an ihn dachte? Er war furchtbar, er hatte nur Unsinn im Kopf, er war gemein und rücksichtslos und ständig hackte er auf ihr und den anderen Slytherins herum. Und doch war der Kuss so wundervoll gewesen ... Sie musste ihn sich schleunigst aus dem Kopf schlagen, er konnte ihr nur Schaden zufügen!

Sie hörte vage, wie die Tür leise geöffnet und wieder geschlossen wurde und einen Moment später stand er zaghaft vor ihr und sah sie verlegen an. Das schwarze Haar fiel ihm lässig in die Augen, als er schließlich leise und zögerlich ansetzte: „Hey Anne ..."
„Was willst du hier?", unterbrach sie ihn abweisend und ließ ihn verstummen. Nachdem er einen Moment innegehalten hatte, fragte er sie: „Kannst du dir das nicht denken?"
Sie antwortete nicht. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, so als machte seine Anwesenheit sie nervös. Er wagte es, sich neben sie zu setzen und ihre rechte Hand in die seine zu nehmen. Sie ließ es - wenn auch widerwillig - geschehen, das stimmte ihn hoffnungsvoll. Er schluckte und dann gestand er: „Ich mag dich Anne. Sehr sogar."
Sie kniff die Lippen zusammen. „Das glaube ich dir nicht."
„Warum nicht?" Missbilligend sah sie, wie er sie ehrlich verwundert anschaute. Er wusste es wirklich nicht. So ignorant konnte nur ein Junge wie er sein!

„Was habe ich dir getan?"
Sie entzog ihm ihre Hand. „Wirklich? Das fragst du mich? Denk doch mal nach!"
„Du meinst die Streiche, die wir dir gespielt haben? Aber Anne! Wir spielen jedem gern Streiche!"
„Ach ja, ist das so? Und wer bekommt immer das meiste ab?"
Er musste nicht lange nachdenken. „Schniefelus", antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
„Ja genau, Severus Snape! Und gleich danach komme ich", sagte sie verbittert. „Ihr verhext meine Schulsachen, ihr verwandelt meine Hausaufgaben, ihr klebt meinen Besen fest. Letztes Jahr habt ihr euch sogar an meinen Haaren vergangen!"
„Aber doch nur, weil du nun mal in Slytherin bist. Das ist nichts Persönliches, nur ein dummer Zufall."
„Zufall? Du bist so ein Idiot!"
Ihre deutliche Ablehnung machte ihn betroffen und er schwieg. Sie hoffte, er würde nun endlich gehen, aber Sirius war noch nicht bereit aufzugeben.

„Und du bist echt nachtragend", stellte er fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann schlug er vor: „Sieh mich an und sag mir ehrlich ins Gesicht, dass du mich kein bisschen leiden kannst! Dann gehe ich - versprochen!"
Also richtete sie sich auf, reckte die Schultern und sagte ihm auf den Kopf zu: „Schön! Ich kann dich nicht ausstehen!" Es waren ihre Augen, die sie verrieten, denn sie sagten etwas anderes und ihre Lippen zuckten verdächtig.
Schließlich schüttelte er schmunzelnd den Kopf und meinte: „Das glaube ich dir nicht. Du musst es schon ehrlich meinen!"

Und dann ... mussten sie beide lachen.
„Lügst du immer so schlecht?"
„Kann nicht jeder so gut lügen wie du", gab sie ihm prompt heraus.
„Ich lüge nicht. Wie kann ich beweisen, dass ich es ernst meine?"
„Gar nicht."
„Und wenn ich dich fragen würde, ob du meine Tanzpartnerin sein willst?"
Zu seiner Verwunderung schloss sie die Augen und seufzte genervt. „Vor dieser Frage hatte ich schon lange Angst."
„Wa ... Angst? Puh!" Er atmete tief durch. „Bin ich so abstoßend?"
Wie ein scheues Reh sah sie ihn mit funkelnden Augen fragend an. „Warum ich?"
Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Was meinte sie damit?
„Da draußen laufen eine Menge Mädchen herum, die dich anhimmeln und ganz toll finden. Du kannst jede haben. Warum nimmst du nicht eine von denen?"

„Ich will aber keine von denen!"
„Nein? Dann sag mir: warum will ein stolzer, arroganter Gryffindor wie du ausgerechnet mit einer verhassten Slytherin wie mir tanzen? Wer sagt mir, dass das kein neuer Streich ist, den du gerade ausheckst!"
„Das ist deine Sorge?" Er dachte an den missglückten Kuss am Nachmittag. „Glaubst du, ich würde so weit bloß für einen Streich gehen?", fragte er mit heiserer Stimme.
„Ich glaube, für einen guten Scherz würdest du alles tun!"

