19: Vier Jahreszeiten

267 9 1
                                    

>>>>><<<<<

Die Sonne schien golden und warm über das Trainingsgelände, als wir uns für die Abfahrt nach München sammelten. Der Mannschaftsbus, in Schwarz-Rot-Gold lackiert und mit dem großen DFB-Logo versehen, strahlte im Licht des Morgens. Ich fühlte eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität, die mir einen kleinen Knoten in den Magen trieb. Heute ging es los – die Abreise zum Eröffnungsspiel der Europameisterschaft. Die Atmosphäre war geladen, überall um mich herum hörte ich Lachen, vereinzelte Gespräche und das Rascheln von Taschen und Sporttaschen, die verstaut wurden.

Ich stand etwas abseits, meine Tasche in der Hand, und ließ meinen Blick über die Spieler schweifen. Es fühlte sich surreal an, mitten in dieser besonderen Energie zu sein. Mein Blick blieb an Flo hängen, der vor dem Bus stand und sich kurz durch sein Haar fuhr, bevor er mich bemerkte. Ein Zögern lag in seinen Augen, und ich konnte fast sehen, wie er sich innerlich sammelte, um zu mir zu kommen. Ein kleiner Funke der Hoffnung blitzte in mir auf. Doch bevor er den Schritt zu mir machen konnte, hörte ich eine vertraute, fröhliche Stimme hinter mir.

„Amber! Da bist du ja!" Jamal kam mit einem breiten Lächeln auf mich zu, seine Tasche locker über die Schulter geworfen. Seine unbeschwerte Art war ansteckend, und ich konnte nicht anders, als zu lächeln. „Hast du schon einen Platz im Bus? Wenn nicht, setz dich neben mich, ich brauche Gesellschaft für den ganzen Weg."

Bevor ich antworten konnte, sah ich, wie Flo stehenblieb. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich kaum, doch ich erkannte das kurze Flackern von Enttäuschung in seinen Augen, bevor er sich abwandte. Es tat mir leid, ihn so zu sehen, aber Jamal war hier, direkt vor mir, und seine Einladung war so spontan und herzlich, dass ich nicht widerstehen konnte.

„Natürlich, Jamal", sagte ich und versuchte, die leichte Anspannung aus meiner Stimme zu verbannen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich seine Gesellschaft genoss, aber Flo tat mir trotzdem leid. Jamal strahlte über das ganze Gesicht und zog mich spielerisch zum Bus.

Die Stufen hinaufgehend, bemerkte ich, wie Flo hinter uns herkam und sich ein paar Reihen hinter uns einen Platz suchte. Der Bus war bereits mit Gesprächsfetzen und vereinzeltem Lachen gefüllt, als wir unsere Sitze einnahmen. Ich ließ mich neben Jamal nieder und legte meine Tasche auf den Boden. Der Fahrtwind der offenen Fenster vermischte sich mit der Vorfreude im Inneren.

Jamal drehte sich zu mir um, ein Lächeln auf seinen Lippen. „Weißt du, das hier wird ein unglaubliches Turnier. Stell dir vor, wir gewinnen das Eröffnungsspiel und gehen mit einem Sieg in die EM." Seine Augen leuchteten bei dem Gedanken, und ich konnte den Enthusiasmus in seiner Stimme hören.

„Das wäre der perfekte Start", antwortete ich und versuchte, mich ganz auf unser Gespräch zu konzentrieren. Doch mein Blick wanderte unweigerlich über seine Schulter hinweg zu Flo. Er saß still, den Kopf zum Fenster gedreht, und schien sich in seine Gedanken zurückgezogen zu haben. Gelegentlich sah er in unsere Richtung, wandte den Blick jedoch sofort wieder ab, wenn er bemerkte, dass ich es merkte. Etwas in seiner Haltung ließ mein Herz schwer werden.

Jamal bemerkte nichts von meinem inneren Hin und Her. Er erzählte mir von einem Trick, den er im Training ausprobiert hatte, und lachte über die Reaktionen der anderen Spieler. Sein Lachen war wie immer ansteckend, und ich musste lächeln, auch wenn ein Teil von mir bei Flo verweilte. Er war so still, und obwohl er es gewohnt war, für sich zu sein, spürte ich heute mehr als sonst die Distanz zwischen uns.

Die Fahrt zog sich hin, und während einige Spieler Musik hörten oder leise miteinander sprachen, legte sich eine merkwürdige Ruhe über den Bus. Ich lehnte mich zurück und spürte Jamals Arm leicht gegen meinen, während er mir eine Anekdote erzählte, die ihn zum Lachen brachte. Ich sah zu ihm auf und versuchte, mich auf ihn zu konzentrieren, doch das Bild von Flo, der aus dem Fenster sah, ließ mich nicht los.

Kopfspiele - Erstes BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt