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"D-dein Herz?", meine Stimme brach, meine Finger zitterten.
Luke Orion nickte und ein trauriges Lächeln zierte seine Lippen.
"Befremdlich?"
"Naja, es ist... jemanden zu sehen der so voller Energie und Adrenalin ist... zu wissen, dass so jemand stirbt ist... man wird sich der menschlichen Verletzlichkeit bewusst. Verstehst du?"
"Ja ich weiß was du meinst."
"Was hast du denn am Herzen?"
Ich sah Luke Orion an, dass es ihm unangenehm war, aber ich war einfach zu neugierig um die Frage zurück zu ziehen.
"Ich habe einen Herzfehler,  um genauer zu sein einen Atriumseptumdefekt, kennst du den?"
"Nein, was ist das?"
"Ich habe ein Loch in der Herzscheidewand."
"Aber das kann man doch operieren, oder nicht?"
"Ja, ich wurde auch operiert, mit 5 Jahren, aber mein Herz hat diesen Verschluss nicht angenommen."
   Mir wurde mulmig zu Mute, er musste mir das nicht erzählen. Ich meine, klar ich wollte wissen was mit ihm war und wie er zu so einer Person geworden ist, aber wenn er mir es nicht erzählen wollte...
Ich seufzte und blickte zu Luke hoch.
"Ist diese Liste schon fertig?"
Luke wirkte etwas verwirrt, nahm den Themenwechsel, aber sichtlich froh auf.
"Naja, das sind die Dinge die ich mir wünsche, wenn da noch was hinzu kommt, dann schreibe ich es auf."
"Also kann man sie immer wieder umschreiben", schloss ich logisch und strich über den Zettel.
   Mich überschwamm wieder das Gefühl, welches ich schon bei dem Schnippsel gespürt hatte. So als würden sich die Worte in mein Hirn einbrennen, damit ich niemals vergesse, was hier passierte.

Es hatte geklingelt und ich saß jetzt wieder hinter Luke in dem stickigen Klassenraum. Es war anders als sonst immer, jetzt da ich wusste, dass Luke einen Herzfehler hatte musste ich immer daran denken.
Ich hätte wetten können, dass ihm das nicht gefiel. Ich musste ihn fragen.
"Du, Luke Orion?"
Er drehte sich verdutz zu mir um und stützte seine Ellbogen auf meinen Tisch.
"Ja?"
"Wieso erzählst du das nicht allen?"
"Wieso? Ist das dein Ernst?", er schüttelte lächelnd den Kopf. Er wirkte nicht unangenehm überrascht, aber ich sah sehr wohl, dass ihm das Thema nicht sehr behaglich war.
"Ich habe es dir schon gesagt, du bist anders. Bei dir habe ich das Gefühl, dass du nicht nur den armen kranken Jungen siehst, sondern mich !"
  Die Lehrerin betrat den Raum und Luke Orion wandte sich wieder ab.
  Ich fühlte mich schlecht, er hatte eine so hohe Meinung von mir und hoffte auf meine Unterstützung, dabei bin ich so unsicher, dass ich manchmal am liebsten wegrennen wollte. Luke dachte, dass ich nur ihn sah, aber hatte ich gerade nicht auch nur seinen Herzfehler gesehen?
Wenn ich Luke Orion wirklich helfen wollte, dann musste ich es beenden. Ich musste aufhören sozu denken, wie alle anderen.
Und das war meine Spezialität, ich war die Beste, wenn es darum ging anders zu sein!

Ich stieg die Treppe herunter und zu meinem Spint. Endlich hatte ich diese Woche überlebt, aber ich hatte ein Gefühl, was mir sagte, dass ich mich nochmal mit Luke Orion verabreden sollte.
Wenn man vom Teufel spricht!
Luke Orion bog um die Ecke, lachend und mit seinem Kumpel Manny redend. Als er mich sah, hob er zögerlich die Hand, ich nickte ihm zu und verschwand hinter der Tür meines Spintes.
Ich begann zu kichern, wie konnte der Luke Orion, ein Frauenheld, so zögern nur wegen mir?!
"Was ist denn so witzig?", eine Mädchenstimme tauchte hinter mir auf. Ich drehte mich langsam um, es war nur Ahna Mercet.
"Ich habe dich heute gesucht!"
"Ach ja?"
"Ja! Wollen wir zusammen nach Hause gehen?"
Das glaubte ich jetzt nicht, Ahna fragte mich ob mit ihr nach Hause zu gehen, oder mindestens bis zur Bushaltestelle.
Das konnte doch nur ein makaberer Witz sein.
"Luuuuke~!", Ahna Mercet sprang vor ihn und lächelte Manny an, dieser lächelte zurück.
"Gehen wir zusammen zur Bushaltestelle?"
Siehst du, sie hat schon jemand anderen. Du warst nur eine Notlösung.
Der gemeine Teil meines Hirn machte mir mein Leben manchmal echt zur Hölle. Ich nahm meinen Schal aus dem kleinen Schrank und knallte ihn zu.
"Hey hey hey! Eden Hendriks! Stehen bleiben!"
Ich zuckte auf, als Ahna Mercets Stimme hinter mir schallte. Sie starrte mich wütend an, hinter ihr ein nicht halb so böse dreinschauender Manny Stevans und Luke Orion.
Oh na toll!
Einige noch anwesende Schüler kicherten und flüsterten miteinander.
"Ich dachte wir gehen alle zusammen!", Ahnas Blick wurde weich.
"Was?!!", Manny fand das anscheinend nicht so cool.
"Ach komm schon! Luke findet das auch gut, nicht wahr Luke?"
Doch da stand er schon lange nicht mehr bei den Beiden. Er hatte sich zu mir gesellt und ich blickte hoch.
   Luke Orion wirkte gelassen, so wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte, wenn man denn die paar Tage als lang ansehen konnte.
   Er blickte auf mich herunter und streckte mir die Hand aus, lächelnd. Ich wusste nicht was es bedeuten sollte, doch da war ein Funkeln in seinen Augen, es hatte etwas mit seiner Bitte zu tun. Langsam nahm ich seine Hand, seine kräfrigen Finger schlossen sich um meine Hand. Luke Orion hatte wirklich große Hände, aber nicht solche wurstigen, oder zu starke, sie waren weich und glatt, hatten aber in diesem Gefühl auch noch etwas Kräftiges, Mutiges.
"Ja ich bin damit einverstanden!", sagte er an Ahna gewandt, ohne meine Hand loszulassen.
"Gut! Beschlossen!", rief sie und rauschte an allen vorbei, die jetzt wieder tuschelten und vor Zorn auf mich rot geworden waren.
Sie hakte sich bei mir unter und lächelte mich an. Manny trat auch zu uns und wir gingen los.
   In mir wühtete ein Gefühlsspektrum, das ich nicht unterdrücken konnte. Einerseits empfand ich Glück, weil ich zu dieser Gruppe gerade hinzugehörte. Doch andererseits flüsterte der gemeine Teil meines Hirns wieder ziemlich logische Dinge in mich herein.
Sie werden dich sowieso wieder ignorieren! Wer würde sich schon freiwillig mit dir unterhalten?! Niemand!
Mir platzte der Kragen, ich stampfte mit dem Fuß auf und schrie in meinen Kopf hinein.
  Luke Orion!!! Er würde mir immer helfen! Weil ich ihm helfe! Als lass mich verdammt nochmal in RUHE!!!

"Alles gut, Eden?", Ahna sah mir besorgt ins Gesicht und ich konnte nicht anders als lächeln.
Es stimmte, ich wusste nicht ob sie mit mir auch noch morgen, übermorgen oder in einem Jahr reden würden, aber ich wollte gerade einfach ein ganz normales Mädchen sein, dass mit ihren Freunden nach Hause ging.
Auch wenn ich niemals "normal" sein konnte, schon alleine wegen Luke Orions Geheimnis und meiner angeborenen Argwohn, nicht.
Ich muss nicht normal sein, solange ich mit diesen Menschen befreundet sein kann.
Ich hatte das gerade gedacht, da wurde ich auch schon puderrot.
Gut, vielleicht musste nicht unbedingt Manny zu meinen Freunden zählen, aber trotzdem.
Fügte ich meine Gedanken trocken zu Ende.

"Ja alles gut, ich musste nur die argwöhnische Seite von mir zum Schweigen bringen."
Ahna sah verwirrt aus, Manny runzelte die Stirn und Luke begann zu lachen. Es war ein kindliches Lachen, eigentlich alle Gesten, die die Freude ausdrückten, sahen bei ihm kindlich aus. Das gefiel mir.
"Du bist echt komisch, Hendriks", sagte Manny ohne einen Hehl aus seiner Verwirrung zu machen und stimmte mit ins Lachen ein.
    Ahna begann auch zu lachen und ich blickte zu Luke Orion. Er grinste vor sich hin.
   Wenn ich ihm diese Freude bewahren konnte, sicher, dann würde ihn das retten.
   Auch wenn es nur für 365 Tage reichte.
Luke lächelte mich an und ich wusste, dass ich einen besten Freund gewonnen hatte. Wir hatten einen Bund, der fester war als jede langjährige Freundschaft.
   Weil wir uns gegenseitig dabei halfen in dieser düsteren, fiesen Welt zu überleben.
   "Ja ich bin anders!", sagte ich und lächelte breit.
  Ahna knuddelte mich und Luke grinste noch ein wenig breiter, selbst Manny konnte sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen.

Ich bin anders und das ist gut so.
Denn sonst wäre ich vermutlich nie Lukes Geheimnis auf die Schliche gekommen.

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt