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Wir saßen auf meinem Bett, ich Luke gegenüber im Schneidersitz und er an die Wand gelehnt.
   Und... wow, wir hatten gerade einen richtig bösen Streit.
   Ich weiß ehrlich gesagt nicht wieso, aber ich habe darüber gesprochen, dass ich Ahna und Manny unbedingt mit zu einem unserer Ausflüge nehmen will und wir sie doch in unser Unterfangen einweihen sollten.
   Es ist nämlich so, dass Luke mich von der Idee, die Schule ein wenig sausen zu lassen, überzeugt hatte. Nach seiner Operation ging es ihm zwar besser, jedoch muss er jetzt täglich Tabletten schlucken und darf keinen Sport mehr machen.
   Ich glaube das nagt am meisten an ihm. Er war schon seit ich ihn kannte ein trainierter Typ. Seine Arme waren muskulös und sein Rücken und Bauch mit so schönen langen Muskeln besetzt, dass sie schon irgendwie zu ihm gehörten.
   Jetzt da er keinen Sport mehr machen könne, meinte er, würde ein Teil seiner Entlastung fehlen.
   "Eden...", murmelte Luke und blickte auf. Meine Augen hafteten die ganze Zeit schon auf ihm, auf seinem etwas blasserem Gesicht und seinen wunderschönen Lippen.
   "Ja?"
   Er fuhr sich durch die Haare, sein Boickwar entschuldigend, fast schon reumütig. "Oder besser nein. Egal was du sagen willst, es ist schon gut. Ich kann verstehen wenn-", wollte ich hinzufügen um den Blick aus seinem Gesicht verschwinden zu lassen, doch Luke schüttelte den Kopf und unterbrach mich.
   "Ich will mich bei dir entschuldigen, weil es meine Schuld ist. Du hast nichts falsch gemacht, nur ich... ich und mein Herz. Dich jetzt wegen irgendwas anzublaffen was noch nicht mal wegen dir ist, ist einfach unfair von mir", er neigte den Kopf und nahm meinen Arm, zog mich zu sich, umarmte mich fest.
   Sein Körper war nicht mehr so warm wie früher, eher kalt, doch es störte mich nicht, denn von innen war er noch immer der Schönste. Ich lächelte und strich ihm über das Haar, schloss meine Augen und seufzte.
Dann riss ich mich los und schnappte mir meinen PC, lächelnd klappte ich ihn auf und zeigte ihm die Urlaubsseite, die ich geöffnet hatte. Luke beugte sich über meine Schulter und las die Angebote.
   "Interessant, aber... wieso in den Süden?"
    "Ich bin eine ziemliche Frostbeule. Wieso, willst du woanders hin?"
   Luke und mir war ziemlich klar, dass wir die Schule erstmal niederließen und uns ein schönes Leben machen wollten. Naja, ich würde Fernkurse besuchen und Luke half mir ein wenig.
   Ich verstand zwar nicht warum er keine Weiterbildung machen wollte, doch ich akzeptierte es, auch wenn sich immer wenn ich daran dachte, die Galle in meinem Magen hob.
   "Naja... ich hatte an etwas viel cooleres als irgendein blödes Urlaubsland gedacht."
   "Und das wäre? Wenn die Länder im Süden alle so blöde Urlaubsländer sind", ich lachte und grinste ihn an, er zog spielerisch eine Schnute und schüttelte den Kopf, seine Haare fielen ihm ins Gesicht. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Unglaublich, dass er immer noch so eine Wirlung auf mich hatte.
   "Trommelwirbel bitte", er grinste mich an und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. "Ab nach Japan!"
   Stille. Unruhige Stille.
   "Japan?"
   "Ja, Japan."
   "Luke... du weißt schon, dass das richtig weit weg ist und man die Sprache lernen muss?"
   "Ja."
   "Und trotzdem soll es Japan sein? Ich dachte du bist nicht gut mit dem Lernen von Sprachen?"
   Luke lachte auf und wuschelte mir durchs Haar.
   "Komm schon Eden! Bitte! Ich will das so unbedingt!"
   "Aber... ich... ich finde gerade nichts was dagegen spricht", mein Mund war trocken. Wow. Japan. Wow. "Wie kommst du denn bloß immer auf solche Ideen?!"
   "Ist das keine gute Idee? Kein gutes Reiseziel?", fragte Luke nervös und rutschte ein wenig weg um mich anzusehen.
   Ich konnte es ehrlich nicht erklären. Es war ein gutes Ziel, aber ich machte mir Sorgen um seine Gesundheit und um sein Herz, um das Lernen der Sprache und darum, wie wir dort auskommen würden.
   "Verdammt. Ich dachte du würdest dich freuen", murmelte er und fuhr sich enttäuscht durch die Haare.
   "Nein Luke! So ist es nicht!", versuchte ich ihn zu beruhigen und legte ihm meine warme Hand an seine Wange. "Ich finde es ist ein tolles Reiseziel... Nur was ist mit deiner Gesundheit?"
   Luke lächelte und legte seine Hand über meine. "Eden, Baby, es geht mir gut. Ich will nur, dass wir noch ein bisschen zusammen sind, dass wir-"
   Ich schob mich hoch und starrte ihm ängstlich in die Augen. "Ein bisschen? Wieso denn nur ein bisschen?!", meine Stimme wurde höher, hysterischer. Lukes Gesichtszüge rutschten für einen Moment aus seiner Kontrolle und eine Fratze entstand. Ich sprang vom Bett.
   "Luke! Was bedeutet das?!"
   Jetzt war auch er endlich aus seiner Starre erwacht und rutschte zur Bettkante vor.
   "Nichts!", versichterte er mir und hob die Hände, wie um sich der Polizei zu stellen. "Nichts! Ich habe mich versprochen, Eden! Nimm nicht alles so ernst!"
   "Nicht so ernst?! Spinnst du? Ich liebe dich, du Idiot! Wie kannst du da verlangen, dass ich den Defekt am Herzen meines Feundes nicht ernst nehme?! Ich liebe dich du Holzkopf! Mann!", Tränen strömten über meine Wangen und benetzten die Haut. Luke stand auf, Tränen schimmerten auch in seinen Augen.
   "Bitte Eden. Und ich liebe dich, du argwöhnische blöde Kuh. Ich liebe dich verdammt nochmal! Ich wollte es nicht so aussehen lassen! Ich will mein ganzes Leben mit dir verbringen! Weil ich dich liebe! Mehr als der Mond die Sonne oder Brad Pitt Angelina Jolie! Okay?", ich lachte kurz auf und schlug ihm dann fest gegen die Schulter.
   "Ich bin keine blöde Kuh", dchniefte ich.
"Stimmt. Du bist meine blöde, argwöhnische, süße, verheulte Kuh", murmelte er und drückte mich an seine Brust. Ich vergrub mein Gesicht an ihm und legte meine Hand auf seine Brust und hörte seinem Herzschlag zu.
   "Lass uns nach Japan. So schnell es geht."
"Okay."

Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, wird mir erst klar, wie oft wir vor der Realität fliehen wollten. Ich hatte Japan zugestimmt, nicht etwa weil ich es selber so wollte, sondern weil ich dieses Leben hinter mir lassen wollte. Weil ich in ein anderes Land wollte um zu vergessen, dass wir uns jemals gestritten hatten.
   Wir sind die ganze Zeit vor der Wahrheit davongelaufen. Nein eigentlich war nur ich die, die wegrannte. Luke wusste es. Er wusste immer alles.
   Manchmal frage ich mich ob es überhaupt richtig war mit ihm zusammenzukommen. Oder ob ich ihm nicht noch mehr aufgehalst habe. Er hat die Beziehung getragen. Er hat sie immer auf seine Schultern gelegt, statt sie mir zu überreichen. Ich trug immer nur eine Handvoll, während er sich den Buckel von der Last hinunterdrücken ließ.
   Ich habe schon oft überlegt, was passiert wäre, wenn ich ihm in diesem Moment meine Gefühle mitgeteilt hätte. Wenn ich mich aus der Umarmung losgemacht hätte und ihm das gesagt hätte was ich in diesem Moment gefühlt habe. Nämlich, dass ich das nicht konnte. Dass ich ihn nicht ertragen konnte.
   Denn es ist so, dass er jedes Mal, wenn ich mit ihm sprach, etwas zu verheimlichen schien. Er wusste immer alles. Aber erzählen tat er mir nie etwas. Andy wusste auch nie etwas.
Für mich fühlte es sich immer so an, als würde unsere Liebe, unsere Beziehung für ihn gar nicht existieren. Er war immer ein einsamer Wolf, ein Einzelgänger. Aber ich hatte gehofft ihn ändern zu können. Vielleicht hatte ich das auch. Er sagte immer, dass ich es getan hätte und ich glaubte ihm. Immer. Weil ich immer weggerannt bin. Und er immer alles wusste.
   Mein Therapeut diagnostizierte eine selbstzerstörerische Ader bei mir. Vielleicht hatte ich diese Zerstörung auch in unsere Beziehung gebracht. Ziemlich bestimmt sogar.
   Und jedes Mal musste ich daran denken, dass er alles etragen und getragen hat. Das ich vielleicht die war, die ihn zum Einstürzen gebracht hat. Die diesen Moment hervorgerufen hat, mit meiner selbstzerstörerischen Ader.
   Vielleicht hätte ich wirklich mit ihm Schluss machen sollen, um ihn und mich zu retten. Aber ich liebte ihn. Mit jeder Faser meines Körper, mit jedem Schlag meines Herzens ein bisschen mehr. Vielleicht war diese Liebe falsch, so wie Andy es mal angedeutet hatte, aber sie war real, sie war schön. Und sie war dunkel.
     Es gab nur wenige Momente in denen ich die Zügel in die Hand gedrückt bekommen habe. In denen ich die Beziehung, die Liebe getragen habe.
Ich habe sie so gut getragen wie es ging. Aber ich denke, dass ich sie dadurch auch kaputt gemacht habe.
   Noch bis heute wünschte ich dieser Moment wäre nie gekommen...

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt