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Ich warf eine Tüte mit Schuhen in den Koffer und schloss ihn. Meine Finger zitterten vor Aufregung, mein Herz raste. Ich war überglücklich.
   Einen Monat lang hatten Luke und ich die Reise geplant, sie Andy und Granny vorgestellt und in meinem Zimmer aneinandergekuschelt fantasiert und die Sprache gelernt. Es war alles perfekt und bereit. Vor allem aber waren Luke und ich bereit. Wir wollten endlich aus der Stadt raus, uns an so viel Neuem erfreuen!
   Wie den ganzen Tag schon, hüpfte ich aufgeregt in meinem Zimmer umher und drehte mich solange um meine eigene Achse, bis mir schlecht wurde.
   "Ich liebe ihn", sang ich immer wieder und summte ein paar Lieder der Beatles. Luke und ich spielten fast täglich zusammen auf der Gitarre oder sangen.
   Ich packte meinen Koffer, hiefte ihn hoch und stieg die Treppen ins Wohnzimmer hinunter. Granny saß auf der Couch und fuhr über irgendetwas mit den Fingern. Leose stellte ich den Koffer ab und schlich mich an Granny heran.
   Es verschlug mir die Sprache.
   "Granny", flüsterte ich plötzlich heiser. Sie drehte sich zu mir um mit tränennassen Wangen.
   "Ach Eden! Du siehst wieder fabulös aus", sagte sie, stand auf und strich mir mein offenes unbändiges Haar über die Schulter.
   "Woher hast du das?", murmelte ich und starrte gebannt auf ihre Hand.
   Sie kicherte und schüttelt den Kopf. "Immehin bin ich deine Granny! Natürlich habe ich Bilder von euch... Ich wollte es dir heute geben. Damit du immer weißt, dass wir für dich da sind", sie lächelt und drückte meine Hand. Langsam ließ sie das Bild hineingleiten.
   Ich setzte mich, auf einmal mit weichen Knien, auf das Sofa und sah mir das Bild mit zittrigen Fingern an. In meinem Zustand hörte ich nur dumpf das Telefon klingeln, Granny verschwand.
   Auf dem Bild waren meine Mom Sarah und mein Dad Marco mit mir im Arm zu sehen. Ich war noch ganz jung und trug einen rosa geringelten Strampler. Meine Mutter hatte ihre braunen Haare zu einem Dutt geschlungen und mein Vater trug ein Hemd, dass farblich zu meinem Strampler passte. Aber was mich wirklich in den Bann zog waren ihre großen Augen, vor Glück und Unglauben geweitet und die Lippen die zu einem breiten Lächeln verzogen waren.
   Ich konnte nicht mal weinen, so glücklich war ich. Das ist also eine glückliche kleine Familie. Meine kleine Familie. Bevor sie zerbrach.
   Ich fuhr mit den Fingern über das etwas vergilbte Fotopapier und lächelte.
"Eden...", ich blickte auf und sah Granny im Türrahmen stehen. Ihr Gesicht eine Fratze des Grauen. Aber mein Herz machte noch immer Hüpfer vor Glück, ich registrierte noch nicht mal, dass Granny Tränen über die Wangen flossen.
    Sie sagte etwas, aber es kam nur verzerrt und dumpf an meine Ohren. Mein Lächeln verschwand. Mein Herz stoppte. Die Zeit wurde auf die brutalste Weise auf der Welt gestoppt.
   "Luke... er... er ist im Krankenhaus..."
   Mehr brauchte ich nicht. Ich sprang auf und brüllte Granny an mir die Autoschlüssel zu geben. Doch sie tat es nicht. Griff nur nach meiner Hand, zog mich zum Auto und setzte sich ans Steuer.
   Ich habe Granny Hendriks noch nie so schnell fahren sehen. Ich krallte mich an meinen Sitz, Angst schnürte mir die Kehle ab.
   Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht!!!
   Das Krankenhaus kam in Sicht, ich schrie vor Angst, Granny versuchte mich zu beruhigen. Sie brüllt gegen mich an, rief mich zur Vernunft, doch ich hörte nicht. Wollte nichts von Vernunft in diesem Moment hören. Wollte nur dass Luke da war. Gesund... Lebendig!
   Granny bremste um dann in eine Parklücke zu brettern, sie würgte den Wagen ab und ich sprang heraus.
   An der Rezeption fragte ich die Krankenschwester nach Luke Hendriks Zimernummer.
   "Sind Sie mit dem Patienten verwandt?"
   "Herr Gott! Ich bin seine Freundin! Bitte, sagen sie es mir. Bitte!"
   Sie zog eine Augenbraue hoch und nickte langsam, dann gab sie mir die Zimmernummer und ich rausche durch die Korridore.
   Als ich vor der Tür stehen blieb, rauschte mir das ganze Blut in die Hände und in das Gesicht. Mir wurde heiß, Angst stieß in mein Herz und ließ es erkalten.
   Meine Hand legte sich an den Türknopf, das Metall war kalt, es fühlte sich an, als würde die Kälte meine Hand verbrennen. Tränen schossen mir in die Augen. Ich stieß einen kehligen Laut aus und umklammerte den Knopf.
   Langsam drehte ich ihn herum und die Tür sprang auf. Durch den Spalt konnte ich nur Andy erkennen, der am Ende des Bettes auf einem Stuhl saß und schlief. Und Füße, die in eine Decke gehüllt waren.
   Ich schob die Tür weiter auf, sah die zugedeckten Beine, den Brustkorb und das Gesicht. Das Gesicht meines Freundes!
   Er trug eine Maske, die ihm bei der Luftzufuhr half, sie nahm fast sein ganzes Gesicht ein, so klein wirkte es unter dieser.
   Er sah noch dünner aus als sonst, müde und ausgezerrt. Mein Herz stoppte, am liebsten wollte ich weinen, doch ich hielt alles zurück. Selbst meine Gefühle.
   Auf Zehenspitzen schlich ich auf die Gestalt im Bett zu und kniete mich neben dieses.
   "Luke?", flüsterte ich und nun traten mir doch Tränen in die Augen. Mein Herz zog sich zusammen und ich konnte spüren... wirklich spüren, dass ein Teil meines Herzen brach, abstarb... wie auch immer man es nennen wollte, es tat weh.
   Alles brannte in mir, alles zerrte an mir und fast wäre ich zusammengebrochen, doch da legte sich ein kalter Finger um meine Hand.
Dieses Gefühl riss mich wieder an die Oberfläche und ich starrte in die haselnussbraunen Augen von Luke. Er fasste mich an der Hand, strich mir mit einem Blick übers Gesicht und atmete zittrig ein.
"Luke", flüsterte ich und kniff die tränenden Augen zusammen. Er röchelte etwas, ich stand auf und legte meine Fingerspitzen zitternd an die Maske und hob sie an.
   Seine Lippen bewegten sich, jedoch kam kein Ton heraus, er verzog das Gesicht und seine Hand lag nun auf meiner Schulter. Ich beugte mich zu ihm herunter und jetzt waren unsere Gesichter nur noch Millimeter von einander entfernt.
   "Ich wusste es", krächzte er leise. Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab.
   "Was?", flüsterte ich und strich ihm leicht übers Gesicht.
   "Ich wusste das was nicht stimmte, irgendwie", seine Augen huschten unruhig hin und her, als würde er mich nicht sehen oder mir ausweichen.
   Ich blickte zu dem Fenster das mir gelbem Stoff verhangen wurde. Matte Lichtstrahlen fielen ein und strichen durchs Zimmer, wie eine Erinnerung, die plötzlich kommt und man nicht mehr abschütteln kann.
   "Eden", flüsterte Luke und ich beugte mich wieder über ihn. Er fixierte mich kaum mit seinen Augen, doch das Schimmern in diesen zeugte von nahenden Tränen. "Es tut mir leid", flüsterte er mit bebender Stimme.
Meine Herz zog sich zusammen und am liebsten hätte ich schon wieder geweint. Aber Luke tat es schon und einer von uns beiden musste stark bleiben, also verschränkte ich unsere Finger miteinander und hauchte ihm Küsse auf jeden einzelnen Knöchel.
   "Nein Luke. Du musst dich nicht entschuldigen, Baby. Es ist okay, ja? Nur du selbst musst es einsehen, mir macht das... schon was aus, aber ich will nur dass du wieder gesund wirst!"
"Und was ist wenn das eben nicht passiert?", hauchte er und blickte auf unsere umschlungenen Hände.
   Ja, was ist dann? Was ist mit uns? Oder mit mir - meinem Leben?
   Die Vorstellung, dass Luke einfach nicht mehr da war, war grausig. Ein Gefühl der Ohnmacht erfasste mich, denn tief in meinem Herzen wusste ich es, wussten wir es.
   Ich sollte jetzt nicht an mich denken, sondern an ihn. An ihn und was er braucht und ich sollte an unsere Liebe denken. An die Liebe die stärker ist als der Tod und die all den Schmerz auf dieser Welt überwinden kann.
   Ich neigte mich nach vorne, schob die Maske zur Seite und küsste ihn vorsichtig, als wären seine Haut, seine Lippen aus Spinnenweben und würden jeden Moment zerfallen, wenn ich ihn zu lange oder zu fest berührte.
"Dann werde ich für dich da sein. So wie ich es mir geschworen habe, Luke. Ich werde dich lieben."
   Ein Lächeln spielte um seine Lippen, wieder dieses verführerische Lächeln, welches ich so sehr an ihm liebte und vermisste.
   "Und ich liebe dich", sagte er, auf einmal mit fester Stimme und übte Druck auf unsere Hände aus. Behutsam setzte ich ihm wieder die Maske auf und zog mir einen Stuhl heran um sitzen zu können.
   Luke hatte schon wieder die Augen geschlossen und schlief, das Piepen der Geräte im Hintergrund.
   Suchend drehte ich mich nach Granny um, entdeckte sie jedoch nicht im Raum sondern draußen auf einem Stuhl sitzend. Ich lächelte und wusste, dass sie immer für mich da sein würde, selbst wenn es ihr schlecht geht.
Ich bettete meinen Kopf in die Mulde, die Luke gebildet hatte, als er sich zu mir umgedreht hatte und nun in Embryonenstellung schlief.
Ich blickte zu ihm hoch, zu meinem Helden. Meinem Freund, meiner Liebe. Die Maske war mit Kondenswasser bedeckt, sodass ich seine Lippen nicht sehen konnte, aber das musste ich gerade auch nicht, denn ich hatte das Gefühl noch auf meinen Lippen. Das Gefühl wie sein weicher Mund sich perfekt gegen meinen schmiegen konnte. Seufzend blickte ich höher und schmunzelte, trotz dieser Situation, obwohl Luke im Krankenhaus lag. Er brachte mich immer wieder zum Lächeln.
   Seine Wimpern waren noch immer unvorstellbar lang und seine Gesichtszüge noch immer markant, wenn auch ein bisschen mager. Es war noch immer Luke. Noch immer mein Luke.
   Nur musste ich ihn jetzt beschützen.

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Sooo, meine Leseratten!
Ich hoffe euch haben die Kapitel gefallen und bevor jetzt was passiert: Die Liebe zwischen Luke und Eden geht weiter! Wartet nur ab.
♡♡♡

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt