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Ich hatte mit Luke die ganze Woche nicht mehr geredet. Zwar brachte ich ihm die Hausaufgaben aber mehr sprach ich nicht mit ihm.

"Guten Morgen! Ich hoffe ihr alle hattet ein erholsames Wochenende!", Mrs Mijakel trat in die Klasse und lächelte uns an. Sie war eine ruhige und nette Lehrerin, deshalb mochten viele sie. Ich gehörte auch zu ihrem Fanclub.
"Oh! Luke Orion. Schön, dass du wieder da bist!", obwohl wir alle gesiezt wurden, tat sich Mrs Mijakel keinen Zwang an und dutzte uns.
Alle Augen drehten sich nach hinten, nur mein Augenpaar blieb auf meinen Tisch gerichtet. Ich traute mich nicht ihm auch nur einmal ins Gesicht zu schauen, denn ich war mir sicher, dass dann meine Wut und Verletztheit wieder aufkochen würden.
Das Klicken seiner Schuhe auf dem harten Boden hallte zu mir.
Ich hatte mich extra in die vordere Reihe gesetzt, denn so, jedenfalls dachte ich das, würde Luke mich nicht bemerken. Aber er ließ seine Tasche fallen und setzte sich auf den Platz neben mich. Das Gemurmel drang zu mir und am Liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, heiße Schamestränen brannten in meinen Augen.
"Hey", Lukes Stimme klang ruhig und beherrscht.
"Hallo", meine Stimme hingegen war rau und zittrig. Bestimmt hatte er mich durchschaut.
Doch selbst wenn er es getan hätte, er sagte nichts und packte seine Sachen schweigend aus.
"Na dann beginnen wir!"

"Eden. Ich wollte mich bei dir entschuldigen-"
"Du wolltest?"
"Nein. Oh Herr Gott, ich meinte, dass ich mich jetzt bei dir entschuldige, verdammt!", zischte er und schaute mir in meine Augen.
"Du bist aber immernoch sauer? Was bringt es dir dann dich zu entschuldigen?"
"Verdammt Eden! Kannst du nicht einfach mal eine Emotion zeigen und glücklich sein, dass ich mich bei dir entschuldigt habe?!"
"Ich soll mich freuen, für etwas was du hättest viel eher tun sollen?", flüsterte ich ihm entgegen und legte so viel Verachtung in meine Stimme wie es beim Flüstern eben ging.
"Wann denn bitte?!", schimpfte er und seine Stimme wurde lauter.
"Als du gemeint hast: Das darfst du nicht !"
"Was?"
"Du hast gesagt: Das darf nie wieder passieren! Niemals! Das war doch nur wegen diesem Moment! Normalerweise würde ich dich niemals im Leben küssen wollen! "
Luke musterte mich geschockt und senkte seine Stimme wieder.
"Du hast dir alles gemerkt?"
"Gemerkt? Ich habe es immer wieder durchlebt!", fauchte ich verletzt zurück. Luke senkte seinen Kopf und murmelte ein paar unverständliche Dinge. Plötzlich haute er seinen Kopf auf den Tisch und einige Schüler starrten ihn verdattert an. Mrs Mijakel warf einen kurzen Blick auf Luke, runzelte die Stirn und drehte sich dann zur Tafel, als Luke wieder hochguckte. Er schaute mich an, seine Stirn und sein Kinn waren rot und sahen aufgescheuert aus.
"Oh verdammt Luke...", flüsterte ich und legte zwei Finger unter sein Kinn um sein Kinn ein wenig anzuheben. Hinter mir japsten ein paar Mädchen und ich zog schnell meine Finger weg.
Luke räusperte sich und auf sein Gesicht trat eine Schamesröte, die in meinem schon lange herrschte.
"Entschuldigung", flüsterte ich und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Grinsend neigte ich meinen Kopf und starrte auf meine Notizen.
Mir fiel auf, dass ich mich ziemlich schnell wieder mit der Idee angefreundet hatte, mit Luke zu reden und zu lachen. Eigentlich ziemlich dumm von mir, aber vielleicht war das auch gut so. Dennoch machte sich in mir das Gefühl breit, dass Luke und ich gar nichts geklärt hatten.
Als es zum Ende des Unterrichts gongte, packte ich meine Sachen lächelnd ein und richtete mich auf. Luke warf sich seine Tasche über die Schulter und schlenderte heraus. Ich folgte ihm, bis Luke an der Tür ankam und sie aufstieß und dann festhielt, um sie mir aufzuhalten. Ich nickte ihm dankend zu und als ich hindurch gegangen war, ging Luke hinter mir durch und legte einen Arm um meine Schulter.
"Und? Ab in die Bücherei?"
"Klar."
Wir liefen die Gänge entlang, Lukes Arm lag noch immer auf meiner Schulter, doch irgendwann rutschte er herunter und wir liefen nur noch nebeneinander her.
Heute waren das Flüstern und Germurmel besonders laut und nervig.
"Du solltest deinen Arm nicht um mich legen", sagte ich und obwohl es nicht beabsichtigt war, huschte ein scharfer Unterton über meine Lippen.
"Wieso nicht?"
Schweigend schloss ich die Bücherei auf und Luke folgte mir nicht.
"Wieso? Eden!", er knallte die Tür zu und kam auf den Tisch in der Mitte zugelaufen, wo ich stand.
"Weil die Anderen das falsch verstehen könnten!", ich warf meine Hände in die Luft und ließ sie wieder sinken.
"Eden, das ist doch egal oder nicht?"
"Wirklich? Denkst du das wirklich?!", meine Stimme zitterte aber Luke lächelte und nickte.
"Wir sind Freunde! Nicht mehr und nicht weniger. Okay?"
"Aber-"
"Keine Küsse, keine Liebe, kein gar nichts! Und wenn sie sowas im Sinn haben, dann werden die schon fragen!"
Es war ungewiss, ob das wirklich stimmte.
"Sag mal wegen... dem was ich gesagt habe... in dem Krankenhaus. Könntest du dir wirklich vorstellen dich in mich zu verlieben?", fragte er und starrte auf den Boden.
"Nein! Niemals!", rief ich und schlug mir gleich darauf die Hand vor den Mund.
"Du meinst du würdest dich niemals in mich verlieben weil ich bald sterben werde?"
"...Nein. Also...irgendwie vielleicht... ich weiß nicht", es war mir unangenehm, aber ich konnte ihn doch nicht anlügen.
"Gut... dann bin beruhigt", entspannt setzte er sich und grinste.
Ich habe das Gefühl, dass nichts geklärt ist. Aber es tut mir so weh... Luke schmerzt es sicher auch. Ich will nicht, dass er noch mehr leidet, bitte nicht.
"Abgemacht!", ich hob meine Hand und er schüttelte sie.
"Was ist denn abgemacht?"
"Das wir uns nicht verlieben!"
"Was macht ihr denn da?"
Ich zuckte zusammen und riss meine Hand weg, Ahna stand an ein Bücherregal gelehnt und grinste uns an.
"Nichts!", rief Luke und wedelte mit den Händen. Ahna schlenderte zu uns und ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen.
"Also wie sieht es aus mit dem Frühlingsball?", Ahna zog die Augenbrauen hoch und verschränkte ihre Finger miteinander.
"Ich weiß es noch nicht."
"Wie du weißt es noch nicht?!", Ahna starrte mich erschrocken an und verdrehte dann die Augen.
"Gut, dann muss ich dich wohl oder übel dazu zwingen!", sie schlug mit der Faust auf den Tisch und schnaubte. Ich schaute sie gelangweilt an und schüttelte den Kopf. "Niemals."
"Und ob!"
Die weitere Pause diskutierten Ahna und Luke angeregt über den Verlauf des diesjährigen Balls. Mich interessierte es zwar nicht, aber wenn sie stritten, wirkte die Welt einfach heil.
Bestimmt weil Ahna keine Ahnung von Lukes Zustand hat.
Irgendwann gongte es und wir standen widerstrebend auf, um uns auf den Weg zum Biologieraum zu machen. Ahna hatte einen anderen Kurs, sie umarmte mich flüchtig und lief in die entgegengesetzte Richtung.
"Hast du Biologie gemacht?"
"Ja? Wieso du nicht?"
"Nö... könnte ich das bei dir abschreiben?"
"Nein! Überhaupt ist sie immer pünktlich."
"Ach komm schon!"
"Du kannst von meinen Zettel ablinsen."
"Klasse!", zufrieden klatschte Luke in seine Hände und riss überschwänglich die schwere Tür auf. Als er eintrat, gefolgt von mir, lasteten schwere Blicke auf uns. Böse Blicke, hasserfüllte Blicke und vor allem, neidische Blicke.
Ich setzte mich nach hinten, Luke ging in die zweite Reihe und setzte sich. Der Unterricht begann als die Lehrerin eintrat und, "Ruhe! Alle auf ihre Plätze!" rief.

"Haaaa!", jauelte Ahna und streckte sich. "Endlich frei!", murmelte sie und nahm meine Hand. Sie zog mich mit zu den Fahrrad und lächelte ruhig. Ahna streckte mir ihre Hand entgegen und schloss ihrr Finger um meine.
"Ahna. Was möchtest du."
"Wieso klingt das eher wie eine entnervte Aussage als eine Frage?"
Ich schmunzelte und nickte.
"Was möchtest du Ahna?"
"Nichts! Ich möchte deine Hand nur festhalten!", lächelnd zog sie mich zu meinem Fahrrad und ließ meine Hand los, damit ich mein Fahrrad aufschließen konnte.
"Du bist echt...", setzte Ahna an, kam aber nicht weit, denn Luke kam um die Ecke und winkte mir zu. "Eden! Komm, Dad fährt dich nach Hause!"
Ich starrte ihn verdattert an, doch Ahna schnappte mir den Fahrradschlüssel weg und nahm sich mein Fahrrad.
"Ich fahre dann mal nach Hause!", sie schwang sich aufs Fahrrad und radelte los.
"Ahna!", rief ich ihr nach und wollte ihr hinterher rennen, aber Luke hatte mich erreicht und packte meinen Arm.
"Das habt ihr geplant richtig?", fragte ich argwöhnisch. Und Luke antwortete souverän, "Natürlich! Von Anfang an!".
Luke zerrte mich sanft mit sich und lächelte auf mich herunter. Als wir beim Auto ankamen, stieg Andy aus und winkte mir zu.
"Hallo Eden."
"Mr Andy", murmelte ich und neigte ihm meinen Kopf zu. Andy verdrehte die Augen sagten aber nichts. Like hielt mir die Tür auf und ich setzte mich auf die Rückbank, Luke knallte die Autotür zu und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
"Hey Dad, kann Eden mit uns essen?"
"Klar, dann kannst du ihr ja auch deine Idee erzählen."
"Was für Ideen?", fragte ich kleinlaut.
"Ideen über die Liste...", flüsterte Luke. Mir wurde heiß und ich schaute schnell aus dem Fenster, ich blinzelte die Sonne weg und betrachtete die Aussicht.
Wir waren aus der Stadt herausgefahren und nun zeigte das Fenster mir Raps- und Getreidefelder, die gelb in der Sonne leuchteten. Das junge Grün der Blätter funkelte und ließ alles so idyllisch wirken.
Ich war lange nicht mehr aus der Stadt rausgekommen, eigentlich seit dem Tod meiner Eltern nicht mehr. Früher haben sie jedes Wochenende einen kleinen Ausflug gemacht, um aus der Stadt herauszukommen.
"Wo wollen wir hin?", fragte ich Luke leise und er drehte sich zur Rückbank um.
"Dad und ich wollten dir etwas zeigen. Nichts schlimmes oder so", setzte er schnell hinterher, als er meinen argwöhnischen Blick bemerkte.
"Lehn dich einfach zurück und genieß die Aussicht", meine Augenbrauen schossen in die Höhe und ich musste mich zusammenreißen um Andy nicht bitten zu müssen mich rauszulassen.

Nach einer ziemlich stillen Fahrt und mehreren Augenblicken, in denen ich dachte, ich würde einschlafen, kamen wir endlich zum Stillstand. Der Motor tickte leise und Luke stieg aus, er lief zu der Autotür, die ich gerade aufdrücken wollte und half mir.
"Da sind wir", er machte eine vage Geste und zeigte auf ein kleines Café, hinter diesem war eine große Veranda, die an einen Steg anschloss, welcher auf einen großen See hinausführte.
Es war traumhaft schön.
"Hier fahren Dad und ich jeden achtzehnten Mai hin. Ist sowas wie eine Tradition bei uns", erklärte Luke und folgte Andy ins Café.

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt