Kopfspiele - Erstes Band

1: Väterlicher Röntgenblick

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Mathilda
Hey Amber, weißt du jetzt schon, wo du dein Projekt machst? Unsere Dozentin will ja, dass wir Interviews mit Sportlern führen, aber ich hab keine Ahnung, wie ich da an Leute rankommen soll. Die schicken mir doch keine VIPs, nur weil ich „bitte bitte" sage

Amber
Haha, same! Aber... ich hab da was geregelt 😎
Ich darf bei meinem Dad reinschauen, also so... direkt bei der Nationalmannschaft. Ich mach das Projekt quasi direkt im Trainingslager.

Mathilda
WHAT? Wie mega ist das denn?! Du gehst wirklich mit denen ins Trainingslager?!? Wie hast du das denn hinbekommen? Ich wäre schon froh, wenn ich bei nem Handballverein anfragen könnte 😭

Amber
Ja, mein Dad meinte, ich könnte mitkommen, wenn ich will. Es geht ja um Leistungsdruck und so, und was ist besser als die Profis? Er glaubt, ich lerne was draus. Und na ja, ich seh's als Gelegenheit, ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen. So oft ist er ja nicht da. 🥲

Mathilda
Oh Mann, ich bin echt neidisch. Du bist im DFB-Team unterwegs und ich darf am Sportplatz rumfragen, ob jemand mit mir reden will 😩
Aber ganz ehrlich, das ist voll die Chance für dich! Und dein Dad ist ja mal der beste Wingman fürs Studium 😅

Amber
Haha, ja, ist schon cool, vor allem die Interviews direkt mit den Spielern zu führen. Da kann ich richtig was draus machen für die Arbeit – und hab sogar echte Zitate von Profis! Ich hoffe nur, die nehmen mich ernst... stell dir vor, ich muss denen mein Aufnahmegerät vor die Nase halten 😂

Mathilda
Ach, die finden das bestimmt cool, und wenn nicht, dann stellst du ihnen einfach diese psychoanalytischen Fragen, von denen du mir immer erzählst. Dann sind die sofort eingeschüchtert und sagen alles 😂

Amber
Hahaha, du kennst mich zu gut! Vielleicht werd ich ihnen ein bisschen auf den Zahn fühlen. Aber hey, wenn's nicht klappt, dann heul ich mich bei dir aus.

Mathilda
Deal! Ich will aber alles wissen. JEDES Detail. Wann geht's los?

Amber
In zwei Wochen. Zeit, meine Frageliste zu perfektionieren 😙

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Mein Handy vibrierte auf dem Schreibtisch, ein Summen, das mir durch Mark und Bein ging. Eine Nachricht. Von ihm. Die Nummer war da, klar und deutlich, ohne Namen, weil ich den längst gelöscht hatte. Fynn. Jedes Mal, wenn ich diese Kombination aus Ziffern auf dem Display sah, wurde mein Magen zu einem einzigen, verkrampften Knoten. Und jedes Mal dachte ich, es würde irgendwann leichter werden. Wurde es aber nicht.

„Hey, wie geht's dir?" Ein lächerlich einfacher Satz, als wären es nicht seine Worte, die in meinen Kopf wie giftige Tropfen tropften. Als hätte er mir nie all die Male gezeigt, wie wenig meine Gefühle zählten. Ich spürte, wie mein Atem flacher wurde, ein beklemmender Druck breitete sich in meiner Brust aus, als hätte ich zu lange die Luft angehalten. Ich legte das Handy hastig weg, als würde es mich verbrennen. Blödes, blödes Ding.

„Bleib ruhig, Amber," murmelte ich mir selbst zu, und atmete einmal tief durch. „Das ist bloß eine Nachricht. Er hat keine Macht mehr über dich." Bloß eine Nachricht. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er mit ein paar Wörtern noch immer Kontrolle über mich ausübte, selbst zwei Jahre später.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. „Amber? Alles okay?" Die Stimme meines Vaters. Julian Nagelsmann, Nationaltrainer. Für die Welt der Fußballfans so etwas wie der junge Magier des deutschen Fußballs, für mich oft ein liebevoller, aber manchmal sehr abstrakter Teil meines Lebens. Er war da und doch auch immer ein bisschen woanders. Ich rief ihm zu, dass er reinkommen konnte, und schob das Handy unter ein paar Bücher, als könnte ich die ganze Sache so vor ihm verstecken. Er trat ein, blieb einen Moment in der Tür stehen und sah mich an, als könnte er durch meine ganzen Schutzwälle hindurchblicken. Väterlicher Röntgenblick nannte ich das. Nicht, dass er oft Zeit hatte, ihn einzusetzen.