Sie merkte gleich, dass sie ihn mit ihren Worten verletzt hatte. Aber es war die Wahrheit, genau das dachte sie von ihm. Es überraschte sie, als er erneut nach ihrer Hand griff und ganz ruhig und ernst erwiderte: „Ich denke nicht, dass es ein anderes Mädchen gibt, das mit mir in den verbotenen Wald fliegen würde. Keines, das auf einem Hippogreif reiten wollte. Keines mit einem verborgenen Esszimmer." Er sah ihr sehnsüchtig in die Augen, als er anfügte: „Und ganz bestimmt würde keine andere sich die Rippen brechen, damit ich nicht von der Schule fliege!"

„Das habe ich nicht für dich getan", widersprach sie und wollte ihm ihre Hand wieder entziehen, aber diesmal hielt er sie fest und zog sie an sich. Dann beugte er sich zu ihr, so dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. „Nein, du hast es für uns getan", flüsterte er. Er atmete tief ein und sog den Duft ihres teuren Parfums in sich auf. Sie spürte die Hitze seines Atems auf ihrer Haut und die Schmetterlinge drohten sie zu überwältigen.
„Es verbindet uns", hauchte er und streichelte sanft und vorsichtig über ihr glattes Haar, das über ihre Schultern fiel. Ihr Widerstand schwand. Wieder bescherte er ihr eine Gänsehaut, aber diesmal bekam er keine Ohrfeige.
„Alle diese Dinge verbinden uns. Gib uns eine Chance, Anne. Bitte!"

Anne konnte nicht fassen, wie liebevoll er sein konnte. Ein Rüpel mit Gefühlen? Sie wusste nicht, was sie denken sollte. In seinen grauen Augen glaubte sie einen Funken Wahrheit zu entdecken. Sie dachte an den Ausflug in den verbotenen Wald. Ihren Mut hatte sie beweisen wollen, dann hatte sie ihm etwas viel Wertvolleres dort gezeigt. Warum? Sie hätte ihm auch einen Fluch an den Hals hexen können, oder ihn im Wald sich selber überlassen. Aber sie wollte ihr Abenteuer teilen. Mit jemandem, der sie verstand, der so war wie sie. War er das denn?

Er war ein Draufgänger, ein Clown, eine Nervensäge. Aber er war auch mutig, stark und begabt. Er scherte sich nicht um Regeln wie Lily und er war nicht besessen von der dunklen Seite, wie Severus. In gewisser Weise waren sie sich ähnlich. Er war nicht zurückgeschreckt, er hatte sich begeistern lassen und er hatte sie nicht im Stich gelassen. Vielleicht hatte er eine Chance verdient.

„Also gut", antwortete sie zaghaft. „Ich werde deine Tanzpartnerin."
Er setzte zu einer Erwiderung an, brach dann jedoch ab. Sein Blick wirkte ein wenig enttäuscht, vielleicht hatte er sich mehr erhofft. Aber zu mehr war sie nicht bereit. Im Gegenteil.
„Es muss aber so lange geheim bleiben", verlangte sie fordernd.
„Geheim? Du meinst, ich darf meinen Freunden nichts davon sagen?", fragte er entgeistert.
„Vor allem deinen Freunden nicht!"
„Aber wie soll ich eine geheime Tanzpartnerin erklären?!"
„Sag einfach, du hast keine."
Sirius lehnte sich schnaubend zurück. „Weißt du eigentlich, wie aufdringlich die Weiber bei uns auf der Matte stehen? James ist auch schon total genervt."
„Dann lass dir eben etwas einfallen", schlug sie vor. „Wenn du es verrätst, tanze ich nicht mit dir!"
„Du bist grausam!"
Sie schmunzelte: „Nicht schlimmer, als du!"

Ihr Lächeln bezauberte ihn, so dass er ihr nicht böse sein konnte. Seufzend stimmte er also zu: „In Ordnung. Ich behalts für mich."
Dann stand er auf und konnte es nicht lassen zu sticheln: „Ich geh jetzt besser. Nicht dass uns noch jemand zusammen sieht."

Sie hielt ihn nicht zurück und er trottete mit hängenden Schultern zur Tür.
„Vielleicht", rief sie, als er gerade im Begriff war, die Türklinke zu drücken und er hielt sofort inne.
„Vielleicht kann ich dich doch ein wenig leiden - ein ganz klein wenig - Sirius Black."
Triumphierend trat er durch die Tür nach draußen.

Annes und Sirius widerstrebende romantische Gefühle finden sich in Nuvole Bianche von Ludovico Enaudi.

Anne Eastwood und die magische Welt (Hogwarts Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt