Ich war jetzt sechs Jahre alt. Zumindest hatte Kokushibo mir das gesagt. Doch wenn ich in den Spiegel schaute, sah ich nicht aus wie ein Sechsjähriger. Mein Körper war kleiner, zierlicher, als er sein sollte. Mein Gesicht erinnerte eher an ein Kind, das zwei Jahre jünger war. Meine Augen jedoch... sie waren nicht die eines normalen Kindes. Türkis, intensiv und fast schon unnatürlich. Meine Haare, schwarz mit türkisen Spitzen, hingen mir glatt über die Schultern.
Kokushibo sagte nie etwas über mein Aussehen. Vielleicht fiel es ihm gar nicht auf, oder vielleicht war es ihm einfach egal. Doch ich bemerkte es – die Blicke der wenigen Menschen, denen ich manchmal begegnete, die skeptischen Blicke, als ob sie nicht wussten, was ich war.
„Muichiro", hörte ich seine tiefe, vertraute Stimme hinter mir. Ich drehte mich langsam um. Kokushibo stand wie immer ruhig da, seine Augen auf mich gerichtet, durchdringend und doch irgendwie weich.
„Ja?" Meine Stimme war leise, noch immer kindlich, aber nicht mehr so unbeholfen wie früher. Ich konnte jetzt sprechen, doch das Gefühl der Unvollkommenheit blieb, besonders wenn ich versuchte, seinen Namen zu sagen.
„Was siehst du, wenn du in den Spiegel blickst?" fragte er, während er näher trat und neben mir stehen blieb.
Ich zögerte. „Ein... Kind", antwortete ich schließlich. „Aber... ich weiß, ich sollte größer sein."
Kokushibo sah mich aus dem Augenwinkel an, dann legte er eine Hand auf meinen Kopf, fuhr sanft durch mein Haar. „Deine Größe spielt keine Rolle", sagte er ruhig. „Was zählt, ist deine Stärke."
Ich verstand nicht ganz, was er damit meinte. „Aber... andere Kinder... sie sind größer, stärker... Ich bin nicht wie sie."
Er zog seine Hand zurück und sah mich jetzt direkt an. „Du bist nicht wie sie, weil du etwas Besonderes bist, Muichiro."
Ich schwieg, ließ die Worte in mir nachklingen. Besonders? Wie konnte ich besonders sein, wenn ich so anders war? Ich konnte immer noch nicht einmal seinen Namen richtig aussprechen.
„Ko... Ku... Shi..." begann ich wieder, versuchte, den Namen über meine Lippen zu bringen.
„Kokushibo", verbesserte er mich wie immer, doch seine Stimme war sanft.
Ich seufzte und ließ meinen Blick sinken. „Ich kann es nicht", sagte ich leise, fast schon enttäuscht von mir selbst.
„Du wirst es lernen", wiederholte er, wie so oft. Doch diesmal fügte er etwas hinzu: „Geduld, Muichiro. Du bist stark, auch wenn du es nicht siehst."
Stark. Das Wort klang so fremd für mich. Wie konnte ich stark sein, wenn ich immer wieder stolperte, wenn ich immer wieder scheiterte? Doch Kokushibo sah in mir etwas, das ich nicht sah. Und obwohl ich es nicht verstand, gab mir seine Überzeugung ein kleines Stück Hoffnung.
In den folgenden Tagen übte ich weiter. Ich übte, seinen Namen zu sagen, auch wenn ich jedes Mal das Gefühl hatte, zu versagen. „Ko... Kushi..." brachte ich nur hervor. Er schüttelte den Kopf, aber nicht enttäuscht, eher geduldig, als ob er wusste, dass es eines Tages funktionieren würde.
Eines Morgens, als ich wieder allein war, sah ich in den Spiegel und starrte mein eigenes Spiegelbild an. Meine türkisen Augen blickten mich an, unruhig und nachdenklich. Meine Haare schimmerten im schwachen Licht, und ich fragte mich, was Kokushibo wirklich meinte, wenn er sagte, ich sei stark.
„Stark..." murmelte ich leise zu mir selbst. Ich hob meine Hände und betrachtete sie. Sie waren klein, schwach, nicht die Hände eines Kriegers oder Kämpfers.
In diesem Moment trat Kokushibo ins Zimmer. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er da war, bis seine tiefe Stimme den Raum erfüllte. „Stärke kommt nicht immer von Muskeln oder Größe."
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The Unfair Life Of The Mist Hashira [Muichiro FF]
FanfictionMuichiro war als kleines Kind entführt worden. Er konnte sich nun mit 10 Jahren nicht mehr an seine Familie erinnern. Er hatte keine schöne Kindheit gehabt und war immer zu einer anderen "Familie" gekommen. Mit 4 war er zu seinem Vorfahren Kokushibo...